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Der Speditionskonzern DSV sammelt Teile für General Motors und große First-Tier-Lieferanten in der Hansestadt, um sie dann gebündelt per Container zu versenden. Mit seiner Land- und Seefrachtlogistik gewann das Unternehmen schon mehrere Lieferanten-Auszeichungen des US-Konzerns.
In der großen weißen Halle im Bremer GVZ herrscht ein Treiben wie in einem Bienenstock. Pausenlos zischen Gabelstap­ler hin[ds_preview] und her. Die einen heben fleißig Paletten aus Wechselbrücken, um sie ein paar Meter weiter auf gekennzeichneten Flächen abzustellen, wo ein Mitarbeiter die darauf verpackten Kartons zählt, Etiketten überprüft und konzentriert Listen abhakt. Andere wiederum bringen Packstücke zu einer Wiegestation, und wieder andere bugsieren Paletten zu draußen aufgestellten Seecontainern. Ein viele Tonnen schwerer Reach Stacker – so groß wie ein Reihenhaus – rollt mit Getöse vor und hebt spielend einen beladenen 40-Fuß-Container an. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass es sich bei den lagenweise aufgeschichteten Metallzylindern in einem Block von Paletten um Radfelgen handelt. Tatsächlich gehört alles, was in dieser 12.000 m2 großen Halle des Lager- und Packing-Unternehmens CPC Cargo Center umgeschlagen wird, in Fahrzeuge.

Auftraggeber für CPC ist die deutsche Organisation des dänischen Speditionskonzerns DSV Air & Sea, die an diesem Standort Teile- und Materiallieferungen aus ganz Europa für Montagewerke von OEMs (Autoherstellern) und großen Zulieferunternehmen in Übersee sammelt. Größter Kunde ist der US-Autobauer General Motors, der DSV für seine Performance bereits zweimal mit einem Supplier Award in De­troit ausgezeichnet hat. Bremen ist das Nadelör, durch das ein Großteil der in Europa eingekauften Ware muss, bevor es auf große Reise zu einem der vielen Montagewerke rund um die Welt geht. 22 Mitarbeiter von CPC sind mit nichts anderem als mit Umschlag und Versand von Automotive-Gütern für DSV beschäftigt. »Das begann mal mit einer Anfrage, ob wir pro Woche 15 Container machen können«, erinnert sich CPC-Geschäftsführer Rainer Trieglaff. Inzwischen sind es rund 300 TEU pro Woche.

Control Tower koordiniert alle Warenbewegungen

Das eigentliche Nervenzentrum befindet sich rund 7 km entfernt direkt in der Innenstadt, an Bremens traditionsreicher Schlachte – einer Kaje aus dem Mittelalter. Hier in der deutschen DSV-Zentrale für das Speditionsgeschäft befindet sich der »Control Tower« für Automotive-Kunden. 75 Mitarbeiter passen auf, dass die Inbound-Warenströme der Auto- und Autozulieferwerke in Übersee nicht ins Stottern geraten. »Bislang ist es nie zu einem Produktionsstillstand bei unseren Kunden gekommen. Darauf sind wir mächtig stolz«, sagt Marcus Musiol, Branch Manager bei DSV in Bremen. Als »verlängerter Arm« des Kunden übernehme DSV die gesamte Bestellungs- und Logistikabwicklung (Purchase Order Management) in Europa – »direct to plant« (bis zum Überseewerk). Abläufe und Kompetenzen im Control Tower sind streng gegliedert. Die Mitarbeiter im »Order Management« stehen im direkten Kontakt zu den Logistik- und Supply-Chain-Verantwortlichen in den Überseewerken, sind das »Gesicht zum Kunden«, wie es Musiol ausdrückt. Sie werden über Bestellungen und Bedarfe informiert, berichten dem Kunden über Auftragsabwicklung und stimmen Alternativlösungen ab, wenn es Fehl- oder Übermengen oder Probleme in der Transportkette gibt. Die Kollegen im »Supplier Management« wiederum koordinieren mit den Lieferanten in 26 Ländern die Abholung und Übernahme der Waren. In der Forwarding-Abteilung erfolgt die speditionelle Abwicklung aller Transporte per Lkw, Schiff und Flugzeug nach den Vorgaben aus dem Order Management und dem Supplier Management.

Die Konsolidierung der meisten Sendungen bei CPC bildet einen Teil der dort gemanagten Transportkette. »Das muss ein stark automatisierter Prozess sein, weil man solche Mengen sonst nicht bewältigen kann«, unterstreicht Musiol. Kunden, wichtige Lieferanten sowie Carrier sind per EDI (Elec­tronic Data Interchange) an DSV angebunden, dessen IT-Plattform für Transport- und Purchase Order Management alle Bestellungen und Transportvorgänge bis auf Artikel-ebene abbildet.

Dennoch muss immer wieder manuell eingegriffen werden, wenn es irgendwo zu Abweichungen kommt. Zum Beispiel weil ein Lieferant bestimmte Artikel nicht im geplanten Umfang liefern kann und auf Alternativen inklusive Luftfracht ausgewichen werden muss. Oder weil es günstiger wäre, Mehrmengen zu versenden, um Transportkosten zu sparen. Oder weil die Reederei kurzfristig den Fahrplan umwirft und sich Laufzeiten um Tage verlängern.

Musiol erinnert sich an einen Fall, in dem bestimmte Ware kurz vor Beladung des Schiffs aus dem Container herausgeholt und per Luftfracht zu einem anderen Werk verschickt wurde, wo ein akuter Engpass bestand. »Das geht nur mit einer entsprechenden Maschine dahinter. So etwas lässt natürlich jedes Spediteursherz höher schlagen«, sagt er.

Laufender Verbesserungsprozess gefordert

Derartige Interventionen sind eine Sache. Eine andere ist der laufende Optimierungsprozess, auf den gerade Kunden im Autosektor besonders erpicht sind. »Es wird vorausgesetzt, dass wir uns die Warenströme immer wieder angucken und Verbesserungsvorschläge machen. Nicht nur ab­fertigen, sondern auch Kostensenkungen ermöglichen«, berichtet Sascha Küsel, Manager Automotive Logistics in Musiols Team. Dazu gehört auch die Überwachung und Beurteilung der Carrier, des Equipments und der Qualität der Verpackung. Da die Kunden aufgrund ihrer Größe den Frachtraum häufig direkt bei den Carriern einkaufen und auch die Verpackungsstandards festlegen, sind den Kompetenzen von DSV enge Grenzen gesteckt. »Wir können nur reporten, was wir sehen. Die Entscheidungen müssen dann andere treffen«, so Küsel. So gehöre die Erhebung von Leistungsindikatoren (KPI) zu Carriern und die fotografische Dokumentation von Verpackungsdefiziten zum Alltag des Spediteurs.

Im Konzern gehöre der Control Tower zu den Leuchtturmprojekten, »das Know-how sitzt hier in Bremen«, erklärt Küsel. Dem Bereich dürfte in Zukunft sogar eine noch größere Rolle zukommen, weil der DSV-Vorstand in Dänemark den Ausbau der Branchenlogistik für den Automobilsektor als strategisches Ziel proklamiert hat.

Bei der hohen Investitionstätigkeit der Autokonzerne für neue Montagewerke außerhalb Europas ist auch anzunehmen, dass die Teilekonsolidierung zur Produktionsversorgung von Überseewerken ein Wachstumsmarkt für die Spedition bleiben wird. »Wir sehen, dass es mit den Lieferungen für Nordamerika und Asien weiter bergauf gehen wird«, meint Küsel. Andererseits wird von ausländischen Herstellern beispielsweise in China erwartet, dass sie die Wertschöpfung vor Ort steigern, was bedeuten könnte, dass weniger Ware aus Übersee herantransportiert werden müsste. Europa und speziell Deutschland seien aber immer noch ein riesiger Lieferantenmarkt mit höchstem technologischem Know-how. Zum Teil würden Fertigungen sogar zurückverlagert, etwa von China nach Deutschland, so Küsel, »da wird das Rad in einigen Fällen wieder zurückgedreht«.


Michael Hollmann