Ein bisschen Frieden unter Wasser

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Mit der spektakulären Versenkung der drei britischen Panzerkreuzer »Aboukir«, »Hogue« und »Cressy« hatten Otto Weddigen und »U 9« am 22[ds_preview]. September 1914 der britischen Admiralität einen Albtraum beschert – und dem U-Boot als Waffe zum Durchbruch verholfen. Daran erinnert bis Ende des Jahres die Sonderausstellung »Tief unten. Der U-Boot-Krieg 1914–1918« im Internationalen Maritimen Museum Hamburg.

Von nun an begann der technische und militärische Siegeszug eines Schiffstyps, der bis heute andauert. Neben den Flugzeugträgern setzen alle führenden Marinenationen auf das Atom-U-Boot als entscheidende Waffe zur Seekriegsführung und Verteidigung.

Weddigens Erfolg, der fast 1.500 britische Seeleute in die Tiefe riss, löste im deutschen Kaiserreich einen Propagandarummel und einen Kult aus, an dem eine ganze Nation teilnahm. Selbst Zigarren, ein Berliner Cafe und eine Bohnensorte wurden nach ihm benannt.

Aber sein Erfolg und die englische Handelsblockade lösten auch in einem Bremer Handelshaus eine Kette von geheimen Plänen aus, die schließlich zum von der Öffentlichkeit abgeschirmten Bau eines völlig ungewöhnlichen Schiffes führten. Am 8. November 1915 wurde die »Deutsche Ocean-Reederei G.m.b.H« mit einem nichtssagenden Text in das Bremer Handelsregister eingetragen. Am 28. März 1916 lief deren erstes Projekt bei der Kieler »Krupp-Germania-Werft« vom Stapel: das Untersee-Frachtschiff »Deutschland«, 65m lang, fast 9m breit, maximale Tauchtiefe: 50m. Ende Juni stach es mit 700t Fracht in See, vor allem Farbstoffe und Arzneimittel, Kurs USA – mitten im Krieg, ganz ohne Bewaffnung. Angesichts der britischen Seeblockade war es gefährlich und schwierig geworden, Handelsschiffe über den Atlantik zu schicken. Mit den USA, die erst 1917 in den Krieg eintraten, war aber der Handel noch möglich. Also waren die Hanseaten an der Weser, allen voran der Großkaufmann Alfred Lohmann, auf die Idee gekommen, die Fracht notfalls unter Wasser unsichtbar zu befördern – ein Stück Frieden und freier Handel im Weltenbrand.

Das Kalkül ging auf. Am 10. Juli erreichte die »Deutschland« unter Kapitän Paul König den Hafen von Baltimore. Bis dahin waren mehr als 4.000 Seemeilen Fahrt zurück gelegt worden. Davon musste nur ein kleiner Teil unter Wasser bewältigt werden.

Die Ankunft des ungewöhnlichen Schiffes war eine Sensation. Sie löste Begeisterung in der amerikanischen Bevölkerung und Presse aus. Eine Zeitung schrieb: »Der Bau des Handels-U-Bootes allein muss als Sieg des deutschen Geistes und deutscher Initiative gewertet werden … Das Prestige Englands ist damit für immer verloren: Deutschland ist wieder einmal allen voran, da hilft kein Deuteln und Tüfteln.«

Die britische Vertretung in den USA erfüllt dies mit Ingrimm. Sie versuchte es mit Mutmaßungen über eine geheime Bewaffnung des deutschen Schiffes. Vergebens. Es war neben der Pistole von Kapitän König nur eine Signalpistole an Bord.

Mit Kautschuk und Nickel als Fracht, begehrte Rohstoffe zuhause, trat die »Deutschland« erfolgreich die Rückreise in die Heimat an. In Bremen wurde sie jubelnd empfangen. Für die Erbauer und Reeder war diese erste Fahrt ein großes Geschäft. Die Erlöse übertrafen um ein Mehrfaches die Baukosten. Noch einmal gelang ihr die Reise über den Ozean und zurück.

Das nach ihr gebaute Schwesterschiff »Bremen« verscholl auf seinem ersten Einsatz. Später wurde die »Deutschland« zum Kriegsschiff umgebaut und als U-Boot-Kreuzer eingesetzt. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs musste das Schiff an die Briten abgeliefert werden.

Dem Handels-U-Boot war nach seinem ersten Erfolg eine große Zukunft vorausgesagt worden. Mancher Schifffahrts-Autor war geradezu ins Schwärmen geraten. Indes: Es war ein Kind des Krieges. Als er zuende war, entfiel der Grund für seine Existenz.


Wulf Brocke