Nicht mehr Nonplusultra

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Der Seegüterumschlag in deutschen Häfen ist im vergangenen Jahr seit längerer Zeit erstmals wieder gesunken. Das Minus betrug moderate 0,4[ds_preview]%, was noch kein großer Grund zur Sorge ist. Bedenklich ist aber, dass die aus ausländischen Häfen empfangene Gütermenge um immerhin 2,4% sank.

Es mehren sich Stimmen, die erste negative Auswirkungen des verzögerten Was-

serstraßen- und Hinterlandanbindungs-

ausbaus sehen. Ob die Vertiefung von Elbe oder Weser, Bau der fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal, Jade­WeserPort, Ausbau der Y-Trasse oder Autobahnquerverbindung zwischen der A1 und der A7 – es geht bei Großprojekten in Deutschland oftmals jahrelang gar nicht voran, zeitlich verzögert oder zu deutlich höheren Kosten als geplant.

Inzwischen hat sich auch im Ausland herumgesprochen, dass die Infrastruktur »Made in Germany« nicht mehr das Nonplusultra ist, das sie einmal war. Erste Verkehrsverlagerungen in Anrainerstaaten sind zu befürchten. So kleckern die Niederländer beispielsweise mit dem Bau der »Maasvlakte 2« in Rotterdam nicht und geben öffentlich ein besseres Bild ab als ihre deutschen Nachbarn. Auch der Hafen Antwerpen vermeldet Erfolge: Die Schelde-Vertiefung zeigt Wirkung, sodass die P3-Allianz Antwerpen künftig regelmäßig mit 18.000-TEU-Schiffen anlaufen wird. Zudem hat der belgische Hafen auf einen Schlag knapp 100 Hektar Gewerbefläche in bester Lage erworben, die für multimodale Logistik erschlossen werden können.

Es geht also darum, für die »German Ports« wieder ein besseres Image im europäischen Ranking zu erwerben – aber dafür braucht es Taten. So droht der Hafen Hamburg schon jetzt am Verkehrsaufkommen zu ersticken. Die Köhlbrandbrücke ist ein gewaltiges Nadelöhr, das den Abfluss der Waren aus dem Hafen lähmt. Auch die gesamte Autobahn- und Schieneninfrastruktur rund um den größten deutschen Hafen ist längst im Grenzbereich.

Da erscheint die weiterhin ausstehende Elbvertiefung als das geringste Pro­blem, wenn der Verkehr schon jetzt kaum abfließen kann. Und selbst wenn Mitte Juli auf rechtlicher Ebene die Signale auf Grün gestellt werden, hält so mancher Schifffahrtsexperte den Elbausbau für nicht ausreichend. Denn der Antrag für die Fahrrinnenanpassung stammt aus dem Jahr 2002, als man nicht einmal von 18.000-TEU-Schiffen zu träumen wagte. »Da diese Schiffe fast 400m lang, bis zu 59m breit sind und 16m Tiefgang haben, reicht die vorgesehene Maßnahme nicht aus«, mahnte Eurogate-Geschäftsführer Emanuel Schiffer unlängst bei der Bilanzvorlage. Begegnungsverkehre von Megafrachtern sind demzufolge nur eingeschränkt möglich.

Nun bringt alles Lamentieren nichts, und es soll auch nicht permanent Wasser in den Wein gegossen werden. Aber eine ehrliche Bestandsaufnahme der Hafen- und Verkehrsinfrastruktur in Deutschland tut not. Politik, Wirtschaft und Bürger sollten sich im Klaren sein, dass unsere exponierte Stellung als Welthandelsnation nicht gottgegeben ist, sondern von Menschen gemacht wird, die die richtigen Entscheidungen treffen müssen.


Nikos Späth