Effizienz ist zum bedeutenden Thema in der Schifffahrt geworden und mit ihr auch die technischen Möglichkeiten von Sensorik und Automatisierung. Führt dieser Weg zum unbemannten Schiff?
Sensortechnik wird in der Schifffahrt verstärkt zum Condition Monitoring eingesetzt, um den Zustand von Komponenten zu überwachen – an Stellen, die[ds_preview] für Ingenieure oft unerreichbar sind. Die Sensoren liefern in Echtzeit und rund um die Uhr. So kann einerseits Schäden vorgebeugt werden, andererseits können die Lebenszeit von Bauteilen verlängert und Wartungsintervalle optimiert werden. Ob Vibrationen am Propeller, Verschleiß an Zylindern oder die Qualität von Schmierstoffen, alles lässt sich erfassen. Fouling gehört ebenfalls zu den Bereichen, die automatisiert überwacht werden können, um den besten Zeitpunkt für die Fahrt ins Dock zu bestimmen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Schiff muss nicht aus dem Wasser, damit der Propeller geprüft werden kann, die Maschine muss nicht auseinandergenommen werden, um sie nach Schäden absuchen zu können. Die automatische Weiterverarbeitung der Daten erspart der Crew an Bord das Führen handschriftlicher Listen. Die Daten können in Echtzeit z. B. an den Hersteller oder Techniker an Land übermittelt werden, die Hilfestellung bei Diagnose und Reparatur geben oder die Wartung planen können.
Die Sensoren werden nicht nur zur Überwachung der Funktionalität eingesetzt, sondern auch, um Echtzeitdaten aus dem Betrieb einzelner Komponenten und ganzer Systeme oder Schiffe zu gewinnen. Diese können dann wiederum genutzt werden, um den Schiffsbetrieb insgesamt effizienter zu gestalten. Verbunden mit Wetterdaten und Seeganginformationen lässt sich durch die Messung bzw. Optimierung von Trim, Geschwindigkeit, Propellereinstellung, Drehmoment und Vibrationen unnötiger Kraftstoffverbrauch vermeiden. Durch die Einbindung moderner Ballastwasser- und Bunkermanagementsysteme lassen sich weitere Potenziale heben.
Bisher werden die Sensordaten hauptsächlich- als Entscheidungshilfe an Bord oder für Remote Support genutzt. Werden die Prozesse automatisiert, d. h. nutzt das System die Daten, um sich selbständig zu regulieren, ließe sich auch der Mensch als Quelle von Zeitverzögerungen, Ungenauigkeiten oder Fehlern ausschließen. So zumindest das Argument vieler Befürworter. Laut dem niederländischen Maritime Research Institute MARIN gibt es bei Schwesterschiffen, die unter den gleichen Bedingungen fahren, Unterschiede im Bereich von 10% beim Treibstoffverbrauch. Das soll sich anhand von Daten nachvollziehen und vermeiden lassen.
Fleet Performance
Noch größere Sparpotenziale lassen sich heben, wendet man die betriebliche Optimierung auf Flottenebene an. Mit der Onboard-Optimierung lassen sich recht schnell Erfolge erzielen. Um diese jedoch quantifizieren zu können, braucht es eine Basis aus verifizierbaren Daten. Um diese zu gewinnen, müssen mehrere Schiffe betrachtet werden. Das kann nur eine landbasierte Stelle leisten, bei der die Daten zusammenlaufen, ausgewertet und genutzt werden. Und es müssen möglichst viele Schiffe möglichst umfassende Daten liefern.
Was das selbst bei Auswertung des klassischen Noon Reports bringen kann, zeigen z. B. die Erfolge, die Hapag-Lloyd mit seinem Fleet Support Center verzeichnet. Wettervorhersagen, Geschwindigkeits-, Verbrauchs- und Fahrplandaten werden abgeglichen und Empfehlungen an die Crew ausgesprochen. In Abstimmung mit aktuellen Daten von anderen Schiffen, Häfen und Terminals lassen sich Verspätungen abfedern oder zu frühes Ankommen und übermäßiger Kraftstoffverbrauch vermeiden. Bei den neuesten Flottenzugängen geht man bei den Hamburgern nun versuchsweise »bis an die Schalttafel«. So kann man die Daten direkt an der Quelle abgreifen. Damit die Instrumente für Condition und Performance Monitoring in vollem Umfang genutzt werden können, ist eine gute Systemintegration nötig. Je besser Hardware und Software auf dem ganzen Schiff kompatibel sind, umso besser sind auch die gemessenen Daten zu verwerten. Unternehmen mit umfassenden Produktportfolios wie Rolls-Royce oder ABB bieten schon heute integrierte Lösungen an, d. h. Antriebe, Energiemanagement, Steuerung, Navigation oder Decksausrüstung kommen aus einem Haus. Kombiniert mit einem eigenen Energie Management System ergeben sich weitere Möglichleiten. 2015 stellte Rolls-Royce Konzepte für mehrere kleine Kreuzfahrschiffe vor, die bereits als voll integrierte Systeme entworfen wurden. Das spart auch Entwicklungskosten der Werft. Seit kurzem bietet z. B. auch Wärtsilä eine umfassende Lösung an, die bei einer optimierten Installation ansetzt und neben Condition Monitoring das Energiemanagement und die dynamische Reiseplanung ganzer Flotten einschließt.
Remote Control
Geht es nach den Automatisierungsexperten, ist es vom Management aus der Ferne nur noch ein kleiner Schritt zu Remote Control. Technisch ist es möglich, ferngesteuert einzugreifen. Von der Fernsteuerung verspricht man sich bei Rolls-Royce, die hier eine der treibenden Kräfte sind, neben der Reduktion der Personalkosten weniger Widerstand und Gewicht, da Brücke und Crew-Unterbringung wegfallen. Das gibt wiederum Platz für Ladung frei.
Dann treten jedoch noch ganz andere Fragen in den Vordergrund: Was passiert bei schlechtem Wetter, wie geht man mit schwierigen oder vielbefahrenen Gewässern und Häfen um, mit begegnenden Schiffen aus dem letzten Jahrtausend? Die Vision vom vollautomatisierten oder unbemannten Schiff wirft noch viele Fragen auf. Dagegen sollte man den Vorteilen intelligenter Systeme in der Schifffahrt gegenüber aufgeschlossen sein.
Felix Selzer