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Der Nord-Ostsee-Kanal ist das Sorgenkind der deutschen Schifffahrt. Den neuen Anforderungen durch immer größere Schiffe wird das historische Bauwerk nicht mehr gerecht, jetzt startet endlich der Ausbau


Häufige Probleme mit den maroden Schleusen sind eines der Hauptübel der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt, Havarien im zu engen[ds_preview] Kanal ein ständiges Risiko. Einige Schiffe nähmen deshalb lieber den um durchschnittlich 250sm längeren Umweg um Skagen herum auf sich, beklagte kürzlich die Initiative Kiel-Canal, ein Zusammenschluss von Unternehmen der maritimen Wirtschaft und nautischen Institutionen. Deutlich sei das 2014 auch in der ersten Halbjahresbilanz geworden, die zwar eine Zunahme bei der auf dem Kanal transportierten Ladung auswies, gleichzeitig aber auch einen Rückgang der Passagezahlen.

Zu lange ist nichts passiert, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt drängte aber darauf, dass der Kanal als international bedeutende Wasserstraße auch mit den nötigen Mitteln ausgebaut wird – insgesamt fast 1,5Mrd. €. Jetzt startet der Bau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel. Bauaufträge über 400Mio. € wurden bereis vergeben. Ausgeführt werden die Arbeiten von den Unternehmen Wayss & Freytag und der niederländischen BAM Civiel. Die Neue Kammer wird 360m lang und 45m breit, das Außenhaupt in Richtung Elbmündung wird bis zu 28m, das Binnenhaupt 20m tief.

Bevor im zweiten Quartal der Bodenaushub beginnen kann, sind noch diverse vorbereitende Maßnahmen nötig. Die Kampfmittelsondierung ist größtenteils abgeschlossen. Zum Test von Boden und Material werden derzeit 20 Probepfähle im Düsenstrahlverfahren hergestellt. Um Platz zu schaffen, sollen nun das alte Kraftwerk und der sogenannte »Pegelbungalow« auf der Schleuseninsel abgerissen werden. Die Fertigstellung ist für November 2021 geplant. Anschließend will man die alten Schleusen in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau sanieren. Auch das wird laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) noch einmal fast 450Mio. € kosten.

Auf der anderen Seite, an der Schleuse Kiel-Holtenau, steht der Neubau eines Dükers an. Das Unternehmen Züblin hebt bereits den Schacht für den Bau der Leitung unter der Schleusenanlage aus. Der Ausbau der Oststrecke bei Kiel hat ebenfalls begonnen. Durch Vergrößerung der Kurvenradien und Verbreiterungen soll das Manövrieren größerer Schiffe erleichtert und die Passage beschleunigt werden. Das Teilstück befindet sich derzeit noch im Ausbauzustand von 1914, die Weststrecke ist dagegen schon in den 1960er Jahren auf eine Sohlbreite von 90m erweitert worden.

Eine Arbeitsgemeinschaft aus den Unternehmen Van den Herik, Colcrete-von Essen und SAW soll zwischen Kiel und Königsförde die Kanalsohle von bisher 44m auf mindestens 70m verbreitern. Als vorbereitende Maßnahmen werden im Bereich Flemhuder See bereits Lagerflächen geschaffen. Zur Vertiefung des gesamten Kanals gab es bislang nur Voruntersuchungen. Der maximal erlaubte Tiefgang soll von 9,5 auf 10,5m erhöht werden. Die Sanierung der Hochbrücke Rendsburg befindet sich nach Angaben der WSV bereits in der Endphase. Zeitnah soll die Planfeststellung für den Ersatzneubau der Levensauer Hochbrücke beantragt werden und auch eine Grundinstandsetzung der Eisenbahnhochbrücke Hochdonn wird geplant. Die Sanierung des Straßentunnels Rendsburg hat bereits begonnen.

Aufatmen bei den Kanalnutzern

Bei der Kanalagentur United Canal Agency (UCA) ist man froh, dass der Ausbau nun endlich kommt, auch wenn er viele Jahre dauern wird. »Aus Ingenieursicht könnte man alle Arbeiten auch deutlich schneller erledigen, würde man den Kanal sperren. Natürlich muss der Verkehr trotz der Bauarbeiten aufrecht erhalten werden, da dauert es eben länger«, sagt Jann Petersen, Geschäftsführer der UCA und stellvertretender Vorsitzender der Initiative Kiel Canal. Die UCA erwartet, dass alle bisher geplanten Arbeiten bis etwa 2028 beendet sein werden. Wünschenswert sei zudem die Anpassung der Durchfahrtshöhe aller Brücken über den Kanal auf 45m. Da das in absehbarer Zeit aber mehr als unwahrscheinlich ist, gibt man sich schon mit 1m mehr Tiefgang zufrieden.

Als sehr gutes Zeichen wertet Petersen, dass das Thema NOK mittlerweile auch im Koalitionsvertrag steht, nun gebe es endlich den ersehnten Rückenwind aus Berlin. Ab sofort rechnet man bei der UCA mit einer Zunahme des Schiffsverkehrs. »Dann wird es besonders spannend, weil die neuen SECA-Richtlinien in Kraft treten und die Passage einen deutlichen Kostenvorteil bringt«, meint Petersen.

Die Initiative hat zuletzt einen Masterplan entworfen, nach dem der Kanal bis 2028 umfassend modernisiert werden soll. Insgesamt werden acht Kernmaßnahmen inklusive Zeithorizont aufgeführt. Dazu zählen unter anderem einNeubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel, die Vertiefung um 1m sowie ein Personalausbau bei der WSV
Felix Selzer