Die Crux mit der Nachfrage

Anfang Juni finden der große »CIMAC«-Kongress zur Antriebstechnologie sowie die »Posidonia« in Griechenland statt. Neben vielen weiteren Reeder- und[ds_preview] Industriekonferenzen nur ein Aufgalopp zur großen SMM im September. All diese Veranstaltungen haben gemeinsam, dass dort Akteure der maritimen Wirtschaft zusammenkommen, um sich auszutauschen.

Klingt alles nicht wirklich hochaktuell? Sehen wir auch so. Warum wir es dennoch hier auflisten? Weil sich ansonsten derzeit wenig tut, eher wird viel geredet – aber eben oft nicht viel mehr. Abgesehen von diversen Kooperationsprojekten oder Übernahmen. Darum geht es jedoch nicht (nur). Die gesamte maritime Industrie, also Reeder, Zulieferer, Werften und Dienstleister, eint die Abhängigkeit vom alles entscheidenden Faktor: der Nachfrage nach Seetransporten und darauf folgend der Nachfrage nach maritimen Technologien und Dienstleistungen. Und an genau dieser Stelle hapert es.

Neue Allianzen in der Linienschifffahrt etwa sind kein Quantensprung für das tiefer liegende Marktproblem. Es sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Symptomen, kein grundlegendes Heilmittel. Natürlich müssten Eigner ihre Flotten reduzieren. Dass damit ein ausreichend effektives Volumen erzielt werden kann, ist jedoch nicht nur aufgrund wahrscheinlicher Trittbrettfahrereffekte äußerst unrealistisch. Das eigentliche Problem nämlich bleibt bestehen.

Noch leben die (meisten) Patienten, aber sie leiden weiter, weil das Grundübel fortbesteht. Es fehlt an Nachfrage. Es gibt derzeit keine wirksame Medizin, oder aber die Akteure weigern sich die bittere Pille zu schlucken, da sie eben krasse Nebenwirkungen hat: das Risiko eines Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit, sobald der Markt wieder anzieht. Das klassische Gefangenen-Dilemma bewegt Viele dazu, die eigene Flotte so modern wie möglich aufzustellen.

Dabei bleibt es ein Vabanque-Spiel, auf eine künftig stärkere Nachfrage zu setzen. Glaubt man Analysten wie Christopher Rex von Danish Ship Finance werden Faktoren wie die zunehmende Urbanisierung, eine vierte industrielle Revolution und der demographische Wandel mittel- und langfristig zu größeren Verwerfungen in den globalen Transportketten führen – mit einem Wiedererstarken regionaler Verkehre und insgesamt geringeren Wachstumsraten.

Es bleibt bei dem bekannten Mechanismus. Wirklich vorwerfen kann man es all jenen nicht, die wie auch immer die Gunst der Stunde nutzen. Das ist das freie Spiel der Kräfte in einem globalen Markt, das auch in der Schifffahrt waltet.

Welche Regionen, Akteure oder Segmente künftige Heilsbringer sein könnten, ist unklar. Das rasante – mittlerweile jedoch abgekühlte Wachstum in China, jahrelang stärkste Triebfeder für die traumhafte Entwicklung des globalen Seeverkehrs, gilt inzwischen als ein historisches Momentum, das sich in diesem Ausmaß in anderen Regionen wohl kaum wiederholen wird.

Weil global-ordnungspolitische Maßnahmen aufgrund der Vielzahl nationaler und regionaler Interessen nicht zu erwarten sind, bleibt es dem Markt überlassen, für eine Selbstreinigung des Wettbewerbs zu sorgen. Innovative Ideen dürften dabei wesentliche Erfolgsfaktoren sein. Ohne Gesprächs- und Verhandlungsforen geht es also nicht. Casus Knacksus aber bleibt die Nachfrage. Ohne den erhofften Aufschwung laufen alle Bemühungen ins Leere.

Viel Spaß beim Lesen wünscht


Michael Meyer