Nach einem aufwändigen Umbau hat die Borkum-Fähre »Ostfriesland« ihren Dienst wieder aufgenommen. Dank des neuen Antriebs mit LNG fährt das Schiff schneller, sparsamer und umweltschonender.
Evert Akkermann, pensionierter Kapitän, sitzt während der Jungfernfahrt sinnierend auf einer Bank vorm Steuerhaus. »Ik kenn dat Schip goar nich[ds_preview] weer«, bekennt er im breitem Borkumer Platt. Dass er »sein Schiff« nicht wiedererkennt, hat eine ganze Reihe von Ursachen. Aus dem Steuerhaus, seinem ehemaligen Arbeitsplatz, ist eher eine Kommunikationszentrale geworden, der kleine Joystick hat mit dem ehemaligen »richtigen Steuerrad« nichts mehr gemein. Das Deck und die Innenräume sind aufgefrischt, modernes Styling und frische Farben strahlen Lockerheit aus. Die Inselfähre der AG Ems, 30 Jahre lang beruflicher Mittelpunkt im Leben des heute 86-jährigen Akkermann, hat eine umfassende Metamorphose durchgemacht.

Der entscheidende Teil des Umbaus verbirgt sich aber unter Deck, in den Maschinenräumen des neuen Achterschiffes. Dort arbeiten nun zwei Wärtsilä-Vielstoff-Motoren vom Typ 6L20 DF, die auf Flüssiggas und Diesel laufen. Sie treiben jeweils einen Generator an. Zwei weitere Gasmotoren von Mitsubishi dienen als Hilfsmotoren. Damit werden sowohl die Haupt- und Hilfsmotoren zur reinen Stromerzeugung verwendet und sind flexibel für den Fahr- und Hilfsbetrieb sowie den Hotelbetrieb einsetzbar.

Ursprünglich wurde die »Ostfriesland« von zwei MaK-6M332-Dieselmotoren mit einer Leistung von jeweils 1.000 kW angetrieben. Seit 1985 war sie, gebaut auf der Martin Jansen Schiffswerft und Maschinenfabrik in Leer, hauptsächlich zwischen Emden und Borkum unterwegs, damit in einem Gebiet, das zum Nationalpark Wattenmeer gehört.

Auf der Suche nach einer neuen Lösung, die zugleich mehr Komfort für die Fahrgäste, mehr Platz für Ladung, mehr Leistung in der Fahrt gegen die Tide, aber zugleich einen kleineren ökologischen Fußabdruck vereinte, kam die AG Ems zum Thema LNG.

Klaus Hirsch, technischer Inspektor der Reederei, ist früher auf einem Gastanker gefahren, hatte daher Kenntnisse in diesem Metier und sah in einem Unbau auf LNG-Technik den besten Weg.

Innerhalb der Initiative Mariko und im Verbund mit der niederländischen Stiftung »Energy Valley« sowie der nationalen LNG-Platform wurde das Thema intensiv beraten und diskutiert, auch vor dem Hintergrund einer möglichen Förderung durch die EU, die letztlich das Vorhaben mit gut 3Mio. € unterstützte. Die Förderung wurde aus dem TEN-T-Programm zum Bau und Ausbau der Verkehrsinfra­struktur im Rahmen des MoS II Programms (Motorways of the Seas) bereitgestellt. Insgesamt hat der Umbau der Fähre rund 13,5Mio. € gekostet.

»Wir wollten auch nicht mehr für weitere Jahrzehnte vom Mineralöl abhängig sein«, schob Bernhard Brons, Vorstand der AG »EMS«, während der Jungfernfahrt ein weiteres Argument nach. »Für uns kam das dann im Grunde einem Neubau gleich.«

Da allerdings zum Thema größere Nachhaltigkeit auch gehöre, mit Rohstoffen sparsam umzugehen, habe man sich wegen der absolut guten Substanz des Schiffes nicht für einen Neubau, sondern für einen Umbau entschieden. Während der Angebotsphase habe die zur Rönner-Gruppe gehörende Brenn- und Verformtechnik Bremen (BVT) das verlockende Angebot abgegeben, ein komplett neues Achterschiff zu bauen. Dadurch habe die Fähre länger im Einsatz bleiben können, die Werftzeit habe sich enorm verkürzt. Im Oktober 2013 gab der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies den Brennbeginn frei. Im April 2014 erfolgte für das Achterschiff die Kiellegung. Mitte September 2014 ging die »Ostfriesland« auf Kurs Bremerhaven. Dort wurde das alte Achterschiff abgetrennt und die Fähre mit dem neuen Heck ­»verheiratet«. Durch den Umbau verlängerte sie sich um 14,30m auf eine neue Länge über alles von 94,0m.

BVT-Geschäftsführer Thorsten Rönner bekannte vor den Gästen der Jungfernfahrt, dass es während der neunmonatigen Umbauzeit eine Vielzahl unerwarteter Herausforderungen für die BVT und die AG Ems gegeben habe: »Das haben wir völlig unterschätzt.« Dennoch habe man durchgehalten und das Ziel der Reederei, ein neumotorisiertes, vergrößertes und neu ausgestattetes Schiff zurück in den Liniendienst nehmen zu können, erreicht.

Wärtsilä-Motoren und Schottel-Props

Das komplett neue Maschinenkonzept der »Ostfriesland« setzt auf einem Diesel-Gas-elektrischen (Dual Fuel) Antrieb der Firma Wärtsilä Ship Power mit 360° drehbaren elektrischen Pods der Firma Schottel. Die zwei Doppel-Propelleranlagen sorgen für ein Höchstmaß an Manövrierfähigkeit und werden von zwei Wärt­silä-Motoren mit je 1.150 kW Leistung und nachgeschaltetem Generator mit Energie versorgt. »Wir setzen damit neue Maßstäbe im Bereich der Umweltfreundlichkeit«, erklärt Inspektor Hirsch. Es ist innerhalb der Europäischen Union überhaupt der erste Umbau einer Fähre von herkömmlichem Antrieb auf Flüssigerdgas. »Die Grenzwerte, die ab 2016 gelten, werden damit deutlich unterschritten und der Blaue Engel als Gütezeichen ist uns sicher«, freut sich Hirsch. LNG (Liquefied Natural Gas) ist Gas, das auf -162° C heruntergekühlt und dadurch in einen flüssigen Zustand versetzt wird. Es hat eine im Vergleich zu Schiffsdiesel deutlich bessere Umweltbilanz bei der Verbrennung, da es 20% weniger Kohlendioxid, 90 bis 95% weniger Stickoxide und Schwefeloxide sowie keinerlei Feinstaub produziert. An Bord der »Ostfriesland können 40m³ LNG gebunkert werden.

1 Million Liter Diesel weniger

Neben den Umweltaspekten sieht Hirsch auch die Verringerung des Energiebedarfes als großen Vorteil: »Wir gehen von einer 10 % kürzeren Fahrzeit aus und das bei einer Verringerung des Verbrauchs«. Durch die jährliche Menge des von Bomin Linde zu liefernden LNG-Kraftstoffs für die »Ostfriesland« kann die AG Ems mehr als 1 Mio. l Marinediesel sparen.

Neben dem innovativen Antriebskonzept macht sich die Verlängerung um 15m deutlich bemerkbar. Eine großzügige Vorhalle, viel Platz für Gepäck und gemütliche Sitzgelegenheiten verbessern den Reisekomfort für die maximal 1.200 Fahrgäste. Die größeren Salons erhielten ein neues Design: gestreifte Sitzbänke erinnern an Strandzelte, die Böden an feinen Sandstrand oder das Meer. Den achterlichen Salon ziert ein Triptychon der Borkumer Malerin Nicole Wenning. Es zeigt die Reise von Emder Ratsdelft nach Borkum. Ein besonderer Hingucker ist der »Wattenmeer-Salon«. Dieser Raum ist komplett neu entstanden und als Eltern-Kind-Bereich konzipiert. Im Fokus stehen hier Informationen und Spiele rund um das Wattenmeer in einer Atmosphäre, in der sich sowohl Eltern als auch Kinder wohlfühlen und für die eine Reise zum kurzweiligen Erlebnis wird. Allgemeiner Lieblingsplatz dürfte das großzügiger gewordene Sonnendeck werden. »Das wird unsere Gäste enorm begeistern«, vermutet Kapitän Bernd Ramm.


Hermann Garrelmann