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Bereits vor 6.000 Jahren klebten die Sumerer und Ägypter ihre Tempel mit Asphalt, Erdpech und Baumharz. Andere Verbindungstechniken wie das Schrauben, Schweißen oder Nieten wurden erst sehr viel später erfunden


Mit der Entwicklung neuer Klebstoffe und deren industrieller Fertigung haben sich auch neue Anwendungsbereiche für die Klebetechnik erschlossen. Dabei haben[ds_preview] sich teilelastische Klebstoffe wie Polyurethane und Silikone für viele interessante Anwendungen qualifiziert. Anfang der 1970er-Jahre wurden erstmals Autoscheiben direkt mit der Karosserie verklebt und konnten damit, neben ihrer Aufgabe, den Fahrgast vor Wind und Wetter zu schützen, als mechanische Komponenten der Karosserie über den Klebstoff Kräfte aufnehmen. Die eingeklebten Gläser dienen somit als mittragende Karosserieteile.

Im gewerblichen Schiffbau wurden erstmals Anfang der 1990er-Jahre Gläser in größerem Umfang direkt mit der Schiffsstruktur verklebt. Im Schiffbau war die Anforderung an die Verklebung jedoch nicht, die Verglasung mechanisch tragend zu belasten. Hier wurde nach Möglichkeiten gesucht, für Designanforderungen wie durchgehende Fensterbänder oder Glasfassaden, eine Montagelösung zu finden. Fassadensysteme, wie sie im Landbau üblich sind, lassen sich auf dem Schiff, das Bewegungen und Verwindungen unterworfen ist, nur bedingt einsetzen. Denn zwischen Schiffskörper, Fassadensystem und Glas treten Spannungsspitzen auf, die über die Zeit zu Ausfällen und Undichtigkeiten führen.

Hier hat sich die Klebetechnik als Lösung angeboten. Gläser werden bündig in die Außenhaut des Schiffes eingebettet. Undichtigkeiten werden vermieden, weil sich kein Wasser an den Kanten von vorstehenden Rahmenteilen sammeln kann und das Glas rundum in Kleber eingebettet liegt. Durch die ununterbrochene Glasfront wird die Reinigung der Gläser sehr erleichtert. Wenn man bedenkt, dass für die Reinigung von Glasflächen an einem großen Kreuzfahrtschiff jährlich ca. 50.000 Arbeitsstunden aufgewendet werden müssen, ist dies ein nicht zu vernachlässigender Faktor.

Das direkte Verkleben von Gläsern auf die Schiffsstruktur wird heute im Yacht- und Passagierschiffbau in breitem Spektrum eingesetzt. Bereits in einem frühen Stadium der Konstruktion sollte über die Art der Fenstermontage entschieden werden, um alle Vorteile der geklebten Verglasung nutzen zu können. Der Konstrukteur kann die Tragstruktur der Aufbauten auf die Fensterebene verschieben. Damit werden in den Räumen stehende Tragstrukturen vermieden. Die Gläser liegen rundum im Kleberbett. Es gibt auch unter extremen Verwindungen keine Spannungsspitzen, die das Glas überlasten. Diese Technik erlaubt es sogar, während der Bauphase Gläser schon in der Vorfertigung in den einzelnen Blöcken zu montieren, bevor diese im Baudock zum Schiff zusammengesetzt werden. Bautoleranzen im Stahlbau können durch unterschiedlich starken Kleberauftrag in gewissen Grenzen ausgeglichen werden. Das spart erheblichen Aufwand für weniger notwendige Richtarbeiten.

Der Klebeprozess erfordert natürlich Fachwissen und Erfahrung. Ähnlich wie die Qualifizierung eines Schweißers, muss der mit der Verklebung beauftragte Mitarbeiter entsprechend ausgebildet sein. Die Weiterbildung zum Klebpraktiker, zur Klebfachkraft und zum Klebfachingenieur ist in harmonisierten Richtlinien des DVS (für Deutschland) bzw. des EWF (für Europa) festgelegt. Mit der im Jahr 2003 erschienenen Richtlinie DVS-3310 werden die betrieblichen Anforderungen bei der Durchführung klebtechnischer Prozesse geregelt. Inzwischen haben auch die Klassifikationsgesellschaften Richtlinien für die Anwendung und Verarbeitung von hochelastischen Klebeverbindungen veröffentlicht, die bei der Umsetzung der fachgerechten Verklebung zu beachten sind.

Die der Montage vorausgehenden Kon­struktions- und Arbeitsschritte müssen der Klebung angepasst sein. Die Konstruktion muss so ausgelegt werden, dass die Gläser entsprechend ihrer Geometrie eingebettet werden können. Die Beschichtung der Unterkonstruktion muss klebergerecht aufgebaut werden. Das heißt, der Korrosionsschutz, der auf der Unterkonstruk­tion aufgebracht wird, muss mit dem Kleber kompatibel sein. Viele Beschichtungsprodukte sind bei den Kleberherstellern bereits abgeprüft und freigegeben worden. Neue Prüfungen werden bei Bedarf vor der Verklebung durchgeführt. All diese Faktoren versprechen bei richtiger Nutzung ein erhebliches Potenzial an Kosteneinsparungen und verbesserter Produktqualität. Die frühzeitige Einbindung des Verglasungspartners in das Projekt ist hier wichtig.

Zukünftig dürfte die Klebetechnik im Schiffbau erheblich mehr eingesetzt werden. Von April 2000 bis Juni 2003 wurde als Europäische Initiative unter dem Bondship-Projekt eine Richtlinie für das strukturelle Verkleben von nicht gleichartigen und leichten Strukturen im Schiffbau erstellt, die als Leitfaden für die Konstruktion und Auslegung von Klebeverbindungen dient. Auch verschiedene Forschungseinrichtungen arbeiten aktuell an diesem Thema. So hat die Technische Universität Hamburg-

Harburg kürzlich einen Bericht zum Thema »Strukturverhalten großer Fenster an Bord von Schiffen« vorgelegt und plant die Fortführung der Forschung zum Thema »geklebte Fensterbänder« (s. auch Folgeseiten).

Das IFAM Institut in Bremen arbeitet am Projekt »Klebeverbindungen von Aluminium-Stahl und FVK-Stahl im Schiffbau«. Jährlich lädt auch der Verklebungsspezialist Brombach + Gess Fachingenieure der Werftindustrie zu einer Informationsveranstaltung ein, in der die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse zu diesem Thema vorgestellt werden.


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