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2015 gehen Sie in den Ruhestand. Fühlen Sie sich bereit für ein Leben ohne HSVA?

Jürgen Friesch: Ich glaube, ja. Aber beweisen muss ich es noch, dass ich auch Rentner »kann«. Ich habe mich darauf eingestellt und bin nicht planlos, habe meine Hobbys und meinen Garten zu Hause. Es ist wie bei[ds_preview] jedem: Das erste Jahr wird ausgefüllt sein mit Dingen, die man in den letzten zehn Jahren nicht geschafft hat.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Friesch: Das habe ich mir auch schon überlegt. Mir werden zwei unterschiedliche Dinge fehlen: Der Kontakt zur Branche. Das, was die Schifffahrt und den Schiffbau bewegt, wird abgeschnitten. Egal, ob man noch in Organisationen wie z. B. der STG ist. Und zweitens wird mir auch die tägliche positive Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern der HSVA fehlen. Immerhin habe ich jetzt 35 Jahre auf dem Buckel, vom Sachbearbeiter bis zum Geschäftsführer.

Worauf können Sie verzichten?

Friesch: Auf all die kleinen täglichen Ärgernisse, die man gar nicht richtig fassen kann, die aber einen Teil gerade des Geschäftsführer-Lebens ausmachen.

Wie haben Sie den Aufschwung des japanischen und südkoreanischen und später des chinesischen Schiffbaus erlebt?

Friesch: Es war nicht überfallartig, zumindest bei den Japanern und den Koreanern. Das Verlagern des Schiffbaus von Europa nach Fernost hat in gewissen Abständen stattgefunden, vor allem weil die Reeder weiter bei uns zu getestet haben. Je nachdem wie knapp es war, Schiffbauplätze zu bekommen, haben wir miterlebt, wie stark die Reederposition war, Versuche bei uns machen zu lassen und eben nicht in Asien in den oftmals konzerneigenen Anstalten. Wenn der Druck aber groß war, wurde auch schon mal darauf verzichtet, in Hamburg zu testen. Der Wandel zu den Chinesen kam plötzlicher.

Was war die bemerkenswerteste Erfahrung in Fernost?

Friesch: Es war das ein oder andere mal kurios, wie die Versuchsanstalten dort arbeiten. Anfangs sah man, dass viele für uns selbstverständliche Dinge es dort eben nicht waren, beispielsweise beim Umgang mit Modellen und der Arbeit am Kavitationstunnel. Bemerkenswert war auch die Zahl der Menschen, die dort seinerzeit auf den Werften und in den Versuchsanstalten gearbeitet haben.

Im Laufe der Zeit haben Sie viele Entwicklungen mitgemacht. Was war Ihrer Meinung nach der größte Umbruch?

Friesch: Schwer zu sagen, allerdings war das Wachstum der Containerschiffe eine prägende Entwicklung. Dabei habe ich ein Auf und Ab bei den Schwerpunkten zum Entwurf von Propellern erlebt. Zunächst hatten wir in den 80er Jahren den Schwerpunkt bei der Vibrationserregung, d.h. es ging darum Druckschwankungen am Schiff zu reduzieren. Das hat sich hingezogen bis zum Bau der ganz großen Schiffe. Dann kam das Thema »hohe Geschwindigkeit« auf. Dadurch gewann die Erosion an Propellern wieder große Bedeutung, die vorher eigentlich vom Tisch war. Zur Zeit geht der Trend wieder in eine andere Richtung. Wegen der Langsamfahrt ist es die hohe Effizienz von Propellern, die vorher nicht so entscheidend war. Dieses Auf und Ab wurde in den 35 Jahren deutlich. Geändert hat sich auch die Art der Kavitationsversuche. Es gab seit Ende der 80er Jahre einen Trend zu großen Anlagen, bei denen Propeller hinter ganzen Modellen getestet wurden und nicht mehr nur Propeller alleine.

Was war in Ihrer Zeit der größte »Rohrkrepierer« im Schiffbau?

Friesch: »Rohrkrepierer« sind schwer zu identifizieren, aber es war schade, dass die hydrodynamischen Vorteile der Leitradtechnologie wegen maschinenbaulicher Schwierigkeiten nicht zum Zuge kamen, weil die Leiträder zum Teil schlicht verloren gingen. Ein Rückschlag für diese propulsionsverbessernde Maßnahme. Das Zusammenspiel mit dem Schiff und dem Maschinenbau funktionierte nicht.

Es werden immer größere Schiffe gebaut. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Grenze?

Friesch: Eine direkte Obergrenze kann es aus hydrodynamischer Sicht nicht geben. Der Propeller ist sehr belastbar. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Schiffe immer langsamer werden, glaube ich nicht, dass es eine Obergrenze gibt. Ich bin sicher, dass man Linien für ein 25.000-TEU-Schiff entwerfen und auch die entsprechende Leistung erzeugen kann. Manövrieren, Versicherungsfragen und das Be- und Entladen werden eher Grenzen setzen.

Hatten Sie ein Lieblingsprojekt?

Friesch: Eines meiner Lieblingsprojekte war ein großes europäisches Forschungsvorhaben mit vielen Partnern. Es ging darum, Erosion an Schiffspropellern zu bearbeiten und Prognosen zu erstellen. Das hat viel Spaß gemacht. Ein anderes war der Bau, die Inbetriebnahme und die Vermarktung unseres großen Kavitationstunnels, mein »Baby« hier bei der HSVA.

Wagen Sie eine Prognose: Wo steuert die Schiffbau-Branche hin?

Friesch: Die Fragen nach umweltfreundlichen, sicheren und effizienten Schiffen werden weiter oben stehen und den ganzen Entwurfsprozess stark beeinflussen. Speziell bei der Hydrodynamik wird es darum gehen müssen, Schiffsformen und Antriebsorgane weiter zu optimieren. Auch wenn wir schon gute Schiffe haben, so dass wir keine 25% Verbesserung mehr erreichen. Aber auch mit 2% kann man zufrieden sein. Das wird eine Herausforderung, nich nur für die Entwerfer, sondern auch für diejenigen, die derartige Verbesserungen messen oder numerisch prognostizieren müssen.

Michael Meyer