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Herausgeber Peter Tamm sen. blickt auf den Wiederaufbau der Handelsflotte nach 1945, in die Zukunft der Schifffahrt und auf die HANSA, die alle Wirtschaftszyklen überdauerte


Herr Tamm, Sie haben erst als Journalist und dann als Verlagsmanager gearbeitet, waren langjähriger Vorstands[ds_preview]vorsitzender des Axel-Springer-Verlages – wie kamen Sie zur Schifffahrt?

Peter Tamm sen.: Von Kindheit an hat mich die Schifffahrt fasziniert. Mit sechs Jahren schenkte mir meine Mutter ein kleines Schiffsmodell, ohne zu ahnen, was das für Folgen haben wird. Damals – auch im Kriege – habe ich angefangen, alles zusammenzutragen, was mit Schifffahrt zu tun hat. Wenige Jahre nach Kriegsende überzeugte ich den jungen Verleger Axel Springer von der Notwendigkeit einer Schifffahrtsrubrik im »Hamburger Abendblatt«. Damit wollte ich eigentlich lediglich mein Studium finanzieren. 1948 begann ich dann als Jungredakteur.

Am Anfang gab es wenig Angenehmes zu berichten: Ein Beitrag über einen 400 BRT großen Fischdampfer war mein erster Artikel als Journalist überhaupt. Deutschland verfügte damals nur über ein Schiff, das mehr als 1.000 BRT hatte, die »Glückauf«. Die Beschränkungen der Alliierten waren umfassend und sahen vor, dass deutsche Schiffe unter der Signalflagge »Caesar« fahren mussten, das Zeichen der im Kriege Unterlegenen. Durch den Wiederaufbau hatten wir zehn Jahre später die drittgrößte Handelsflotte der Welt. Ich sage bewusst »wir«, denn darauf lege ich großen Wert.

Was bedeutet das Wir für Sie?

Tamm: Der Mensch an sich ist ein Landtier – für die Seefahrt braucht er das Wir, die Zusammenarbeit. Das Wir waren damals alle: Schifffahrtsbetriebe, Reeder und Zulieferer, alle die am Wiederaufbau beteiligt waren. Heute leben wir leider in einer Ich-Zeit, doch mein Motto lautet: Ellenbogen sind zum Unterhaken und nicht zum Stoßen da!

Wie muss man sich die ersten Jahre beim »Hamburger Abendblatt« vorstellen?

Tamm: Es war eine unglaubliche Zeit! Wir waren dauernd unterwegs, von einer Werft zur nächsten, von der niederländischen bis zur dänischen Grenze. Nachts habe ich mit der Ziehfeder die Generalpläne der Schiffe, die wir von den Werften bekommen hatten, in Silhouetten umgewandelt, damit es für die Leser anschaulich war. Am nächsten Morgen war ich wieder auf Achse. Ich dachte mir: »Schlafen kannst Du, wenn Du tot bist!« Ich hatte immerhin jeden Tag eine halbe Seite mit Schifffahrtsnachrichten für das »Hamburger Abendblatt« abzuliefern.

Wie kam dann der Kontakt zur HANSA zustande?

Tamm: Gute Kontakte hatten wir damals ja alle untereinander in der Branche. Natürlich kannte ich auch die Verlegerfamilie Schroe­dter. Der Verantwortliche für den Schifffahrtsteil der HANSA, Hans Maack, war zudem ein guter Freund von mir. Wir waren als journalistische Crew verlagsübergreifend zusammengeschweißt. Zwar waren alle Blätter Konkurrenten, aber auch dort gab es das Wir-Gefühl. Später dachte ich, es wäre eine gute Idee, sich an der HANSA zu beteiligen. Ich habe dann erst ein paar Prozente am Schiffahrtsverlag »Hansa« C. Schroedter & Co. gekauft. Eines Tages konnte ich alle erwerben.

Was war in Ihrer Zeit als Verleger der HANSA Ihr Leitbild für die Zeitschrift?

Tamm: Schiffe und der Wiederaufbau waren mein Leitbild, die Hansa war dabei vor allem ein wichtiges Instrument. Ich bin schifffahrtsverrückt – alles was mit Schiffen zu tun hat, interessiert mich, und in diesem Zusammenhang natürlich auch die Fachzeitschriften. Die Hansa war dabei immer ein Spiegelbild der Geschichte.

Was war Ihre schönste Zeit in der Schifffahrt bzw. mit der HANSA?

Tamm: Die schönste Zeit war der Wiederaufbau von 1948 bis 1968. Alles lag nach 1945 in Trümmern, ganze Stadtviertel von Hamburg waren mit einer Mauer abgeriegelt – Seuchengefahr! Wir kamen also buchstäblich aus dem Nichts. So vieles war zerbombt. Dann kam die Zeit, als der Terminkalender voller Probefahrten war. An der Elbe konnte man die lauten Geräusche der Niethämmer hören – Musik in unseren Ohren, bedeutete das doch, es geht aufwärts! Heute hingegen würde man sich über den Lärm beschweren.

Und wie war damals die Stimmung in der Branche?

Tamm: Mit der Währungsreform 1948 begann eine neue Zeit. Es gab zwei Gruppen, die alten Firmen und Reeder mit ihrer Geschichte sowie die neuen, die ordentlich Dampf reinbrachten. Die HANSA war in jenen Jahren voll mit Anzeigen und ganz in den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte vertieft. Der Anzeigenverkauf boomte! Die Hansa war auch in dieser Hinsicht der Träger der Schifffahrtsgeschichte und spiegelte die Ereignisse wider.

Im Laufe der Zeit durchlief die Schifffahrt viele technische Neuerungen – wie erlebten Sie beispielsweise den Aufstieg des Containerverkehrs?

Tamm: Diese Entwicklung kam nicht von heute auf morgen. Die Containerschiffe hießen anfangs abfällig »Schachteldampfer« – so nannten sie viele Unternehmer. Aber so ist das immer in der Wirtschaft: Wer rechtzeitig auf das richtige Pferd setzt, wird reich, die anderen sind heute verschwunden. Der amerikanische Speditionsunternehmer Malcolm McLean baute als Erster einen Einheitsfrachter vom Typ C2 zum Vollcontainerschiff aus. Das war allerdings eine allmähliche Entwicklung. Das trifft auch auf die Entstehung der großen Öltanker zu.

Welche Personen aus dem Kreise der damaligen HANSA-Mitarbeiter haben sich Ihnen besonders eingeprägt?

Tamm: Neben meinem Freund Hans Maack erinnere ich mich an Cai Boie, ein netter Kerl, mit dem ich ein Buch über die Norderwerft gemacht habe. Er war bei der HANSA für den Schiffbau zuständig. Auch Professor Kurt Wendel spielte als Schiffbauer eine große Rolle über die Tätigkeit in der Redaktion der HANSA hinaus.

Und die Krisenzeiten der Schifffahrt?

Tamm: Die ganze Entwicklung der maritimen Wirtschaft verläuft im Grunde in Zyklen: Nach dem Ersten Weltkrieg mussten viele deutsche Reeder ihre Handelsflotte wieder aufbauen, die dann nur wenige Jahre später im Zweiten Weltkrieg erneut verloren ging und wieder aufgebaut werden musste. Erst in den 1970er-Jahren norma­lisierte sich das Geschäft etwas. Auch die gegenwärtige Krise wird irgendwann überwunden sein, da bin ich mir ganz sicher.

Dieses Jahr begeht die HANSA ihr 150-jähriges Jubiläum …

Tamm: Die HANSA war in all den Jahren berichtender Nukleus des Weltschiffbaus und der Weltschifffahrt. In der allerersten Ausgabe aus dem Jahr 1864 konnte man zum Beispiel schon einen Artikel über Wilhelm Bauer und sein Tauchboot nachlesen. Heute ist das U-Boot eine der furchterregendsten Waffen unseres Zeitalters geworden. Vor diesem Hintergrund werden wir in diesem Jahr im Internationalen Maritimen Museum Hamburg eine Sonderausstellung zur Geschichte der U-Boote vorbereiten, die auch einen Überblick über die dramatische Entwicklung der vergangenen 150 Jahre auf See geben wird.


Sverre Gutschmidt