Kajüten nach Wahl für betuchte Passagiere

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Die Reeder waren in ihrer Mehrzahl eigentlich schon immer mit wenigen Hemmungen belastet, wenn es darum ging, Geld zu verdienen[ds_preview]. Denn schließlich wurde das Geschäft ja gerade aus diesem Grund betrieben – seit Jahrhunderten, bis heute. Den Einfällen, wie sich die notwendigen Einkommen steigern ließen, waren keine Grenzen gesetzt, was gelegentlich zu Dingen führte, die an Skurrilität kaum zu überbieten waren.

Nehmen wir als Beispiel die Levante-Schifffahrt vor mehr als 100 Jahren. Das liegt so weit zurück, dass sich heute niemand mehr auf den Schlips getreten fühlen muss. Das Fahrtgebiet Levante war zugegebenermaßen nicht einfach und deshalb waren die Betreiber der dort eingesetzten Frachter auf jede mögliche zusätzliche Mark angewiesen – um es vorsichtig auszudrücken. Die Laderäume der Schiffe waren heimkehrend im Wesentlichen mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen gefüllt, je nach Saison und nur wenn die Ernten gut waren, was durchaus nicht immer der Fall war, und ausgehend waren Exporte in die Länder der Levante auch meistens nicht berauschend.

Also, womit ließ sich zusätzliches Geld verdienen? Einen guten Ansatz boten, wenn man ihnen verlockende Angebote machen würde, die Passagiere, für die alle Dampfer entsprechende Einrichtungen an Bord hatten. Häufig kamen sie aus gut betuchten Schichten des Bürgertums und unternahmen die Seefahrt, um die uralten Kulturen des Morgenlandes in Augenschein zu nehmen, damit sie anschließend auch »mitreden« konnten. Ihnen offerierte etwa die Bremer Dampferlinie »Atlas«, hinter der der Norddeutsche Lloyd (NDL) stand, die Möglichkeit, zur Erhöhung ihres Reisekomforts sogar eine Offizierskabine für sich zu buchen. Nicht einfach so, sondern natürlich streng abgestuft nach dem Dienstgrad des eigent­lichen Bewohners der Unterkunft.

Ein Rundschreiben vom 17. Juni 1907 an die »Herren Vertreter« wurde für alle damals eingesetzten fünf Dampfer akri­bisch aufgelistet, was pekuniär Sache war. So mussten diejenigen Passagiere, die es sich erlauben konnten, etwa auf dem Dampfer »Therapia« (3.781 BRT) das Wohnzimmer des Kapitäns (nur das stand zur Verfügung) zu nutzen, 2 ½ Tarifraten dafür zahlen, bei den Zimmern des I., II. oder III. Offiziers auf diesem Schiff waren es nur zwei Tarifraten. Auf dem Dampfer »Galata« (4.054 BRT) kosteten Wohn- und Schlafzimmer des Kapitäns drei Tarifraten, während die Zimmer der II. und III. Offiziere auf dem Dampfer »Scutari« (2.867 BRT) für 1 ¾ Tarifraten zu haben waren, wenn eine Person darin wohnen bzw. reisen wollte. Waren es zwei, dann mussten 2 ¼ Tarifraten auf den Tisch des Hauses geblättert werden.

Natürlich waren die Reedereien so sozial eingestellt, dass den betroffenen Offizieren ein Ausgleich für die Hergabe ihrer angestammten Residenzen zugesprochen wurde. Er lag zwischen drei Viertel und einem Viertel der tarifmäßigen Fahrpreise, wobei wohl kaum anzunehmen ist, dass den Herren der Schiffsleitung die Wahl blieb, das Angebot etwa abzulehnen.

Das Ganze konnte natürlich noch gesteigert werden, etwa dann, wenn die umworbenen Fahrgäste auch noch ihre vierbeinigen Lieblinge, also ihre Hunde, mitnehmen wollten. Das war erlaubt – und natürlich ebenfalls ganz genau geregelt. Es lebe der kleine Unterschied, auch in dieser Hinsicht. Und so hieß es dann in einem Rundschreiben des NDL an die Kapitäne der

Levante-Dampfer, das da lautete, dass zwischen europäischen Häfen sowie zwischen europäischen Häfen einerseits und Alexandrien, Port Said und Smyrna andererseits kleine Schoßhunde per Stück M 20.– für die Mitfahrt bezahlen sollen, Dachshunde, Terrier, Pudel, Spitze usw. per Stück M 30.–, Hühnerhunde, Schottische Schäferhunde etc. M 40.– und große Doggen, Leonberger, Bernhardiner usw. M 60.–. Über die Mitnahme von Katzen ist dagegen nichts bekannt.

Was das alles unter dem Strich gebracht hat, ist heute wohl nicht mehr zu ermessen. Irgendwie gelohnt haben wird es sich aber, sonst hätte es wohl keine solchen Tarifwerke gegeben.


Hans Jürgen Witthöft