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Nach langer Flaute könnte es für die deutsche Offshore-Windindustrie bald neue Aufträge geben. Das wurde Mitte Juni beim jährlichen Branchentreffen »Windforce 2014« in Bremen deutlich


Die deutsche Offshore-Windbranche hat die Pilot- und Testphase erfolgreich hinter sich gebracht und startet die Industriephase: Das war Mitte[ds_preview] Juni die Kernbotschaft des dreitägigen Branchentreffens »Windforce 2014«. Zum zweiten Mal nach 2012 fand die Fachkonferenz um eine Offshore-Messe ergänzt in Bremen statt und brachte dort Experten aus dem In- und Ausland zusammen. Während die »Windforce«-Konferenz von gut 500 internationalen Teilnehmern besucht wurde, stellten auf der Messe 253 Unternehmen Komponenten, Dienstleistungen und Projekte der gesamten Wertschöpfungskette aus. Trotz eines leichten Rückgangs bei den Aussteller- und Besucherzahlen zeigten sich die Veranstalter durchweg zufrieden. »Nach einem gelungenen Auftakt der Messe vor zwei Jahren freut es uns außerordentlich, dass wir trotz des schwierigen Marktumfelds in diesem Jahr rund 5. 000 Fachbesucher begrüßen durften«, sagte Jens Eckhoff, Geschäftsführer der Offshore Wind Messe- und Veranstaltungs GmbH. Ronny Meyer, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB, ergänzte: »Die Branche blickt nun wieder optimistischer in die Zukunft, denn sie hat gezeigt, dass sie Projekte nicht nur planen, sondern auch bauen kann.«

Branche rechnet ab August mit neuen Aufträgen

Vier Offshore-Windparks sind in der deutschen Nord- und Ostsee derzeit am Netz, neun weitere sind im Bau oder bereits fertiggestellt und sollen in diesem oder im nächsten Jahr ihre Netzanbindung erhalten. Wenn es so weit ist, werden insgesamt 789 Anlagen über eine installierte Gesamtleistung von rund 3. 200 Megawatt (MW) verfügen und damit nach WAB-Angaben etwa 3,6 Millionen Haushalte mit Offshore-Strom versorgen. Damit ist die Hälfte des neuen politischen Ziels von 6. 500 MW bis 2020 praktisch schon erreicht – die zweite Hälfte dürfte pünktlich folgen, wenn man den Aussagen auf der »Windforce« Glauben schenkt. Zumindest zeigten sich viele Branchenvertreter optimistisch, dass das von der Bundesregierung vorgegebene Etappenziel auch tatsächlich erreicht werden kann. Sofern die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in der derzeit bekannten Form wie geplant zum 1. August in Kraft trete, sei zeitnah mit neuen Aufträgen zu rechnen, war zu hören. Mit dem von ursprünglich 25. 000 auf nunmehr 15. 000 MW zurückgestutzten Ausbauziel bis 2030 hat sich die Branche hingegen nach wie vor nicht arrangiert. »Da haben wir sicher noch einiges vor uns, um das noch einmal zu erhöhen«, machte WAB-Chef Meyer deutlich.

Moralische Unterstützung erhielten die Anwesenden unter anderem von Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam. »Wer sich vom ersten Gegenwind ins Bockshorn jagen lässt, hat keine guten Argumente gehabt – und die haben Sie«, betonte der frühere Bundesumweltminister in seiner Eröffnungsrede. Der Umbau des Energiesystems sei ohne Offshore-Windenergie nicht machbar, und letztlich sei es auch die »Pflicht und Schuldigkeit technologieführender Länder wie Deutschland«, neue Technologien für die Energieversorgung marktreif zu machen und zu globalisieren. »Es wäre ganz fatal, wenn wir kurz vor dem Ziel den Mut verlören«, so Töpfer. Auch für die internationale Glaubwürdigkeit Deutschlands sei dies ein ganz zentrales Thema.

Entwicklung kehrt sich um: Mehr Netzkapazitäten als Windparks

Einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Offshore-Windenergie präsentierte das Marktforschungsinstitut Windresearch, das auf Basis seiner Offshore-Datenbank bereits für die »Windforce« vor zwei Jahren drei mögliche Ausbaupfade berechnet hatte. An den damaligen Szenarien habe sich bis heute kaum etwas verändert, erläuterte Geschäftsführer Dirk Briese: Sowohl im wahrscheinlichen Referenzszenario (knapp 6. 700 MW bis 2020) als auch im Best-Case- (rund 10. 000 MW bis 2020) und im Worst-Case-Szenario (Ausbau kommt nach Inbetriebnahme der aktuell in Bau befindlichen Parks zum Erliegen) seien die Prämissen lediglich an die aktuelle Situation angepasst, beispielsweise an die Veränderungen durch das EEG. Angesichts der neuen Ausbauziele sei nun anders als damals davon auszugehen, dass die politischen Vorgaben nicht nur erreicht, sondern möglicherweise sogar übertroffen würden. Zusätzlich hatten die Marktforscher diesmal auch eine Hochlaufkurve der Netzkapazitäten unter Berücksichtigung der jeweils geplanten Inbetriebnahme der verschiedenen Anbindungssysteme erstellt. Das Ergebnis: Während bislang die Windparks zumeist auf ihren Netzanschluss warten mussten, wird in Zukunft ein Teil der Netzkapazitäten zunächst ungenutzt bleiben, weil die anzubindenden Parks noch nicht gebaut sind. »In diesem und im nächsten Jahr wird deutlich mehr Netzkapazität errichtet als benötigt«, stellte Briese fest. Die Differenz betrage im Referenzszenario bis 2020 bereits mehr als 1. 000 MW, zeitweise sogar bis zu 2. 000 MW. Zwar werde ein Großteil der Kapazitäten benötigt, wenn es demnächst tatsächlich zur erhofften »zweiten Welle« beim Offshore-Ausbau komme: »Wenn die aber ausbleibt, könnten bis zu 5. 000 MW überflüssig sein«, so Briese.

Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass der aktuelle Bundesfachplan Offshore des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sowie der Offshore-Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber, auf deren Grundlage der Ausbau der Offshore-Windenergie mit dem Netzausbau synchronisiert werden soll, noch auf veralteten politischen Zielvorgaben basieren. »Man wird jetzt sehen müssen, wie man mit dem neuen Zielkorridor umzugehen hat«, sagte dazu BSH-Referatsleiter Nico Nolte. Dass es hier zu Differenzen kommen kann und ein Teil der Netzkapazität ungenutzt bleibt, sei durchaus zu erwarten gewesen, erläuterte Wilfried Breuer vom Nordseenetzbetreiber Tennet. »Man sollte nur darauf achte, dass die Lücke nicht zu groß wird.«

Kostensenkungen nur durch Zubau zu erreichen

Dank der aktuellen Projekte konnten mehr Referenten als in den Vorjahren von konkreten Erfahrungen beim Bau von Windparks berichten und belegten damit den Übergang in die kommerzielle Phase. Dabei wurde deutlich, dass die Lernkurve erkennbar nach oben zeigt und die Abläufe an den Kaikanten und in den Baufeldern immer eingespielter werden. Auch in Sachen Kostensenkung gaben sich die Vertreter optimistisch, künftig einiges erreichen zu können. So stellten die Turbinenproduzenten Alstom, Areva Wind, MHI Vestas und Senvion eine neue Generation von Offshore-Anlagen vor, und auch die Windparkbetreiber teilten mit, wo sie Einsparmöglichkeiten sehen. An die Politik gerichtet bemerkte Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft: »Das Kostensenkungspotenzial kann nur auf Grundlage eines dynamischen Zubaus gehoben werden, nicht durch Abwarten.«

Maritime Wirtschaft präsentiert innovative Lösungen

Dass die maritime Wirtschaft ebenfalls innovative Lösungen zu bieten hat, wurde sowohl bei der Konferenz als auch auf der Messe deutlich. Auf einem gemeinsamen Stand präsentierten beispielsweise Bugsier und Wärtsilä ihr »J-LASH«-Konzept (Jackable Lighter Aboard Ship), das anders als die bisher gängigen Logistikkonzepte auf einem Feedersystem basiert: Während das als Dockschiff konzipierte Installationsschiff im Baufeld bleibt, werden die Komponenten durch Bargen zugeliefert, die schließlich ins Dock des Jack-up Vessels einfahren – wodurch eine sichere Übergabe der Ladung losgelöst vom Seegang ermöglicht wird. »Wir entkoppeln den Transport von der Errichtung und sparen damit viel Zeit und Geld«, erläuterte Bugsier-Abteilungsleiter Sven Schröder. Ein aktuelles Gutachten des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) habe ergeben, dass die Installation von 80 Fundamenten in einem 100sm vom Basishafen entfernten Windpark bei realem Wetter mit diesem System 165 statt der mit einem pendelnden Errichterschiff benötigten 263 Tage dauert und statt 59,4 nur 48,6Mio. € kostet. Das Interesse an der Neuentwicklung sei groß, so Schröder, konkrete Kundengespräche würden bereits geführt.

Unter den verschiedenen Werften, die bereits erfolgreich in den Offshore-Markt eingestiegen sind, zeigte sich erstmals auch die Meyer Werft bei der »Windforce«. Das Papenburger Schiffbauunternehmen hatte das Modell eines neu entwickelten »Offshore Accommodation and Maintenance Vessel« dabei, das bei Service- und

Wartungsarbeiten im Windpark bleiben kann und bis zu 40 Technikern sowie 20 Crewmitgliedern Unterkunft bietet. Das Basic Design hierfür ist fertig: Je nach Kundenwunsch können individuell angepasste Varianten des neuen Schiffstyps gebaut werden.

 


Anne-Katrin Wehrmann