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Die auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte Werft übernimmt die Mehrheit beim Konkurrenten STX Finland in Turku. Die siebte Generation an der Firmenspitze setzt auf Expansion. Frank Behling gibt einen Einblick in die Entwicklung
In der Kreuzfahrtbranche ist der Herbst traditionell die Zeit für Neubauaufträge. Die Werften fahren dann die Früchte ihrer Vorbereitungen ein[ds_preview] und die Reedereien können rechtzeitig zum Buchungsstart für die heiße Phase mit medialer Aufmerksamkeit rechnen. In diesem Jahr ist die Aufmerksamkeit der Branche ganz allein auf die Meyer Werft gerichtet. Die Übernahme der ehemaligen Wärtsilä-Werft in Turku hat dem familiengeführten Unternehmen einen gewaltigen Schub gegeben.

Am 13. August dockte die Werft mit der »Quantum of the Seas« in Papenburg das bislang größte in Deutschland gebaute Schiff aus. Der Neubau ist für die Royal Caribbean Cruise Line bestimmt. Eine Reederei, die ihre bislang größten in Turku bei STX Finland bauen ließ. Genau diese Werft gehört jetzt aber auch zur Meyer-Gruppe. Damit hat man sich endlich einen Bauplatz für noch größere Schiffe gesichert.

In sechs Generationen hat sich die Familie in Papenburg mit dem Schiffbau um die nationale und regionale Kundschaft bemüht. Als Ende der 1980er Jahre die Kreuzfahrt die vertrauten Pfade verließ und ein Wettrüsten um Betten, Decks und Balkonkabinen begann, startete auch die Meyer Werft in den Wettbewerb. Schnell wurde deutlich, dass der Standort Papenburg eigentlich nicht für Schiffe mit einer Länge von 300m und einer Breite von über 40m geeignet ist. Mehrfach wurde die Ems ausgebaggert und es wurden mit einem Sperrwerk Möglichkeiten zum Aufstauen geschaffen. Alles Tricks, mit denen die Arbeitsplätze auf der Werft und mehr als 10.000 weiteren Jobs bei Zulieferern in der strukturschwachen Region gesichert werden sollten.

Parallel liebäugelte Werftchef Bernard Meyer mit einer Werft am Meer. Nach der Wiedervereinigung geriet 1991 die Insel Rügen in den Fokus. Bei Mukran sollte eine neue Werft entstehen. Doch der Plan scheiterte am Protest der Rügener. Eine 400m breite und 300m lange Halle mitsamt Baudock wollte die Mehrheit nicht. Und Meyer suchte weiter. In Eemshaven am niederländischen Ausgang der Emsmündung gab es ebenfalls zeitweise Ideen zur Ansiedlung einer Niederlassung. Die Zusage zum Bau des Emssperrwerks ließen diese Planungen aber wieder verfallen.

Jetzt ist es an der Zeit, dass die siebte Generation der Meyers der Zukunftsplanung ihren Stempel aufdrückt. Jan Meyer rückt mehr und mehr in der Geschäftsführung vor. »Wir sind eben breit aufgestellt«, kommentiert Sprecher Peter Hackmann die Ausrichtung der 1795 gegründeten Werft. Während sich die ThyssenKrupp Marine Systems (Kiel) sowie die Lürssen-Gruppe (Bremen) auf den Marine- und Yachtschiffbau konzentrieren, haben sich die Meyer Werft und die Nordic Yards (Mecklenburg-Vorpommern) im zivilen Schiffbau Perspektiven erarbeitet. Nordic ist heute die erfolgreichste Werft im Bereich der Offshore-Projekte. Die Meyer Werft ist dagegen auf dem Weg zur Nummer eins im Passagierschiffbau der Welt. »Wir glauben daran, dass dieser Weg eine gute Zukunftsperspektive bietet«, sagt Hackmann.

Im August übernahm das Unternehmen deshalb 70% der Anteile der finnischen Großwerft STX Finland in Turku. Die restlichen 30% bleiben beim finnischen Staat. Der Betrieb in Finnland soll die Meyer Werft breiter aufstellen. Zuletzt musste die Gruppe an den Standorten Papenburg und Rostock (Neptun Werft) immer wieder bei Anfragen passen. Besonders in dem Segment für den Bau ganz großer Kreuzfahrtschiffe fehlten die Kapazitäten. Von den beiden Docks in Papenburg ist nur das 504m lange und 45m breite Dock 2 für Schiffe mit einer Länge von über 300m und einer Breite von knapp 40m geeignet. Das 1985 gebaute Dock 1 ist lediglich 358m lang und 39m breit. Es ist für Schiffe der sogenannten Panamax-Klasse mit einer Breite von 32,2m optimiert. Wettbewerber Fincantieri kann in Italien dagegen an drei Standorten Bauplätze für derartige Schiffe anbieten, die auch in dem Mega-Segment mit über 300m Länge und einer Breite von 40m geplant werden.

Mit der Übernahme der finnischen Werft wurde auch die Ausweitung der in Finnland gebauten Schiffsklasse für TUI Cruises bekannt gegeben. TUI Cruises wird die in diesem Jahr gestartete Serie von Mega-Linern der »Mein Schiff 3«-Klasse auf vier Neubauten ausweiten. Bis 2017 soll pro Jahr je eine weitere Einheit in Fahrt kommen. Die Chancen für eine Ausweitung der Serie auch über vier Schiffe hinaus sind gegeben, da dieser Typ sich als die Idealgröße für den deutschen und auch den internationalen Kreuzfahrtmarkt herausstellt. Er ist 295m lang und 35,8m breit.

Auch personell expandiert die Gruppe durch die Transaktion. Zu der Gruppe gehören jetzt Standorte in Papenburg, Rostock und Turku mit zusammen über 4.400 Mitarbeitern. In Turku arbeiten rund 1.300 Werftarbeiter. In Papenburg und Rostock sind es etwa 3.100 Beschäftigte.

STX verlässt Finnland nach vier Jahren wieder

Der Werftkonzern STX hat sich durch den Verkauf nach nur vier Jahren aus Finnland wieder verabschiedet. 2008 hatten die Koreaner die Anteile vom norwegischen Aker-Konzern übernommen. Sie wollten einen strategisch ausgerichteten Schiffbaukonzern aufbauen. Die Krise der Branche traf STX aber 2008 auch unvermittelt und besonders hart. Zwischenzeitlich diskutierten die Koreaner sogar den Ausstieg aus allen Schiffbau- und Schifffahrtsaktivitäten. In Europa hatte STX die Werften Chantiers de l’Atlantique im französischen St. Nazaire und die Aker Fin­yards in Finnland gekauft. Die französische Tochter steckt ebenfalls in einer Krise und leidet an einem Mangel an Aufträgen. Die Werft, die 2004 die »Queen Mary 2« baute, ist mittelfristig nur noch zur Hälfte ausgelastet. Der Wechsel des Stammkunden MSC Crociere zum italienischen Wettbewerber Fincantieri traf die Franzosen schwer. Während STX für die finnische Werft mit der Meyer Gruppe einen solventen Käufer gefunden hat, geht die Suche nach einem Interessenten für den französische STX-Standort weiter.

Die Werft in Turku gehörte früher zum finnischen Wärtsilä-Konzern. In den vergangenen 15 Jahren wechselten die Gesellschafter jedoch mehrfach. Der Betrieb mit dem 365m langen und 80m breiten Dock heißt künftig Meyer Turku Shipyard Oy.

In Papenburg hatten erste Gerüchte über den Einstieg zu Sorgen in der Belegschaft geführt. Betriebsrat und Geschäftsführung verständigten sich über ein Zukunftskonzept. »Wir stärken alle Standorte gleichermaßen. Positive Effekte sind durch eine höhere Flexibilität gegeben«, sagt Jan Meyer. In Papenburg wurden auch bereits Flusskreuzfahrtschiffe, Gastanker sowie Forschungs- und Fährschiffe gebaut.

Besonders bei der Entwicklung neuer Kreuzfahrtschiffstypen wolle man innerhalb der Gruppe intensiv zusammenarbeiten und die Kapazitäten bündeln, heißt es. Ein Abbau von Kapazitäten in Papenburg sei nicht geplant. Mit dem zusätzlichen Dock in Finnland habe man jetzt auch die Gelegenheit für die Erweiterung der Produktpalette, etwa zum Yachtbau. Wie die Werft außerdem mitteilte, wird mit dem Land Niedersachsen derzeit ein Vertrag zur Standortsicherung diskutiert. Dies mache klar, dass es hier nicht um eine Verlagerung von Kapazitäten geht, sondern um eine deutliche Stärkung der gebündelten europäischen Kreuzfahrt-Kompetenz.

Die Furcht vor einer Verlagerung von Teilen der Konstruktion nach Finnland wurde schnell geäußert. Vertreter der Arbeitnehmer und des Landes drängen deshalb auf diesen Standortsicherungsvertrag. Der Betriebsrat hat ein Zehn-Punkte Papier mit Kernforderungen veröffentlicht, die darauf abzielen, Papenburg zu stärken. So sollen die Kernkompetenzen Forschung und Entwicklung, die Arbeitsplätze und die Investitionen zur Modernisierung unverändert fortgeführt werden. Außerdem wird die Einführung einer Arbeitsgruppe aus den Arbeitnehmervertretungen der betroffenen Standorte Papenburg, Rostock und Turku gefordert. Ziel sei ein Vertrag, der den Standort in Papenburg sichert. »Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, damit die Beteiligung in Turku den Standort in Papenburg stärkt«, so der Betriebsratsvorsitzende Thomas Gelder.

Erweiterung soll Marktstellung von Meyer stärken

Trotz dieser Kritik wird die Erweiterung nach Finnland ausdrücklich begrüßt. Nur durch das Wachstum habe man Chancen, um im Wettbewerb mit den Werften in Italien, Frankreich und Fernost zu bestehen. Die finnische Werft ist qualitativ ein Standort auf hohem Niveau. Seit Jahren ist sie im Kreuzfahrtgeschäft aktiv und hat innovative Neubauten wie die »Oasis of the Seas«, »Voyager of the Seas« oder die beiden Kiel-Oslo-Fähren der »Color Fantasy«-Klasse gebaut. Aber auch Marineschiffe und Flüssiggastanker wurden in dem Felsendock in Turku gefertigt.

Im Kreuzfahrtsegment ist Meyer durch die Kapazitäten in Finnland nun gleichauf mit dem Marktführer Fincantieri in Italien. Fincantieri hat derzeit zwölf Kreuzfahrtschiffsneubauten mit rund 25.000 Betten unter Vertrag. Die Meyer Gruppe hat zusammen mit Turku nun ebenfalls zwölf Neubauten im Orderbuch, die jedoch fast 40.000 Passagierbetten haben.


Frank Behling