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Dass die »maritimen« Kanzleien sich derzeit viel mit Konsolidierung von Reedereien beschäftigen ist keine Überraschung. Doch das Tätigkeits­

feld ist angesichts der Offshore- und Schiffsbetriebs-Trends dieser Tage größer. Die Herausforderungen für die Branche seien vielfältig, heißt es.
Ob man es nun Konsolidierung, Sanierung oder Restrukturierung nennt – die deutsche Flotte befindet sich infolge der großen Schwierigkeiten in einem[ds_preview] großen Umwandlungsprozess. Viele Reeder und Kapitalgeber haben schwer mit der Krise zu kämpfen. Nach Ansicht der mit der Betreuung vom Betroffenen beschäftigten Anwaltskanzleien dürfte dieser Zustand noch einige Zeit andauern.

Sanierung & Internationalisierung

In der Krise einigen sich Banken und Reeder nach Angaben von Doris Kostka aus der Kanzlei Dr. Schackow & Partner auf neue Bedingungen für die Fortführung notleidender Kredite – beispielsweise auf »PAYE«-Basis (Pay-as-you-earn) mit großen »Ballons« am Ende der Laufzeit. »Nicht zu vernachlässigen sind dabei auch Fragen des – häufig internationalen – Insolvenzrechts: Inwieweit kann/darf eine Bank ihre Kunden unterstützen ohne sich dabei selbst Haftungs- oder strafrechtlichen Risiken auszusetzen? Welche Zustimmungserfordernisse sind zu beachten?«, so die Juristin. Im Hinblick auf die bereits zu Beginn der Krise häufig gewährten »Seller´s Credits« sähen sich Reeder zudem häufig nicht nur den Ansprüchen ihrer Banken, sondern auch den noch offenen Forderungen der meist asiatischen Werften ausgesetzt. Eine Herausforderung ist ihrer Meinung nach, dass Restrukturierungen in vielen Fällen nur vorläufige Lösungen bieten können: »PAYE-Strukturen mit großen Ballons ermöglichen den Reedern, ihre Schiffe die nächsten Jahre günstiger anbieten zu können. Wird bis zum Ende der Laufzeit keine nachhaltige Lösung gefunden, beziehungsweise tritt bis dahin keine nachhaltige Erholung der Charterraten ein, wird in einigen Jahren die nächste Welle von Notverkäufen und Insolvenzen drohen«, sagt Kostka.

»Wir werden uns weiterhin stark im Bereich der Restrukturierung von Schiffsgesellschaften engagieren«, sagt auch Jan-Erik Pötschke von Ahlers & Vogel. Dazu zählt zunehmend auch die Abwehr von Prospekthaftungsklagen. Ähnlich sieht man es bei Blaum Dettmers Rabstein. Eines der Tätigkeitsfelder der Kanzlei ist die Rückforderung von Ausschüttungen, die trotz gerichtlicher Urteile möglich sei. Man beobachte zudem »eine steigende Anzahl von Privatinsolvenzen, da persönliche Bürgschaften und Garantien von den Sicherungsgebern nicht mehr bedient werden konnten«, so Daja Böhlhoff.

Unter Juristen gibt es die weit verbreitete Meinung, dass die Konsolidierung der deutschen Flotte insofern sehr eng mit einer Internationalisierung zusammenhängt, als dass man auf ausländische Kapitalgeber oder Partner angewiesen ist. Der Verkauf diverser Fondsschiffe in den ausländischen Markt ist dabei noch die »leichteste« Form. »Die Sanierungsberatung für Reedereien wird sich – noch stärker als bisher – weiter internationalisieren«, meint Julian Kubilay Falkenberg vom Falkenberg Law Office. Bei der Kanzlei Norton Rose Fulbright sieht man das ähnlich; internationale Joint Ventures oder die Finanzierung über internationale Kapitalmärkte mit den entsprechenden rechtlichen Anforderungen bedürften eingehender Beratung. »Mittelfristig werden sich im deutschen Schiffsfinanzierungsmarkt Debt-Fund-Modelle als neue Quelle etablieren. Langfristig wird auch der Retailfonds im neuen regulatorischen Gewand wiederkommen«, sagt Ludger C Verfürth. »Der Konsolidierungsprozess wird sich fortsetzen. Eine starke Eigenkapitalbasis ist erforderlich«, so sein Kollege Timo Noftz.

Die Suche nach internationalen Kapitalgebern beschäftigt die Branche. »Nach wie vor die größte Herausforderung für den Schifffahrtsstandort Deutschland besteht darin, strategische Investoren zur Deckung des Liquiditätsbedarfs und zur Überbrückung der Krise zu akquirieren«, meint Axel Salander aus der Kanzlei Fleet Hamburg. Wie viele Experten gehen auch die Anwälte davon aus, dass deutsche Schifffahrtsunternehmen zum Teil noch einige Anstrengungen unternehmen müssen, um für die internationalen Märkte gerüstet beziehungsweise attraktiv sein zu können.

Für Oliver Rossbach aus der erst vor wenigen Monaten gegründeten Kanzlei Pier 11 gehört zu den größten Herausforderungen, gestärkt und zukunftsfähig aus der Krise zu kommen. Dazu müssten allerdings strukturelle Reformen noch entschiedener als bisher vorangetrieben werden, um attraktiver für neue Financiers zu werden. »Wir unterstützen Unternehmen darin, jede Herausforderung als Chance zu begreifen und aus anstehenden Veränderungsprozessen als Gewinner hervorzugehen«, so Rossbach. Jan-Erik Pötschke sieht ebenfalls eine fortgesetzte Entwicklung darin, dass sich Schifffahrtsunternehmen vermehrt umfangreichen Berichtspflichten und Benchmarking gegenüber institutionellen Investoren ausgesetzt sehen werden, »die wiederum deutlich andere Mitspracherechte erwarten, als dies deutsche Akteure in der Vergangenheit gewohnt waren«. Mehr aus juristischer denn aus ökonomischer Sicht stellen für ihn in naher Zukunft Zusammenschlüsse eine Herausforderung dar.

Banken

Doch nicht nur die Reeder, auch Banken stehen nach wie vor vor großen Aufgaben. »Für sie ist es eine Herausforderung, die Altlasten so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und das Schiffsfinanzierungsgeschäft als lohnendes Geschäftsfeld wiederzuentdecken, ohne vergangene Fehler zu wiederholen«, meint Rossbach. Darüber hinaus gibt es auch gewisse Erwartungen an die Banken. »Weitaus wichtiger als eine schlichte Erleichterung von Finanzierungsbedingungen ist ein nachhaltiger, wertschonender und verständiger Umgang in der Kreditbeziehung zwischen Bank und Reeder, damit die Schifffahrt in Deutschland überleben und sich weiterentwickeln kann«, sagt Julian Kubilay Falkenberg.

Um zu einer Partnerschaft zu kommen, müssen die verschiedenen Parteien an einen Tisch und auf einen – wie auch immer ausgeprägten – Nenner gebracht werden. Die Kanzlei Ehlermann Rindfleisch Gadow berät etwa sowohl Banken bei Restrukturierungen von bestehenden und neuen Schiffsfinanzierungen als auch alternative Kapitalgeber aus den Bereichen Private Equity/Hedge Fonds beim Ankauf von Darlehen oder Schiffen sowie beim Eingehen von Joint Ventures. Auch Insolvenzverwalter gehören im Rahmen von Schiffsverkäufen zur Klientel. Das Ziel beziehungsweise die größte Herausforderung der nahen Zukunft ist laut Stefan Rindfleisch klar: Der Erhalt bzw. die Konsolidierung des Schifffahrtsstandortes Deutschland.

Ähnlich argumentiert Nicolaus Ascherfeld von Allan & Overy: »Bei der Veräußerung notleidender Kredite müssen Renditeerwartungen der Investoren und die Preisvorstellungen der veräußernden Banken in Einklang gebracht werden.« Der Einstieg von Finanzinvestoren – insbesondere auf der Secondhand-Seite – müsse vorangetrieben werden, um relevante Volumina zu erreichen. Von einigen Banken erwartet er Verkäufe »größerer« Darlehensportfolios. Nach Meinung von Ascherfeld müssten die Schifffahrtsunternehmen zwar einerseits neue Kapitalpartner suchen. Für Akteure aus dem Bereich Private Equity hingegen werde es andererseits wichtig sein, attraktive Ziele zu finden, in einzelnen Fällen allerdings auch den Ausstieg aus Joint Ventures zu strukturieren.

Einen besonderen Fokus auf Schiffsbanken legt die Hamburger Dependance von Watson Farley & Williams – allerdings gehört auch die Beratung der Kapitalgeber zum Portfolio. Zuletzt unterstützte das Team um Maren Brandes und Clemens Hillmer sowohl Banken beim Verkauf beziehungsweise der Tranchierung als auch Private-Equity-Investoren beim Ankauf von Darlehensportfolios. Die Umstrukturierung werde sich fortsetzen. »Banken und Investoren werden sich komplexerer Strukturen bedienen, die insbesondere den steigenden regulatorischen Anforderungen genügen müssen. Instrumente des Kapitalmarkts werden in der Schifffahrt eine immer größere Rolle spielen«, so die Anwälte.

Green Shipping & Cyber-Gefahren

Zunehmend wichtig für Kanzleien wird die Beratung bezüglich »green shipping« und umweltfreundlicheren Technologien. »Die Notwendigkeit ist im Bewusstsein der Reeder angekommen. Erforderlich ist die Erweiterung des Blickfeldes auf Entwicklungs- und Schwellenländer«, sagt Axel Henriksen von Blaum Dettmers Rabstein. Für Jan-Erik Pötschke von Ahlers & Vogel gehört die Weiterentwicklung alternativer Antriebssysteme sogar zu den größten Herausforderungen: »Es zeigt sich, dass auch Innovation im Bereich der Schifffahrt, einem traditionell sehr konservativ geprägten Geschäftsfeld, zunehmend Früchte trägt. Die Verbreiterung von Containerschiffen sowie die Umstellung auf LNG als Alternativkraftstoff belegen dies.« Ähnlich die Erwartung bei Fleet Hamburg: »Angesichts der zunehmend prominenten Rolle des englischen Rechts gehen wir davon aus, dass unsere englischrechtliche Praxis weiter gestärkt werden wird. Green Shipping und Marine Engineering werden dabei eine herausragende Rolle spielen«, sagt Axel Salander.

In der Kanzlei Dabelstein & Passehl, die wie viele andere auch einen Schwerpunkt in der Finanzierung und Umstrukturierung von Schiffen oder Flotten hat, sieht man eine weitere Herausforderung in der zunehmenden Digitalisierung. »Aus unserer Sicht gehören zu den relevanten Bereichen der nahen Zukunft auch Haftungsfragen in Bezug auf eine ›Cyber-Herausforderung‹, die unbemannte Schifffahrt sowie die Konnektivität zwischen den Transportbeteiligten und deren Schnittstellenproblematik«, sagt Jan Dreyer. Bei Dr. Schackow & Partner sieht man in letzter Zeit vermehrt Betrugsfälle in Zusammenhang mit Stückgut- und Charterverträgen, bei denen Cyber-Attacken auf EDV-Anlagen von Schifffahrtsunternehmen und deren Agenturen eine Rolle spielen können.

Havarien

Mit immer mehr sehr umfangreichen Auseinandersetzungen gehen Streitfälle um Havarien und Großschadensfälle einher. Heinrich-Werner Goltz von der Kanzlei Lebuhn & Puchta konstatiert: »Bei stetig zunehmenden Schiffsgrößen im Container-, Fähr- und Kreuzfahrtsegment wird sich der Trend fortsetzen, dass in Schadensfällen sehr komplexe haftungs- und versicherungsrechtliche Großschadensfälle bewältigt werden müssen«. Allgemein bekannte Beispiele seien etwa die Havarien der Schiffe »Costa Concordia«, »MSC Flaminia«, »Norman Atlantic« oder »MOL Comfort«. Im Fall dieses Containerfrachters war unter anderem auch Dabelstein & Passehl auf verschiedenen Ebenen stark involviert, sowohl auf Ladungs- als auch auf Versicherungsebene.

Offshore

Entsprechend des Wachstums der Offshore-Wind-Industrie gewinnt dieses Thema unter Juristen an Bedeutung – unter anderem wegen Fragestellungen für die vielfältig anfallenden Dienstleistungen beim Bau und Betrieb von Windparks. Nach Meinung von Heinrich-Werner Goltz dürfte dies in Zukunft andauern. Neben der Kanzlei Fleet Hamburg, die in der Beratung von Eignern und Charterern sowie Zulieferern und Dienstleistern für Windparks tätig ist, beschäftigen sich auch die Juristen von Dr. Schackow & Partner mit der Thematik – vor allem mit dem Bau großer Umspann-Plattformen. »Hier haben die Lernkurven der Windpark-Errichter und die dramatischen Verluste der Generalunternehmer für den Bau der Plattformen in der Vergangenheit zu einem heute zwar verständlichen, aber für die Werften kaum erträglichen Wechsel in der Geschäftspolitik geführt«, berichtet Julius Drumm. Einige der großen Hersteller von Umspannanlagen verweigern sich demnach, weiter als Generalunternehmer tätig zu sein. Die Werften als Stahlbauer würden in die Generalunternehmereigenschaft gedrängt. Drumm weiter: »Wird dies akzeptiert, übernehmen Sie damit gegenüber dem Errichter sämtliche Risiken der technisch sehr komplexen Umspannanlagen, ohne selbst diese Risiken beherrschen zu können. In den ebenfalls sehr ausführlichen Vertragswerken sind sie gezwungen, Haftung und Vertragsstrafen insbesondere gerade auch bei Verspätung zu akzeptieren und haben dann Mühe, die Haftungsrisiken und Vertragsstrafen vollumfänglich oder zum großen Teil auf den ggf. hierfür verantwortlichen Subunternehmer der die elektrische Umspannanlage in die Plattform einbaut, weiterzugeben.«


Michael Meyer