Ab in die Luft

Print Friendly, PDF & Email

Selbst wenn wir einmal den Zeppelin des Grafen Zeppelin als »Luftschiff« außen vor lassen, dann lässt sich zwischen den Flugpionieren[ds_preview] Otto Lilienthal (1848–1896) mit seinen Flugversuchen oder dem 1903 gefeierten Start eines »Motorflugapparates« der amerikanischen Gebrüder Wright kaum eine Verbindung zur See herstellen. Dieses gilt zwar allgemein als der Beginn der Fliegerei, aber dennoch wird vielerorts behauptet, dass diese neue Kunst insgesamt aus der Schifffahrt hervorgegangen ist. Daran ist sicherlich etwas dran, wie es so schön heißt, denn in der Tat deuten bereits viele in der Luftfahrt übliche Begriffe auf diese Herkunft hin. Wo sonst sollte der Name »Flugkapitän«, noch dazu dekoriert mit vier Ärmelstreifen wie ein »richtiger« Kapitän, denn herkommen? Begrüßt wird »an Bord« von einer »Stewardess« und, na gut, das Angebot von Getränken soll hier nur ausnahmsweise keine Rolle spielen. Und denken wir doch daran, dass die 1926 gegründete Lufthansa zunächst noch als »Luft Hansa« firmierte. Allein diese Namensgebung sagt doch schon viel aus, oder?

Die großen deutschen Reedereien Hapag, Norddeutscher Lloyd und Hamburg Süd haben sich schon sehr früh in unterschiedlicher Weise in dieser neuen, nach Land und Wasser dritten Dimension engagiert. Dazu nur die Stichworte: Zeppelin-Verkehre, Deutsche Luft-Reederei und Lloyd Luftverkehr oder auch der Postverkehr über den Südatlantik. Um dies alles zu bündeln, wurden die Aktivitäten Anfang 1926 in der »Luft Hansa« zusammengefasst. Daran waren die Reedereien zwar noch beteiligt, sie waren auch im Aufsichtsrat vertreten, aber das Sagen hatte in der neuen Gesellschaft dank seiner Mehrheit der Staat. Aber immerhin können sich die Reedereien zweifelsfrei zu den Pionieren in der Luft und zu den Gründern der Lufthansa zählen. Hapag-Lloyd hat bekanntlich 1983 mit Hapag-Lloyd Flug ja einen erneuten Start in die Luft unternommen. Zwar »nur« als Ergänzung ihres Touristikgeschäftes, aber erfolgreich.

Die Hamburg Süd ist im Wesentlichen über ihr Reisebüro mit der Luftfahrt in Verbindung geblieben. Und das hat sie sehr sorgfältig getan, wie eine Empfehlung »10 Gebote für die Luftreise« aus dem Jahr 1931 zeigt. So mancher flugerfahrene Reisende von heute wird erstaunt sein, wenn er diese fürsorglichen Empfehlungen liest:

1. Lösen Sie ihren Flugschein so früh wie möglich, denn Sie dürfen nicht vergessen, daß das Fassungsvermögen der Verkehrsflugzeuge begrenzt ist. (Jedes Reisebüro übernimmt die Platzbelegung).

2. Wählen Sie ihre Kleidung wie für eine Eisenbahnfahrt. Da die Flugkabinen geschlossen und in der kalten Jahreszeit auch geheizt sind, erübrigt sich jede Sonderbekleidung.

3. Da nur 15 Kilo Freigepäck zugelassen sind, schicken Sie ihre großen Koffer am besten per Bahn voraus und behalten für die Luftreise nur einen Handkoffer mit den notwendigsten Utensilien für die nächsten 24 Stunden.

4. Nehmen Sie nach dem Betreten der Flugzeugkabine Ihren Platz ein und benutzen Sie bei Start und Landung die polizeilich vorgeschriebene Anschnall-Vorrichtung. Während des Fluges ist diese überflüssig, da Sie in der Kabine volle Bewegungsfreiheit haben.

5. Gebrauchen Sie die Ihnen vor dem Fluge ausgehändigte Ohrenwatte; denn das Motorengeräusch ist bei längeren

Flügen etwas lästig.

6. Sie sollten in der Nähe der Flugzeuge aus Sicherheitsgründen und in der Kabine mit Rücksicht auf das Wohlbefinden Ihrer Mitreisenden nicht rauchen.

7. Warten Sie nicht darauf, daß Sie von der Luftkrankheit befallen werden, sondern genießen Sie die Fernsicht, lesen oder schreiben Sie. Nur bei sehr stürmischem Wetter werden dazu disponierte Fluggästen von Unwohlsein befallen. Auch diesen kann durch Luftkrankheitsmittel, die in jedem Flughafen erhältlich sind, geholfen werden.

8. Sorgen Sie dafür, daß die Luft in der Kabine frisch bleibt. Das Öffnen der Fenster ist erlaubt, nicht aber das Hinauswerfen von Gegenständen, die einem Erdenbürger tief unter Ihnen auf den Kopf fallen könnten.

9. Das Photographieren aus dem Flugzeug ist leider überall verboten und nur mit besonderer behördlicher Genehmigung gestattet. Sie müssen deshalb Ihren Photoapparat während der Luftreise im Koffer lassen.

10. Spielen Sie nach dem Fluge vor Ihren Mitmenschen nicht die Rolle eines Helden, denn es gehört schon lange kein Mut mehr dazu, den Luftweg zu benutzen. Sie können sich aber um die Luftfahrt verdient machen, wenn Sie rückständige Menschen, welche die Luftreise für eine gefährliche Sensation halten, etwas aufklären.

Dem ist wohl kaum etwas hinzuzufügen.


Hans Jürgen Witthöft