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Peter Dibowski, Deutschland-Vertriebschef für die maritime Industrie bei Siemens, ist angesichts des wachsenden Marktes für energiesparende und emissionsreduzierende Lösungen zuversichtlich. Im Interview spricht er über neueste Entwicklungen in der Batterietechnik, Energiemanagement und einen zunehmenden Bedarf an Retrofitlösungen für die fahrende Flotte
Herr Dibowski, in Norwegen wird mittlerweile die erste Norled-Fähre mit komplettem Batteriebetrieb eingesetzt, die mit Siemens-Technik gebaut[ds_preview] wurde. Gibt es hierfür weitere Einsatzmöglichkeiten?

Peter Dibowski: Die Technik läuft sehr gut. Während der kurzen Hafenliegezeiten und nachts wird die Batterie aufgeladen. Der Batterieblock nimmt jedoch einen gewissen Platz ein, sodass man bei größeren Fähren auf ein Mischsystem mit Batteriebetrieb für die hafennahen Gewässer und konventionelleren Antrieben für die Seepassage zurückgreifen muss.

Auch wenn Platzbeschränkungen derzeit noch ein Hindernis sind – glauben Sie, dass die Batterietechnik mittelfristig auch für größere Schiffe eine Option sein kann, wenn sie verfeinert wird?

Dibowski: Ich denke, auf der Langstrecke wird das nicht der Fall sein. Im küstennahen Bereich wird man aber schnell über mögliche Anwendungsgebiete diskutieren. Da sind dann die Konstrukteure gefragt. Und für Neubauten dürften Batterien eher infrage kommen als für Bestandsschiffe. Denn bei Retrofits ist der finanzielle Aufwand vergleichsweise recht hoch. Das kann sich aber ändern, wenn Regularien, wie jetzt in der Ostsee, aus Umweltgründen nach Lösungen für die fahrende Flotte verlangen. Dann kommen zu den Investment-Betrachtungen bei den Reedern externe Faktoren dazu.

Wird es für LNG in der Schifffahrt kurzfristig den »großen Sprung« geben?

Dibowski: Nein, das wird ein evolutionärer Prozess. Rotterdam hat ein Terminal gebaut, Hamburg wird nachziehen. Die Schifffahrt ist aber eine sehr konservative Branche, in der Veränderungen Zeit brauchen.

Plant Siemens, sich im Bereich maritime LNG-Antriebe verstärkt zu engagieren?

Dibowski: Das steht aktuell nicht auf der Agenda. Unsere Kernkompetenz ist salopp gesagt überall dort, wo Strom fließt. Für uns ist der Schiffsantrieb also ein kompletter Strang, vom Generator über das Getriebe – das wir auch selbst liefern – bis zum elektrischen Fahrmotor. Wo und welche Verbrennungsmaschine vor dem Generator sitzt, stimmen wir immer mit dem jeweiligen Kunden ab.

Ein effektiver Schiffs- und Flottenbetrieb wird im Zuge der Kostenoptimierung immer wichtiger. Wie will Siemens den Reedern hierbei helfen?

Dibowski: Wir haben das Effizienzprogramm EcoMain speziell für den Schiffsbetrieb entwickelt und nach seiner Vorstellung vor rund zwei Jahren inzwischen erfolgreich am Markt etabliert. Grob gesprochen, leistet es Folgendes: Von den technischen Anlagen an Bord – unabhängig von welchem Hersteller – werden Daten über verschiedene Schnittstellen gesammelt, aufbereitet und auf einer Plattform in einem einheitlichen Format zur Verfügung gestellt. Darauf basierend gibt es eigene Apps oder auch Anwendungen externer Firmen, die auf der Plattform laufen. Beispielhaft sei eine Applikation genannt, die dem Kapitän Handlungsempfehlungen für die Optimierung von Trimm, Geschwindigkeit oder Route gibt. Auf diese Weise können Energieverbrauch und Emissionsmengen verringert werden.

Gilt das auch für die gesamte Flotte einer Reederei?

Dibowski: Auf die Daten und Empfehlungen von EcoMain können selbstverständlich auch die Mitarbeiter an Land zugreifen. Dadurch ist eine bessere Koordinierung der Flotte möglich, um die Wirtschaftlichkeit im Betrieb zu erhöhen und beispielsweise auch Wartungspläne zu optimieren.

Ein weiteres Mittel zur Steigerung der Effizienz ist die Wärmerückgewinnung, kurz WHR (Waste Heat Recovery). Gibt es auf diesem Gebiet neue technische Entwicklungen? Und wie sieht die Auftragslage aus, nachdem das System in den Triple-E-Schiffen von Maersk eingebaut wurde?

Dibowski: Wir entwickeln das System ständig weiter und haben uns bei der Leistungsklasse etwas nach unten bewegt. Das war wichtig, um die Stückzahlen zu erhöhen. Angefangen haben wir seinerzeit mit 18 MW Leistung bei den Containerschiffen der sogenannten E-Klasse von Maersk. Wir haben nun aber auch WHR mit 13 MW Wellenleistung im Angebot. Das WHR-System kommt also auch für Containerschiffe im Mittelstreckenverkehr, d. h. 10.000 bis 12.000TEU, infrage. Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel acht Systeme an UASC für deren 14.000-TEU-Neubauten verkauft.

Ist eine Nachrüstung mit derartigen Systemen möglich?

Dibowski: Das kann ich mir bauartbedingt momentan nur schwer vorstellen, weil die Platzverhältnisse im Maschinenraum sehr beschränkt sind.

Beim Branchenverband VDMA hieß es zuletzt, dass die Zulieferer neue Märkte und Regionen wie etwa Indonesien oder Vietnam erschließen sollen. Trifft das auch auf Siemens zu?

Dibowski: Ja, wir wollen unsere Absatzmärkte natürlich erweitern. Dabei gilt es, sich nicht mehr allein auf Werften und Reeder als Kunden zu verlassen, sondern das gesamte Zuliefernetzwerk inklusive Systemintegratoren zu nutzen.

Wie sehen Sie als künftiger Deutschland-Vertriebschef der maritimen Industrie bei Siemens den Markt hierzulande?

Dibowski: Auch wenn Handelsschiffe vor allem in China, Südkorea und Japan gebaut werden, ist der Wertschöpfungsanteil aus Deutschland sehr hoch. Das wird oft vergessen. Ebenso, dass die maritime Industrie eine der innovativsten Branchen überhaupt ist. Im Vergleich zur Konkurrenz in Fernost liegt die Stärke von Unternehmen wie Siemens in der Fähigkeit, individuelle Lösungen für den Reeder zu realisieren – sowohl beim Neubau als auch bei Modernisierungen. Letzteres können wir im Bedarfsfall sogar während der Fahrt durch unsere über 50 Mitarbeiter starke Kundenservice-Mannschaft hier vom Standort Hamburg aus realisieren.


Michael Meyer, Nikos Späth