Wie lang ist der arabische Atem?

Die Ölbranche und die maritime Wirtschaft – es ist eine Hassliebe und nicht selten eine Ehe wider Willen. Die fallenden Rohstoff[ds_preview]-Preise führen zu geringeren Bunkerkosten, für die Schifffahrt wirkt das wie eine schmerzlindernde Salbe. Nimmt man die Ergebnisse der jüngsten Opec-Sitzung, dürfte die heilende Wirkung noch länger anhalten. Entscheidend ist dabei, wie lange Länder wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate den Verlockungen gekürzter Fördermengen, also höheren Preisen, widerstehen können – und wollen.

So ließen die Entscheidungsträger der arabischen Exportländer nach ihrem Treffen in Wien verlauten, dass man gar nicht daran denke, die Fördermenge von bisher 30Mio. Barrel pro Tag zu erhöhen – auch wenn andere Mitglieder wie Venezuela darauf drängten, weil ihre Wirtschaft, am Ende sogar das ganze Staatsgefüge unter dem Einfluss der schrumpfenden Einnahmen kollabieren könnte.

Saudi-Arabien will dagegen mit Unterstützung der Emirate die Fracking-Industrie in Nordamerika austrocknen, die sich nur ab einem bestimmten Ölpreis rechnet, Iran erhofft sich nach Aufhebung der Sanktionen einen Exportboom.

Für künftige Bunkerkosten ein gutes Zeichen. Des einen Freud ist jedoch mal wieder des anderen Leid: Hart getroffen sind nicht zuletzt die Zulieferer, die auf neue Schiffe, Instandhaltungs- und Optimierungsmaßnahmen angewiesen sind. Sie hatten sich vermehrt in die vor gar nicht allzu langer Zeit stetig wachsende Offshore-Öl- und -Gas-Industrie geflüchtet. Doch dieser Goldesel gibt mittlerweile keine Taler mehr – der eingebrochene Ölpreis lässt in Form vielfach gestoppter Investitionen in Förderprojekte grüßen. Auch für Investitionen in alternative Energien und »Green Shipping«-Projekte fehlt bei derart niedrigen Bunkerkosten an vielen Stellen die Motivation.

Sehnlichst wird daher ein Schwenk der arabischen Opec-Staaten einerseits sowie der Nicht-Mitglieder wie USA, Russland und Kanada andererseits erwartet. Wann werden die Hähne zugedreht, der Ölfluss eingedämmt? Was für die Reeder zu höheren Kosten führen würde, wäre für die Offshore- und die Zulieferindustrie ein Segen.

Vor Mitte des Jahres sei mit einer offiziellen Erhöhung der Fördermenge nicht zu rechnen, heißt es aus der Opec. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass das Gremium aus politischen Erwägungen eine Volte schlägt und am Ende doch alles anders kommt. Neben den großen Lagerbeständen drückt auch auf den Ölpreis, dass die vereinbarte Obergrenze ohnehin nicht eingehalten wird. Das tatsächliche Fördervolumen soll bei 31,5Mio. Barrel liegen. Das bedeutet ein tägliches (!) Überangebot von 700.000 Barrel.

Die Branche wird sich damit abfinden müssen, dass ihre Geschäfte dem Einfluss arabischer Entscheidungen mehr oder minder stark unterworfen sind. Wie lang der Atem in Riad, Kuweit oder Abu Dhabi tatsächlich reicht, muss sich dann zeigen.

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Michael Meyer