Vor rund 50 Jahren gründete Klaus Oldendorff die Reederei Nord. Heute zählt sie zu den positiven Beispielen in einer Branche, die noch immer in schwierigem Fahrwasser unterwegs ist. Für die Zukunft gibt es ambitionierte Pläne, die mit Bedacht verfolgt werden

Die Reederei gehört mittlerweile den Erben des Gründers: Christian und Nikolaus Oldendorff. Ein relevanter Teil der Flotte steht zudem im[ds_preview] Eigentum von Investoren aus Europa und den USA, für die sämtliche Dienstleistungen um das Schiff erbracht werden.

Für die Zukunft gibt es eine klar formulierte Strategie. Die Quote der Investorenschiffe soll 50% nicht übersteigen, damit die Beschäftigung des Personals an Land und an Bord »nicht zu sehr leidet«, wenn ein größerer Kreis von Investoren sich plötzlich zum Ausstieg entscheidet. »Die eigene Flotte soll im Durchschnitt nie höher als 50% finanziert und in die drei Segmente Tanker, Container und Bulker diversifiziert sein, um die ohnehin hohen Risiken der Schifffahrt zu reduzieren«, umreißt Geschäftsführer Kurt Klemme die Strategie der Reederei Nord.

Heute umfasst die Flotte der Gruppe 42 Schiffe. Dabei handelt es sich um ein diversifiziertes Portfolio von Bulkern, Tankern und Containerschiffen in den Standardgrößen Handysize bis Panamax, 1.700 bis 3.500TEU und LR1 bis VLCC.

Weitere 22 Einheiten sind noch bei Werften in Fernost bestellt: acht Containerschiffe vom Typ »1.700TEU Topaz« von Ouhua Shipbuilding, sechs Boxcarrier des Typs »2.500TEU SDARI« von Wenchong, vier 38.500-dwt-Handysize-Bulker von Ouhua und zwei 38.800-Tonner vom Typ »Green Dolphin« von Hantong. Hinzu kommen zwei 105.000-Tonnen-Aframax-Tanker von Sumitomo.

Das seit 2010 sukzessive aufgelegte Neubauprogramm bestand insgesamt aus 39 Schiffen. Davon sind 19 Schiffe durch das Eigenkapital von Drittinvestoren aufgelegt worden. Nach Ende aller Ablieferungen wird die gesamte Flotte 64 Schiffe umfassen, davon 21 Investorenschiffe. Es soll allerdings nicht nur Zugänge in die Flotte geben. »Wir planen Verkäufe in den nächsten Jahren, die sich wegen der niedrigen Marktpreise aber noch verzögern. Bei einer wider Erwarten starken Markterholung ständen ca. 15 Schiffe zum Verkauf«, so der Geschäftsführer.

Neue Aufträge für Neubauten sind derzeit nicht sehr wahrscheinlich – zu unsicher sind die Aussichten. Das Bulker- und Container-Segment bezeichnet Klemme als »fundamental überbaut, und zwar in allen Größen«. Dort werde auf absehbare Zeit nicht investiert. Die Gruppe beschäftigt sich allenfalls mit Tankern. Weil aber in diesem Markt die Preise sehr stark gestiegen sind, werde es wahrscheinlich in den nächsten 24 Monaten keine Order mehr geben. Stattdessen richtet man den Blick derzeit auch auf Immobilien und Unternehmensbeteiligungen in anderen Branchen.

Das mittelfristige strategische Ziel ist es, ca. 80 Schiffe zu bereedern. Mit Investorenschiffen ist ein Ausbau des Dienstleistungsgeschäft geplant. Angeboten werden soll die gesamte Dienstleistung um das Schiff herum an, von Neubaukontrahierung, Bauaufsicht, Ausrüstung, Bereederung und Befrachtung bis zum Verkauf. »Wir würden keine Teilbereederung übernehmen, z. B. nur das Crewing«, sagt Klemme. Die Flottengröße von 80 Schiffen soll einstweilen nicht überschritten werden.

Eine gewisse Zurückhaltung gehört auch in puncto Marktkonsolidierung zur Unternehmensstrategie. »Übernahmen anderer Reedereien scheinen uns nicht interessant. Eine Übernahme bindet meist enorme Ressourcen und kann dazu führen, dass die Betreuung der eigenen Schiffe leidet. Dazu stehen die Gewinne meist nicht im Verhältnis. Außerdem haben wir einmal ein finanziell angeschlagenes KG-Schiff übernommen und mussten feststellen, dass es durch gekürzte Betriebskostenbudgets in den letzten Jahren technisch sehr gelitten hatte. Wir mussten einen größeren Betrag aufbringen, um es wieder in einen Zustand zu versetzen, dass es z. B. für die US Coast Guard akzeptabel war«, so der Geschäftsführer. Joint Venture mit »soliden Partnern« steht die Reederei allerdings sehr aufgeschlossen gegenüber. So wurde etwa gemeinsam mit der Bernhard Schulte Gruppe O&S Chartering gegründet. Das hat sich laut Klemme als Erfolg erwiesen, da man so in der diversifizierten Flotte stärkere Aufmerksamkeit von den Befrachtern erhalten habe.

Start mit »Nordholm«

Der 12. Dezember 1964 markiert den Beginn der heutigen Reederei. Klaus Oldendorff, seinerzeit 31 Jahre alt, hatte nach seiner Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann zunächst seit 1955 im väterlichen Betrieb in Lübeck gearbeitet. Dann beschloss er, sich selbständig zu machen und kaufte mit der »Bockholm« sein erstes Schiff, ein »1.417-dwt-Multipurpose Singledeck General Cargo Vessel«, das er in »Nordholm« umbenannte. Aus Sparsamkeit wurden nur die ersten vier Buchstaben des Namens geändert. Die »Nord«-Namen war schon vorher im väterlichen Unternehmen von 1921 bis Anfang der dreißiger Jahre verwendet worden. In den ersten Jahren entwickelte sich die Reederei recht gut – bis zur Krise der 80er. Um diese zu überstehen, musste man die Kosten in puncto Verwaltung und Vermögenssteuer senken. So zog die Familie Oldendorff 1986 nach Zypern und verlegte den Hauptsitz der Reederei Nord nach Limassol. In Hamburg verblieb eine Agentur für Befrachtungsmaklerei und für die Bereederung von Schiffen deutscher Investoren.

In den 90er und Anfang 2000er Jahren wuchs das Unternehmen kontinuierlich weiter, vor allem durch ein umfangreiches Neubauprogramm von Tankern der Größen LR1 (75.000 dwt), Aframax und VLCC, die von 1998 bis 2004 gebaut wurden. Bis dahin hatte die Reederei Containerschiffe bis zu 2.000TEU sowie Handysize- und Panamax-Bulker im Portfolio. 2005 zog die Familie zurück nach Deutschland, nachdem zwei Jahre zuvor Klaus Oldendorff verstorben war. Durch die Einführung der Tonnagesteuer war der Standort nach Ansicht der Verantwortlichen wieder für die Ansiedlung von Schiffseigentum und Bereederung attraktiv geworden. Die Trockenflotte ist in Hamburg angesiedelt und wird von Deutschland aus bereedert. Für die Befrachtung ist O&S Chartering in Hamburg und Singapur verantwortlich. Die Tanker sind in den Niederlanden angesiedelt, werden von Amsterdam aus bereedert und über Pools in London, Kopenhagen und New York befrachtet. Im Zuge der zypriotischen Finanzkrise wurde das Büro in Limassol 2013 auf Bereederungsdienstleistungen für Crew und Bauaufsicht reduziert.

Michael Meyer