Print Friendly, PDF & Email

Zum 150. Jubiläum der HANSA erinnert sich der ehemalige leitende Mitarbeiter, Verlags- und Anzeigenleiter sowie Prokurist des Verlags, Rüdiger Spieckermann, an seine Zeit bei der Zeitschrift
Herr Spieckermann, Sie fingen 1973 beim Schiffahrts-Verlag »Hansa« C. Schroedter & Co. als Assis[ds_preview]tent des Verlags- und Anzeigenleiters Herbert Lohmeyer an. Was war das für eine Zeit für Sie und die HANSA?

Rüdiger Spieckermann: Wenn ich meine 35 Jahre im Schiffahrts-Verlag »Hansa« Revue passieren lasse, so hat sich die HANSA während der Jahrzehnte mit der maritimen Wirtschaft stark verändert. Als ich am 17. Juli 1973 meine Tätigkeit begann, war die Zeitschrift neben dem Schiffbau noch sehr stark in Richtung Schifffahrt und Häfen weltweit ausgerichtet. Alle bedeutenden nordamerikanischen Häfen, die Häfen Europas und sogar Afrikas gehörten neben den

Reedereien mit ihren Linienagenturen und Agenten aus aller Welt zu den Anzeigen­gebern und so auch zu den redaktionellen Partnern. Nicht einmal die Ölkrise konnte die HANSA in ihrem Wachstum und der herausragenden Marktposition nachhaltig erschüttern. Dazu war die Marktentwicklung mit den sich weiter positiv entwickelnden Bereichen Schifffahrt, Schiffbau, Häfen zu stark. Dies galt auch für die überseeischen Märkte in Nord- und Südamerika und auch für Afrika. Die asiatischen Länder waren für uns damals noch nahezu ohne Bedeutung. Reedereien, Häfen, der Hafenbau, Werften und die Schiffbau-Zulieferindus­trie in Deutschland waren das Fundament des Erfolgs der HANSA. Der Verlag, damals noch über mehrere Etagen im Haus der Getreidehebergesell-schaft am Hafen im Stubbenhuk 10 ansässig, war meine zweite Verlagsanstellung, nachdem ich bei Girardet & Co. Verlag und Druckerei am Gänsemarkt in Hamburg gelernt hatte. Dort war ich noch einige Jahre im Anzeigenbereich für die Zeitschrift »WICO Wirtschafts-Correspondent« tätig.

Wie war Ihr Einstieg bei der HANSA?

Spieckermann: Girardet & Co. wurde liquidiert und in Einzelteilen verkauft. Nach einem Gastspiel beim Nachfolgeverlag des »WICO« bekam ich den Anruf einer Werbeagentur, die gute Kontakte zum Schiffahrts-Verlag »Hansa« hatte. Sie stellte den Kontakt zu Herbert Lohmeyer her. Ich wurde zu Gesprächen mit ihm und dem damaligen Senior-Verleger Dr. Paul Schroedter eingeladen. »Herr Spieckermann, wir suchen keine kurzfristige Lösung, wenn Sie das meinen, dann sind Sie bei der HANSA falsch. Bei uns erwartet Sie eine Lebensstellung«, sagte er zu mir. So kam es dann auch! Was mich erwartete, war eine echte He­rausforderung für mich. Ich war nun bei

der ältesten und bedeutendsten maritimen Fachzeitschrift der Welt: die HANSA, »Zeitschrift für Schiffahrt – Schiffbau – Hafen« (wie sie 1973 noch hieß), mehr als 100 Jahre alt und mit einem Ruf wie Donnerhall! Im Verlag erschien auch das »Handbuch der Werften«, das Lehrwerk für Schiffbau und Schiffsmaschinenbau schlechthin. Deren Autoren aus Industrie, Wissenschaft und Forschung waren auch vielfach mit technisch-wissenschaftlichen Fachbeiträgen in der HANSA vertreten. Professor Kurt Wendel (später dann Professor Harald Keil) war Herausgeber und für den Inhalt ver­antwortlich und gleichzeitig technischer Schriftleiter – so hieß es damals! – für die HANSA.

Außerdem brachte der Verlag viele Jahre lang die beiden Periodika »Handbuch für Hafenbau und Umschlagtechnik«, kurz HHU genannt, und das »Deutsche Schiffahrts- und Hafen-Jahrbuch« (DSHJ) heraus. Im HHU erschienen überwiegend Beiträge aus dem damals sehr umfangreichen Hafenbauteil der HANSA sowie spezielle Fachartikel, die über die HTG vermittelt wurden. Das DSHJ war ein Schifffahrts- und Adressnachschlagewerk für deutsche und internationale maritime Adressen.

Es herrschte also eine besondere Atmosphäre, geprägt von echten Persönlichkeiten?

Spieckermann: Hans Maack, über Jahrzehnte Chefredakteur der HANSA, hat die Zeitschrift, ihren Inhalt und ihre Ausrichtung maßgeblich bestimmt und geprägt. Ihm verdankte sie zum großen Teil ihren herausragenden Ruf in der Welt, der sicher auch heute in der sich veränderten medialen Welt Bestand hat. Maack, der den Zusatz »Mr. HANSA« absolut zu Recht trug, verfügte Zeit seines Wirkens für die HANSA über exzellente Kontakte zu den deutschen Reedereien, den Hafenbetreibern, Schiffsbanken, den maritimen Verbänden wie u.a. Verband Deutscher Reeder, Verband für Schiffbau und Meerestechnik, Hafenbautechnische Gesellschaft (wie sie seinerzeit noch hieß), Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe und zum Germanischen Lloyd – aber auch zu den Werften in ihrer damaligen herausragenden Bedeutung für uns. Er hat durch sein Wirken die HANSA auch noch weit nach seinem vollendeten 65. Lebensjahr als Chefredakteur geprägt. Mit Peter Tamm sen., damals Schifffahrtsredakteur beim »Hamburger Abendblatt«, verband ihn eine langjährige Freundschaft, die nicht nur in der kollegialen Zusammenarbeit der frühen Jahre der Hamburger Tageszeitung begründet war. Maack und Peter Tamm fuhren gemeinsam zu vielen Stapelläufen nach Emden, Bremen und zu den anderen Schiffbauplätzen. Denn nur der junge Schifffahrtsjournalist Tamm verfügte zu dieser Zeit über ein Auto. Und so fuhren die beiden fast immer zusammen. So ist auch die spätere Aussage von Herrn Tamm zu verstehen: »Hans, solange Du willst, wirst Du immer einen Schreibtisch im Verlag haben.« So war es dann, auch als Hans Maack die 80 Jahre schon überschritten hatte – zuerst in der Redaktion und dann noch lange Zeit bei mir in der Anzeigenabteilung.

Aber ich möchte auch auf weitere Menschen und Persönlichkeiten hinweisen, die mich in meiner Verlagszeit begleitet haben, mich und die Zeitschrift mitgeprägt und in der Erfolgsspur gehalten haben. Neben meinem Vorgänger Herbert Lohmeyer sind dies natürlich die ehemaligen Chefredakteure Claus Wilde und Ralf Hinrichs, die tech­nischen Fachredakteure Cai Boie und Klaus Nienaber, der nautische Redakteur Garrit Leemreijze und die Redaktionsassistentinnen Ursula Prien und Sylvia Schmidt. Auch meine langjährigen Kolleginnen und Mitarbeiterinnen im Anzeigenbereich Heidi Wulff, Brigitta Krause und Sandra Winter gehören zu diesen prägenden Menschen und Persönlichkeiten. An dieser Stelle ist zudem Irmgard Dahl zu nennen, die mehr als zehn Jahre die Anzeigenleitung für das HHU innehatte und diesen Bereich als Ressortleiterin auch für die HANSA betreute.

Der ehemalige geschäftsführende Gesellschafter Gerhard Bollmann, der mich zum Verlagsleiter berufen hatte, ist ebenfalls zu erwähnen. Nach seinem plötzlichen Tod er­folgte die Erteilung der Prokura durch Peter Tamm sen.

Die 1970er-Jahre waren eine andere Zeit als heute?

Spieckermann: Eindeutig ja! In den 1960er- und 1970er-Jahren konnte die Redaktion noch alle Beiträge veröffentlichen, die sie für die HANSA geeignet hielt, die aus der Industrie und der Schifffahrt auf den Schreibtischen der Redaktion landeten oder die von freien Journalisten angeboten wurden. Auch sehr lange technisch-wissenschaftliche Beiträge wurden stets veröffentlicht. Das gute und fast unerschöpfliche Anzeigengeschäft und die exzellente Marktposi­tion der HANSA ließen das zu. Bei meinem Eintritt in den Verlag zählte die Redaktion sechs festangestellte Redakteure inklusive Chefredakteur Hans Maack und des technischen Schriftleiters Professor Kurt Wendel, Schifffahrts- und Nautik-Redakteuren sowie einer Redaktionssekretärin bei Prof. Wendel. Hinzu kam eine Reihe von freien und festen Autoren aus den Verbänden, aus Industrie sowie Wissenschaft und Forschung.

Die Zeitschrift erschien damals mit zwei Ausgaben im Monat. Weit über 40 Seiten Anzeigen waren »normal«, bei den Heften zur Hannover Messe und der Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) waren 120 Anzeigenseiten und mehr die Regel. Danach veränderten sich der Anzeigenmarkt und die Anlässe für Anzeigenschaltungen. Neben Schiffsbeschreibungen und Hafenbaustellenbeschreibungen sowie anderen redak­tionellen Fachbeiträgen generierten die »neuen« Fachmessen wie SMM, Europort und Nor-Shipping das Anzeigengeschäft. In der Spitze konnte ich den Verlegern 1978 eine SMM-Ausgabe mit einem Jubiläumssonderteil »Klöckner–Humboldt–Deutz« mit 178 Seiten Anzeigen präsentieren. Das war der größte Erfolg meiner HANSA-Zeit!

Aber gegen Ende der 1970er- und zu Beginn der 1980er-Jahre begannen gravierende Veränderungen im Anzeigenverhalten, nicht nur in der maritimen Wirtschaft. Anzeigen kamen nicht mehr »wie von selbst«, es musste mehr vor Ort akquiriert und verstärkt mit Sonderthemen und über Verlagsvertreter Anzeigen »eingekauft« werden.

Wie haben Sie auf diese Situation reagiert?

Spieckermann: Die HANSA veränderte sich auch im redaktionellen Bereich, dem Anzeigenaufkommen folgend, mehr in eine technisch orientierte Schiffbauzeitschrift. So wurden die Bereiche Schiffbau, Schiffsmaschinenbau, Schiffs- und Hafentechnik sowie Klassifikationsgesellschaften immer wichtiger.

Später gesellten sich neue Redaktionsfelder hinzu: Schiffsfinanzierung sowie Frachten und Märkte. Auch die wachsende Bedeutung der deutschen Containerschifffahrt sowie der Boom-Markt Kreuzfahrtschiffe war für die HANSA positiv. Aus diesen neuen oder erweiterten Themenbereichen ergaben sich dann auch neue Anzeigenumsätze.

Der Redak­tionsbereich Schiffsfinanzierung und die hieraus entstandene, vom damaligen Chefredakteur Claus Wilde und dem Fachjournalisten Jürgen Dobert aus der Taufe gehobene Veranstaltung HANSA-Forum Schiffsfinanzierung hatte schon vor meinem Ausscheiden eine herausragende Bedeutung für Schiffsbanken, Finanzdienstleister, Reedereien und Werften erhalten. Später wurde das Forum unter Führung von Peter Tamm jr., durch André Menze sowie dem damaligen Chefredakteur Ralf Hinrichs ausgebaut und weiterentwickelt – und bewährt sich unter neuer Führung trotz Branchenkrise bis heute erfolgreich im Markt.

Ein weiteres Kapitel der Verlagsgeschichte ist die Binnenschifffahrt. Wie kam es dazu?

Spieckermann: Ursprünglich hatte der Schiffahrts-Verlag »Hansa« vom Binnenschiffahrts-Verlag in Duisburg die Zeitschriften »Binnenschiffahrts-Nachrichten« und »Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen« übernommen. Die Zielsetzung war seinerzeit, diese Titel journalistisch professioneller auszurichten, die Interessen der Verbände zu fördern und die Anzeigenerträge zu steigern. Die Verhandlungen mit den Herausgeberverbänden, dem Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt und dem Verein für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen, wurden vom damaligen geschäftsführenden Gesellschafter Gerhard Bollmann geführt. Hie­rin waren auch der spätere Chefredakteur Claus Wilde und ich involviert. Diese Titel wurden dann von mir ebenfalls als Anzeigenleiter betreut. In den ersten Jahren führte Werner Hen­drich die Redak­tion, dem dann Claus Wilde und Friedbert Barg als Chefredakteure folgten.

Um die Zeitschriften schlagkräftiger im Markt positionieren zu können, erfolgte schließlich die Fusion zum heutigen Titel »Binnenschifffahrt«, der aus dieser speziellen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken ist.

Es gibt viele spannende Ereignisse in der maritimen Wirtschaft jener Jahre – wie haben Sie beispielsweise den Zusammenbruch des Ostblocks und die Deutsche Wiedervereinigung erlebt?

Spieckermann: Die HANSA hatte sich seit dem Jahr 1975 mit Unterstützung der Lüdenscheider Verlagsvertretung HB-Verlagsbüro, die über sehr gute Kontakte zur maritimen Wirtschaft der DDR und Polens verfügte, stark engagiert. Hierzu gehörten die Besuche der Frühjahrs- und Herbstmessen in Leipzig, Informa­tionsreisen zu den Schifffahrts- und Schiffbauplätzen sowie der Unternehmen der Zulieferindustrie und der Hafenausrüstung innerhalb der DDR. Diese Aufgaben hatte ich in sehr enger Zusammenarbeit mit unserem technischen Redakteur Klaus Nienaber übernommen. Wir reisten viel in die DDR, es war zu dieser Zeit nicht immer ganz einfach, die Gespräche auf das wirtschaftlich Erforderliche und Sinnvolle zu begrenzen. Wie es in den 1970er- und 1980er-Jahren hieß: »zum Nutzen beider Seiten«.

Ergänzt wurden die Geschäftsbeziehungen durch unsere Besuche auf den maritimen Messeständen der DDR-Außenhandelsbetriebe in Hamburg, Hannover, Amsterdam und Oslo. So erwarben wir uns über mehr als ein Jahrzehnt eine besondere Marktposition, die sich in einem Exklusivanzeigenaufkommen in der HANSA direkt nach der Vereinigung und in den Folgejahren fortsetzte. Die Möglichkeiten von Anzeigenschaltungen in »Westzeitschriften« wurden nun, da man über die D-Mark verfügte, reichlich genutzt – und wir profitierten davon. Leider ging diese Zeit durch die Privatisierungen und auch Auflösungen dann irgendwann vorbei.

Die übrigen osteuropäischen Länder wie Russland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten spielten redaktionell und auch vom Anzeigenaufkommen her keine große Rolle. Abschließend ist zu sagen, dass die Zeit nach der Öffnung der ostdeutschen und osteuropäischen Märkte nur relativ kurzfristig für eine wirtschaftlich positive Entwicklung sorgte.

Bei meinem Ausscheiden zum 1. Juli 2008 zeigte sich der maritime Markt gut aufgestellt. Gute bis hohe Frachtraten, ausgelastete Werften – zu sehr auf Containerschiffe ausgerichtet, wie sich he­rausstellte – und lange Wartezeiten für die Lieferung von Schiffsmotoren ließen mich beruhigt in den Ruhestand gehen. Aber leider folgte wenige Monate später die Banken- und Wirtschaftskrise, die gerade die maritime Wirtschaft besonders stark treffen sollte – eine sehr anspruchsvolle Zeit für meinen damaligen Nachfolger Christian Döpp als verantwortlichen Anzeigenleiter. Sie stellte ihn vor neue und ganz andere Herausforderungen als mich in den Jahren zuvor.

Sie haben also seit den 1970er-Jahren viele Aufs und Abs mit­gemacht – trotzdem weist das Impressum der HANSA über die Jahre aus, ein Hort der Beständigkeit zu sein

Spieckermann: Ja, das ist sicher richtig! In den frühen Jahren war die Marktposition der HANSA in Deutschland, Europa und Übersee so stark, dass wir sehr gut bestehen konnten. Später haben wir uns dann um neue Themen für die HANSA und andere Geschäftsfelder für den Verlag bemüht. Durch Initiativen von Peter Tamm sen. und Gerhard Bollmann gelang es über viele Jahre, die Herstellung aller Kataloge der Hamburg Messe und Congress GmbH sowie weitere Aufträge aus den Institutionen der Stadt an den Verlag zu binden.

Die Ideen und die internationalen maritimen Kontakte von Peter Tamm jr., das Engagement der Redakteure, der Anzeigenmitarbeiter im Verlag sowie der deutschen und ausländischen Anzeigen­repräsentanten werden die HANSA sicher auch durch die aktuellen Krisenjahre der Schifffahrt führen. Mit der Offshore-Technik ist langfristig ein erstes neues Anzeigenfeld bei Werften und Zulieferbetrieben entstanden. Auch ist die Marktposition im Bereich Kreuzfahrtschiffe für die HANSA sicher noch weiter ausbaufähig.

Das ist meine Auffassung und mein Wunsch für die Zukunft für meine HANSA, die mich über 35 Jahre meines Berufslebens begleitet hat und mit der ich immer eng verbunden bleiben werde. Ich wünsche der HANSA und ihrem Verlag eine gute Zukunft und noch viele erfolgreiche Jahre.


Sverre Gutschmidt