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Die Freude des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch über die weltgrößte Luxusyacht währte nur kurz. Keine drei Jahre, nachdem Blohm + Voss die 162 m lange »Eclipse« fertiggestellt hatte, lieferte Lürssen die »Azzam« ab – bis heute mit 180 m das größte und teuerste Privatschiff der Welt
Die alte Rangordnung war wiederhergestellt, seit Jahren nahezu unangefochten angeführt von der Werftengruppe aus Bremen-Vegesack. Rund ein Drittel der[ds_preview] 100 größten Privatjachten weltweit stammt von Lürssen. Daran war in den frühen Anfangsjahren nicht zu denken.

Am 27. Juni 1875 eröffnete der damals erst 24-jährige Bootsbauer Friedrich Lürßen eine eigene kleine Werkstatt am Ufer der Weser in Bremens Norden. Er setzte zunächst auf den Bau kleiner, wendiger Boote. In den 1880er Jahren geriet die Werft erstmals in den Fokus der Öffentlichkeit mit dem Bau des Daimler-Bootes »Rems« – eines der drei weltweit ersten Motorboote. Wenige Jahre später zählte das Unternehmen bereits zu den führenden Werften Deutschlands.

Unter Otto Lürßen, dem Sohn Friedrichs, entwickelte sich die Werft zu einem innovativen Hersteller preisgekrönter Rennboote. Dazu zählte der 1911 getaufte Lürssen-Daimler, ein 102-PS-Benziner, der den »Preis der Côte d’Azur« und den »Grand Prix der Nationen« gewinnen konnte. Ein weiteres Sensationsmodell jener Zeit: das Rennboot Saurer-Lürssen, mit dem ein Geschwindigkeitsrekord von 32 kn aufgestellt und die inoffizielle Weltmeisterschaft, der »Prix de Monte Carlo«, gewonnen werden konnte.

Wenige Jahre später fertigte die Werft die ersten Motoryachten für den US-amerikanischen Markt und nahm die Entwicklung von Schnellbooten für die Marine auf, dessen Bau unter der Leitung von Gert und Fritz-Otto Lürßen ab den 1950er Jahren fortgesetzt wurde. Die Fertigung technisch anspruchsvollster Küstenwachboote und Schnellboote, Hilfs- und Versorgungsschiffe, Minenabwehrboote und Offshore-Patrouillenboote sowie Korvetten und Fregatten für die Deutsche Marine und den Export zählt bis heute zum Kerngeschäft der Fr. Lürssen Werft. Zuletzt war das Unternehmen in einer Arge am Bau der Korvetten K 130 und der Fregatten F 124 beteiligt und arbeitet einen Auftrag über rund 100 Patrouillenboote für Saudi-Arabien ab.

Ab Ende der 1980er Jahre fassten die vierte Eigentümer-Generation, die Cousins Friedrich und Peter Lürßen, den Entschluss, die Konstruktion und den Bau individueller Luxusyachten zu intensivieren und neben dem Marine-Schiffbau als zweites Geschäftsfeld zu etablieren. Mit Erfolg: Seither sind aus dem Hause Lürssen in Kooperation mit renommierten Designern zahlreiche Mega-Yachten vom Stapel gelaufen, darunter allein sechs Schiffe aus den Top 10 der weltweit größten Yachten. Zu den schiffbaulichen Meilensteinen zählen die »Rising Sun«, die Segelyacht »Eos« oder eben die »Azzam«. Zuletzt war es die 125 m lange und rund 20 m breite »Tatiana«, die unter dem Namen »Golden Odyssey« mit Heimathafen Hamilton auf den Bermudas in Fahrt kommen soll. Dem Vernehmen nach wird derzeit bereits an einer 200-m-Yacht gebaut.

Seit den Gründertagen hat die Werft insgesamt 13.000 Boote und Schiffe hergestellt. Mit ihren Standorten in Bremen-Vegesack, Lemwerder, Berne und Schacht-Audorf dominiert die Fr. Lürssen Werft heute den Weltmarkt für Superjachten.

Die Unternehmensgruppe umfasst außerdem weitere Standorte in Wilhelmshaven, Hamburg (Norderwerft) und Wolgast. Rund 1400 Mitarbeiter sind derzeit beschäftigt, rund 600 bis 700 Mio. € setzt die Lürssen-Gruppe seit 2010 im Schnitt jährlich um.

Über die Unternehmensstrategie für die kommenden Jahre sprach die HANSA mit Klaus Borgschulte, Geschäftsführer der Fr. Lürssen Werft.

Welche Aufgabenteilung gibt es zwischen den einzelnen Standorten der Gruppe?

Klaus Borgschulte: Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen unseren Neubauwerften in Bremen, Rendsburg und Wolgast und unseren Reparatur-Werften in Hamburg und Wilhelmshaven. Wir legen dabei großen Wert auf eine verantwortliche Führung an jedem unserer fünf Standorte. Als Unternehmensgruppe mit insgesamt sieben hochspezialisierten Werften setzen wir zugleich auf eine sinnvolle Integration zwischen unseren Standorten, um Werft-Kapazitäten effizient auszulasten und operative Synergieeffekte optimal nutzen zu können.

Wie steht es um die Auslastung? Gibt es Veränderungen im Profil der Standorte – bei Yachten, im Marineschiffbau oder in der Vorfertigung?

Borgschulte: Hanseatisch zurückhaltend formuliert, haben wir hinsichtlich unserer Auftragslage derzeit keinen Grund zur Klage. Die Profile der jeweiligen Standorte sind grundsätzlich unverändert – wir konzentrieren uns auf die Verbesserung unserer jeweiligen Stärken.

Welche Rolle spielt die Norderwerft? Haben sich die Erwartungen erfüllt?

Borgschulte: Die Norderwerft verfügt wie unser Standort in Wilhelmshaven über ein hochwertiges und leistungsfähiges Portfolio in den Bereichen Reparatur, Instandsetzung und Wartung unterschiedlichster Schiffsklassen mit dem Schwerpunkt Handelsschiffe und Marine-Einheiten. Zugleich hat die Norderwerft im vergangenen Sommer mit der »Rising Sun« ihren ersten Yacht-Refit erfolgreich abgeschlossen. Wir sehen darin eine optimale Ergänzung zum Leistungsspektrum der Norderwerft und einen wichtigen Baustein zur Auslastung des Werftbetriebs.

Bleibt der Bau von Mega-Yachten angesichts schrumpfender Militär-Budgets in Europa künftig das Hauptgeschäft?

Borgschulte: Wir haben bereits Ende der 1980er Jahre die strategische Entscheidung getroffen, in den damals noch jungen Markt größerer Yachten einzusteigen und neben dem Neubau von Marine-Einheiten ein zusätzliches Standbein aufzubauen. Auch dank dieser frühzeitigen Diversifizierung unseres Portfolios haben wir unsere Werften auf Kurs halten und Arbeitsplätze sichern können. Aber auch in Zukunft werden beide Geschäftsbereiche für uns von strategischer Bedeutung sein.

Wie kann/will sich die Lürssen-Gruppe gegen die Konkurrenz in diesem Segment behaupten? Auch Blohm + Voss will den Bereich Megayachten zum neuen Kerngeschäft ausbauen …

Borgschulte: Wir haben uns schon immer einem Wettbewerb mit anderen Werften stellen müssen. Unsere Kunden erwarten von uns absolut präzise Maßarbeit, höchste Qualität und eine hohe Termintreue für die Realisierung ihrer individuellen Wünsche. Als Familienunternehmen mit 140-jähriger Schiffbauerfahrung, hochqualifizierten Mitarbeitern und einer engen Einbindung des Kunden in den laufenden Entwicklungsprozess bieten wir dazu die optimalen Voraussetzungen. Neben Leistung und Qualität setzen wir auf innovative Lösungen, etwa in den Bereichen Elektronik oder im Einsatz innovativer Technologien zum Beispiel zur Vermeidung von CO2 und anderer Emissionen. Unsere Unternehmensgruppe verfügt über ein weltweit geschätztes »Branding«, das wir kontinuierlich stärken. Wir sind heute in diesem Markt ohne Zweifel Marktführer und arbeiten permanent weiter daran, diesen Vorsprung auszubauen.

Rechnen Sie mit neuen Käufergruppen, zum Beispiel aus Asien?

Borgschulte: Der asiatische Markt, von dem vielfach die Rede ist, existiert noch nicht wirklich. Wir spüren aber, dass die Nachfrage auf dem US-Markt, der seit 2008 nahezu zum Erliegen kam, wieder zunimmt.

Als Auftrag der Bundesmarine steht demnächst das Projekt der Mehrzweckschiffe MKS 180 an. Wird sich Lürssen darum bemühen? Wie stark schätzen Sie den Wettbewerb aus dem Ausland ein?

Borgschulte: Gemeinsam mit ThyssenKrupp Marine Systems werden wir uns als Arbeitsgemeinschaft MKS 180, zu der wir uns für dieses Vorhaben zusammengeschlossen haben, an der Ausschreibung beteiligen. Wie sich der Wettbewerb entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Welche Investitionen an welchen Standorten sind geplant?

Borgschulte: In unserem Geschäft muss man permanent investieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. So haben wir zum Beispiel unmittelbar nach der Übernahme der Peene-Werft in Wolgast im Jahr 2013 unsere östlichste Werft unter anderem mit neuen Fertigungsanlagen sowie einem, an einem besseren Materialfluss orientierten Fertigungslayout optimiert. Aktuell bauen wir dort zusätzlich eine innovative »Fließfertigung« auf und investieren in eine deutliche Verbesserung der Energiebilanz. In den Jahren 2012 bis 2014 haben wir die Werft-Kapazitäten unserer Rendsburger Werft erweitert, aktuell lassen wir eines der beiden Schwimmdocks der Lürssen-Kröger-Werft ertüchtigen und die Traglast erhöhen. In den vergangenen Jahren haben wir an unserem Bremer Standort, wozu die Weften in Lemwerder, Berne und Vegesack zählen, in die Erweiterung der Fertigungsfähigkeiten und -anlagen, unter anderem in neue Fertigungshallen, investiert. Darüber hinaus modernisieren wir schrittweise die Werftanlagen auf der Neuen Jadewerft in Wilhelmshaven und auf der Norderwerft.

Die Lürssen-Gruppe ist in den vergangenen Jahren gewachsen und ist heute die zweitgrößte Werftengruppe in Deutschland. Andere Traditionsstandorte wurden zusammengelegt und haben neue Eigner, etwa in Kiel. Wird der Konsolidierungsprozess anhalten – und richten Sie Ihre Blicke mittlerweile auch schon ins Ausland?

Borgschulte: Ob der Konsolidierungsprozess innerhalb unserer Branche anhalten wird, ist schwer vorherzusagen und von vielerlei Faktoren abhängig. Wir sehen uns mit unseren fünf hochspezialisierten Werft-Standorten gut aufgestellt und verfolgen aktuell keine weiteren Übernahmepläne. Sollte sich aber die Gelegenheit ergeben und zu unseren strategischen Planungen passen, sind weitere Zukäufe nicht ausgeschlossen.

Das Unternehmen war immer in Familienhand. Steht auch die fünfte Generation schon in den Startlöchern?

Borgschulte: Der weltweite Erfolg unserer Unternehmensgruppe ist auch der Erfolg eines über Generationen weitgehend organisch gewachsenen Familienunternehmens, dessen Unternehmenskultur auf Nachhaltigkeit, Solidität und auf Verantwortung für die Mitarbeiter und die Region ausgerichtet ist. Auch unsere Kunden schätzen unsere familiären Strukturen, die mit der fünften Generation, die bereits durch ein Familienmitglied im Unternehmen vertreten ist, fortgeführt werden sollen.

Interview Krischan Förster


Krischan Förster