Print Friendly, PDF & Email

Niederländische Spezialschiffbauer profitieren vom Offshore-Boom im Ölsektor. Die anhaltende Nachfrage, Fördererlöse auf stabil hohem Niveau und neu entdeckte Lagerstätten vor allem im Offshore- und Tiefsee-Bereich kurbeln das Geschäft an. Hermann Garrelmann hat sich im Expertencluster entlang de[ds_preview]r Maas umgeschaut
Auf das erforderliche Equipment zur Offshore-Ölförderung hat sich im Großraum Rotterdam eine ganze Reihe von Betrieben eingestellt. Vom Spezialschiffbau für Bohr- und Versorgungsschiffe über spezielle Hebetechnik bis hin zu Dienstleistern trifft man auf weltweite Player, die sich als Cluster darstellen und, wenn nötig, ihre Kompetenzen bündeln. Im Fokus der Aktivitäten und Entwicklungen stehen neben dem Küstenbereich Brasiliens die Offshore-Vorräte im Golf von Mexiko, die Förderfelder vor der afrikanischen Westküste mit Nigeria als Mittelpunkt sowie Neuseeland. Der Klimawandel lenkt zusätzlich den Blick auf Rohstoffvorkommen in der Arktis; spezielle Schiffsentwicklungen stehen zumindest als Modell auf den Tischen der global agierenden Unternehmen.

Hoher Fachkräftebedarf

Was fehlt in der maritimen Industrie der Niederlande sind qualifizierte Arbeitskräfte. Obwohl landesweit derzeit täglich 700 Menschen ihren Job verlieren und die Arbeitslosenquote im Königreich bei rund 700.000 Arbeitslosen (Quote im Juli: 8,7%) für das Land auf vergleichsweise hohem Niveau verharrt, finden die maritimen Spezialisten nur mühsam das nötige ›Humankapital‹.

Einer dieser Global Player ist die Damen Shipyards Group. Mit weltweit 8.000 Beschäftigten, davon allein 3.000 in den Niederlanden, macht die in Familienhand befindliche Gruppe einen jährlichen Umsatz (2012) von 1,7 Mrd. € und nutzt dazu rund um den Globus ihre 38 Werftstandorte.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist unter anderem ein permanenter Vorrat an nahezu fertig ausgestatteten Schiffen aus den unterschiedlichen Segmenten. Das lässt kurze Lieferzeiten zu und kommt den Kunden entgegen – wie jüngst, als das Unternehmen Northern Offshore Service einen Fast Crew Supplier vom Typ FCS 2610 binnen weniger Wochen übernehmen konnte. Von den in Singapur gebauten TwinAxe-Schiffen, die bis zu 25 kn schnell sind, hatte Damen ursprünglich 20 Exemplare ›auf Lager‹. Einige dieser ›Schiffe von der Stange‹ können in bestimmtem Maß noch an Kundenanforderungen angepasst werden, natürlich in kürzester Zeit.

In den Orderbüchern stehen aber auch komplette Neubauten. Aktuell kam ein Auftrag für ein Oil Recovery Vessel vom Typ 8310 herein, das für Fugro in Brasilien zu liefern ist.

Schnell durch Serienfertigung

Neben »vessels in stock« ist die Entwicklung neuer Lösungen eine Stärke des in Gorinchem ansässigen Spezialisten. Der Verkauf auf Basis von Studien ist nicht un­ge-

wöhnlich. Das erwarten die Damen-Entwickler auch für das spezielle Arktikschiff mit dem Kürzel AMTSV 003 und geplanter Dual-Fuel-Technik mit LNG. »Es ist ein echtes Polarschiff und kann durchaus im Eis arbeiten«, ließ Jan van Os von Damen jüngst wissen, welche Projekte in der Schublade liegen. Dazu gehört auch ein Kabelverleger auf Basis des unter DLC abgekürzten Mehrzweckschiffes.

Das im kommenden Jahr ›erst‹ 45 Jahre junge Unternehmen ist in allen Bereichen zuhause, wo es um Schiffbau im weitesten Sinn geht. Schnellere und größere Serviceschiffe für den Offshore-Ölmarkt mit der Option auf mehrere Einsatzzwecke stehen derzeit im Blickpunkt der Entwicklungs­aktivitäten. Im Offshore-Bereich sieht das Unternehmen noch wachsenden Bedarf, den es unter anderem mit dem Umbau von großen ehemaligen Frachtschiffen abdeckt.

Umbauexperten: Damen Shiprepair

Darum kümmert sich Damen mit einer eigenen Sparte unter dem Label Damen Ship­repair & Conversion. Eine der weltweit 16 Umbau- und Reparaturwerften liegt direkt an der Maas in Schiedam. Dort, wo ehemals die größten Windmühlen der Welt standen, verfügt Damen über ausreichende Anlagen. Ein überdachtes Dock mit 211 x 28 m sowie außenliegende Trockendocks von 216 und 307 m Länge, zusätzlich noch zwei Schwimmdocks, lassen auch große Projekte zu. Umbauten wie bei der »Pertinacia« vom Cable- zum Pipelayer fanden hier statt, ebenso wie das Refitting von Baggerschiffen.

Aktuell sind Reparaturen und Überholungen an einer FPSO-Einheit (Floating Production, Storage and Offloading) angesagt, einschließlich dem kompletten Überarbeiten des Turret-Systems. Auch steht die Nachrüstung eines Jack-up-Drill-Rigs mit einer Offshore-Hotelfunktion an, bei der die zusätzlich vorgesehenen Unterkünfte für 135 Personen bereits vor Ankunft des Umbaukandidaten vorgefertigt wurden.

IHC Merwede mit Auftragsflut

Eine ebenfalls international anerkannte

Adresse ist die zu IHC Merwede gehörende IHC Offshore & Marine in Krimpen an der Ijssel. Hier und an weiteren Standorten zwischen Alblasserdam und Sliedrecht sowie in Übersee arbeiten rund 3.000 Mitarbeiter. Deren Arbeitsplätze und die von zahlreichen Zulieferern sind aktuell durch den bislang größten Auftrag von IHC bis 2016 als sicher anzusehen. Mit einem Paket von sechs 550-t-Rohrverlegern, die letztendlich für die brasilianische Petrobras eingesetzt werden, kann die Belegschaft ihre Expertise in Serie einsetzen.

Drei der komplett ausgestatteten Pipe­layer gehen an Seabras Sapura, einer Partnerschaft zwischen Sapura Kencana und Seadrill, die zuvor bereits drei andere Schiffe bei IHC geordert hatten. Die 145,95 m langen Verlegeschiffe mit 12.500 dwt können Rohrleitungen mit maximalem Durchmesser von 630 mm bis in 3.000 m Tiefe verlegen. An Bord können bis zu 4.000 t Rohrleitungen deponiert werden. Die mit einem DP2-System ausgestatteten Spezialschiffe kommen auf eine maximale Reisegeschwindigkeit von 13,6 kn und verfügen über eine Antriebsleistung von insgesamt 23.868 kW. Für 120 Mitarbeiter finden sich entsprechende Unterkünfte und Nebenräume an Bord. Die Leistung des Hauptkranes beträgt 250 Metertonnen (mt). Seabras Sapura bekommt zudem Training für Mitarbeiter an einem speziellen Simulator.

Weitere drei Schiffe, die in Teilen baugleich mit der noch Mitte September nahezu ablieferungsbereit an der Kaje liegenden »Seven Waves« sind, gehen auf Rechnung von Subsea 7. Damit stehen insgesamt sieben Einheiten für Subsea 7 in der Referenzliste von IHC. Die Leistungsdaten sind nahezu identisch mit den zuvor genannten Einheiten. Ein etwas geringeres Eigengewicht von 11.750 dwt sowie ein kleiner ausgelegter Hauptkran (100 mt) sind allenfalls marginale Unterscheidungsmerkmale. Die drei Schiffe für Subsea 7 werden mit einem 550 mt starken Tiltable-Lay-System von Huisman ausgestattet.

Petrobras setzt die sechs Einheiten, die zwischen der ersten Jahreshälfte 2015 und dem zweiten Halbjahr 2016 abgeliefert werden sollen, zur Exploration von Ölfeldern in mehr als 2.500 m Tiefe ein. Mit den aktuellen Ordern stärkt IHC Merwede seine Position als Weltmarktführer im Offshore-Vessel-Bereich.

Spezialist für schwere Lasten

Ein enger Kooperationspartner im Bereich der Ausstattung von Pipe- oder Cable-layern oder maritim eingesetzter Hebetechnik ist die ebenfalls in Schiedam ansässige Firma Huisman. Bei Komplettlösungen für Tiefwasser-Pipelay-Systeme gilt Huisman als Weltmarktführer. Für die Ausstattung der »Seven Waves« sowie nachfolgender Schiffe hat Huisman ein Multi-Lay-System entwickelt, das die zuvor entwickelten Verlegetechniken kombiniert. Damit ist das Fahrzeug in der Lage, sowohl in flacheren als auch in tieferen Offshore-Regionen optimal zu agieren.

Neben der Ausführung der IHC-Aufträge für Brasilien kam jüngst eine Order für einen 1.500-mt-Kran an Bord der »Scylla« herein. Rechnungsempfänger ist die südkoreanische Werft Samsung Heavy Industries, die im Auftrag von Seajacks ein Jack-up-Schiff liefern soll. Seajacks wird damit das Equipment für das größte und modernste Offshore-Windfarm-Errichterschiff komplettieren. Der Kran mit einer Auslage von 32 m wird mit einem Anti-Kollisionssystem ausgestattet.

Lieferung auch für Lloyd Werft

Aktuell arbeitet Huisman für die in England basierte Ceona Offshore an der Ausstattung von zwei Rohrverlegeschiffen, von denen eines von der Lloyd Werft in Bremerhaven gebaut wird. Die »Ceona Amazon«, deren Kiellegung Mitte August auf der polnischen Werft Christ in Gdynia gefeiert wurde, wird später als Kasko nach Bremerhaven zur weiteren Ausrüstung verholt. Das 199,4 m lange Schiff mit 33.000 gt erhält einen neigbaren Lay Spread mit 570 t Kopf-spannung, der sowohl starre als auch fle­xible Pipelines und Versorgungsleitungen verlegen kann. Für nötige Installationen stehen zwei 400-t-Krane zur Verfügung. Die Ablieferung ist für 2014 geplant. Zeitgleich soll auch die Ausstattung des auf Ulsteins X-Bow-Konzept basierenden »Polar Onyx« fertig sein, der auf der polnischen Zaliv-Werft entsteht und ebenfalls an Ceona geht.

Von Huisman stammt ferner das 2.000-t-Multi-Lay-System auf dem Pipelayer »Aegir«, der in diesem Jahr abgeliefert wurde. Die Ingenieure des niederländischen Spezialisten entwickeln zudem spezielle Bohrschiffe einschließlich aller Ausstattung sowie spezifische Hebezeuge, wie sie vor gut zehn Jahren bei der Bergung des russischen Atom-U-Bootes »Kursk« eingesetzt wurde.

Mit Blick auf den brasilianischen Markt gab Huisman Anfang September bekannt, am Itajai-Açu in der Stadt Navegantes in Santa Catarina (Südbrasilien) bis Ende dieses Jahres eine eigene Produktionsstätte operativ zu haben. Damit kommt das Unternehmen den Forderungen der brasiliani­schen Regierung entgegen, die einen möglichst hohen »local content« fordert.

Marktführer SBM Offshore

Ein weiterer Marktführer, allerdings im Bereich geleaster schwimmender Produk­tionslösungen im Offshore-Bereich, ist die in Schiedam ansässige SBM Offshore. Der Schwerpunkt der Aktivitäten sind Entwurf, Erwerb, Aufbau, Installation und Betrieb von FPSO Vessels. Während SBM jüngst mit Meldungen über Verzögerungen beim »Deep Panuke«-Projekt vor Neufundland in die Schlagzeilen der Fachpresse geriet, geht die Entwicklung von FPSOs der dritten Generation voran. Diese sollen dank einer optimierten Kompressionstechnik 120.000 bis 150.000 Barrel pro Tag fördern.

Die im Sommer abgelieferte »Cidade de Paraty«, formell bereits operativ, arbeitet im Fördergebiet von Lula Nordeste, gelegen in der sogenannten »pre-salt area«. Das ist ein Bereich vor der brasilianischen Küste, in dem riesige Lagervorkommen erkundet wurden. Ende 2013 soll auch die 331 m lange »Cidade de Ilhabella« (ehemals VLCC »Anne«) an Petrobras geliefert werden. In Vorbereitung sind bei den Projektleitern der SBM bereits die dann folgenden »Cidade de Marica« und »Cidade de Saquarena«, zwei Schiffe mit einer Topside von 22.000 t. Deren Kaskos werden in China gebaut, die Ausrüstung erfolgt in Brasilien und soll in 2015 bzw. 2016 abgeschlossen sein.

FPSO in 27 Monaten fertig

Erst jüngst abgeliefert wurde das FPSO »OSX-2«. Das auf eine Topside von 10.000 t und eine Produktionskapazität von 100.000 Barrel Öl pro Tag ausgelegte Schiff wurde in 27 Monaten schlüsselfertig erstellt. In den kommenden drei Jahren, so Yves Paletta, Managing Director im Schiedamer Execution Center, erwarte man auf dem Markt 50 neue FPSO-Vorhaben. Diese würden teils als Umbauten beispielsweise von ehemaligen VLCCs konfiguriert.

Als einer der Global Player spielt die norwegische Ulstein-Gruppe im Drilling-Markt mit, die mit der Design-Tochter Ulstein Sea of Solutions auch in den Niederlanden vertreten ist. Branchenweit bekannt geworden durch die Entwicklung des X-Bow-Konzeptes, versorgt Ulstein nicht nur den operativen Markt mit Offshore-Fahrzeugen, durch maximale Flexibilität spielen Ulstein-Produkte auch im Offshore-Servicebereich eine wesentliche Rolle.

Während das konventionelle Offshore-Geschäft aus modular wandelbaren Plattformversorgerschiffen in unterschiedlichster Ausprägung besteht, haben sich unter der Federführung von Bob Rietveld, dem Managing Director der Ulstein Sea of Solutions, Ingenieure an neue Herausforderungen gewagt. Die 2001 von Rietveld gegründete Sea of Solutions gehört seit 2008 zur Ulstein-Gruppe.

Ulstein geht in die Arktis

»Je höher der Ölpreis, desto interessanter wird die Arktis«, hieß die Erkenntnis, nach der Ulstein sein AXDS-Konzept entwickelt hat. Auf Basis des X-Bow-Entwurfes wurde sämtliche Ausrüstung nicht nur auf winterfest getrimmt, sondern bis auf die Kranausleger und die Helikopter-Landeplätze komplett eingehaust. Besonderen Wert legten die Techniker auf minimale Umweltauswirkungen, die sich allerdings wohl eher auf das Schiff, nicht auf die Bohrtätigkeit an sich beziehen können.

Das AXDS soll bis zu 140 Tage in arktischen Bereichen operieren und dort bis in 500 m Tiefe agieren können, um sich sodann in arktische Randzonen mit offenen Gewässern zu begeben. Ausgestattet mit einem DP3-System und angebunden über Turret-Mooring, soll der Arktik-Driller in Eis von maximal 1,50 m Dicke aktiv sein. Drei achterliche Pods mit je 9.300 kW stellen den Hauptantrieb dar, unterstützt von drei 5.500 kW starken Bugstrahlern.

Zur energetischen Eigenversorgung stehen sechs Hauptgeneratoren mit je 9.500 kW in den Entwürfen, die Notversorgung erfolgt mit einem separaten 2.500-kW-Ag­gregat. Der eingehauste Bohrturm ist auf knapp 58 m (190‘‘) Höhe ausgelegt. Über alles ist das AXDS 231 m lang und soll mit 44,8 m Breite stabil liegen.

»Mit dem Konzept des Arktik-Drillers sehen wir uns als Sparringspartner für unsere Kunden«, sagt Rietveld, der spezifische Optimierungen aus Kundensicht als gegeben ansieht.

Erfolgreiches Cluster an der Maas

Das maritime Offshore-Cluster entlang der Maas zeigt sich insgesamt vielfältig auf die Marktanforderungen eingestellt. Dabei können sich die Manager der Unterstützung der Regierung sicher sein, die die traditionell weltweit verbreiteten Geschäftsbeziehungen über ihre Handelsmissionen unterstützt. Unter dem Dach des Netzwerkes »Maritime by Holland« sowie verbunden in der Dutch Shipowners Association und der IRO (Dutch Suppliers in the Oil & Gas Industry/Holland Shipbuilders) stimmen sowohl die internen als auch die externen Verbindungen.

Derart aufgestellt sind die niederlän­dischen Betriebe weltweit in der Lage, mit den »Big Boys« der Öl- und Gasförderung Geschäfte zu machen. Mit 12.000 Unterneh­men und 185.000 in der maritimen Wirtschaft tätigen Menschen wurde zuletzt ein Umsatz von 26,3 Mrd. € erzielt. Mehr als die Hälfte davon, knapp 14 Mrd. €, fallen auf den Export.


Hermann Garrelmann