Nicht nur, aber auch wegen der schweren Havarie der »Costa Concordia« verstärkt die Carnival-Gruppe ihre Sicherheitsanstrengungen. Die Basis dafür ist das neue Fleet Operations Center in Hamburg
Die zentrale Einheit ist 24 Stunden und sieben Tage pro Woche besetzt. Von hier aus überwachen jeweils mindestens zwei Mitarbeiter[ds_preview] die 26 Kreuzfahrtschiffe der Costa-Gruppe, zu der auch die Reederei AIDA gehört, und die wiederum eine Tochter des US-amerikanischen Carnival-Konzerns ist. »Sie sind Ansprechpartner für die Schiffe und sollen sowohl auf Vorfälle schnell reagieren als auch mögliche Probleme proaktiv verhindern«, sagt Jörgen Strandberg, Director Fleet Operations Center in der neu aufgestellten »Marine Operations Unit« von Carnival Maritime.

Das FOC ist jedoch kein einfaches Callcenter. Die Mitarbeiter sind allesamt Experten, Einstellungsvoraussetzung ist eine nautische Ausbildung und eine gewisse Erfahrung auf See, im Idealfall als Kapitän oder Offizier auf einem Kreuzfahrt-, RoRo- oder Fährschiff. Bei ihnen laufen die »Fäden« zusammen, genauer gesagt die Informationen von Sensoren an Bord, Wettervorhersage- und AIS-Tools sowie Flotten- und Routenplänen der Reedereien. Die Nautiker können so die Schiffe in Echtzeit verfolgen, den Kurs, Wassertiefen oder den Verkehr beobachten. Zusätzlich liefert eine Webcam auf der Brücke den gleichen Blick, wie ihn die Schiffsführung auch hat. Kommt ein Notruf von Bord, klassifizieren die Mitarbeiter den Vorfall und ziehen bei Bedarf medizinische, nautische oder Sicherheits-Experten hinzu.

Mithilfe der auf den Bildschirmen angezeigten Positionsdaten können die Experten beispielsweise erkennen, wenn ein Schiff seine vorher festgelegte Route bzw. den Fahrtkorridor verlässt. Wird dies nicht korrigiert, nimmt das FOC Kontakt zum Kapitän auf, um die Sachlage zu klären. Die Ursache kann im harmlosen Fall das Ausweichen eines kreuzenden Fahrzeugs sein. Sollten die Probleme aber größer sein, wird eine Alternativroute erarbeitet. Gleiches gilt für den Fall, dass im FOC eine bevorstehende Schlechtwetterfront erwartet wird. Für die Beobachtung und Prognose von Witterungsbedingungen wird auf verschiedene Quellen zurückgegriffen: die Daten von Bord und von einem speziellen Team in Italien, dessen Informationen ebenfalls im FOC zusammenlaufen. Das ist für Strandberg ein entscheidender Mehrwert.

Mindestens 24 Stunden im Voraus seien die meisten Gewitter relativ gut vorhersehbar. Bis zu 72 Stunden vor einem möglicherweise problematischen Hafenanlauf beginnen im Bedarfsfall die Gespräche zwischen den Beteiligten über eine mögliche Routenänderung. Spätestens 36 Stunden vor dem Anlauf wird eine Entscheidung gefällt.

Droht eine gefährliche Wetterlage, werden im FOC Alternativrouten in Abhängigkeit von Strömungs- und Wellenverhältnissen errechnet. Diese werden dem Kapitän ebenso nahegelegt wie im Zweifelsfall gar nicht erst aus einem Hafen aus- oder in eine Region einzufahren. Bei Carnival legen die Verantwortlichen aber Wert darauf, dass dies lediglich Empfehlungen sind, keine Anweisungen. Das wäre aus rechtlicher Perspektive auch schwierig, die letztendliche Entscheidung fällt der Kapitän, er trägt die Verantwortung.

»Der Faktor Mensch wird durch komplexe Technologie an Land im Krisenmanagement unterstützt«, heißt es seitens Carnival. Der Kapitän bekomme beispielsweise im Fall einer Havarie schnell zusätzliche Optionen vorgeschlagen. Man verfolge ein »Null-Vorfälle-Ziel«.

Laut dem FOC-Director gab es zwar anfangs Skepsis bei den Seeleuten, dass man zu sehr in ihre Arbeit eingreifen könnte: »Die meisten haben aber realisiert, dass es keine Bevormundung, sondern Unterstützung ist, was wir hier tun.«

Einige Reedereien – nicht alle aus der Kreuzfahrtbranche – setzen auf ähnliche Instrumente, beispielsweise Hapag-Lloyd (HANSA 01/2016) oder CMA CGM. Insgesamt hält sich das Engagement aber noch in Grenzen. Strandberg sieht daher durchaus ökonomisches Potenzial. »Wir haben unser FOC schon mehreren Unternehmen vorgestellt, es gibt viele Anfragen.« Bei Carnival ist man offen dafür, das momentan noch exakt auf die eigene Flotte zugeschnittene Produkt als Dienstleister anzubieten.Noch umfasst die Arbeit im FOC vor allem nautische Informationen und Planungen. In Zukunft sollen auch technische Komponenten mit einbezogen werden, mit denen etwa Daten aus dem Maschinenraum noch besser ausgewertet werden können, um die Effizienz des Flotteneinsatzes zu verbessern. Das geschieht zwar auch jetzt schon, allerdings noch nicht direkt im FOC. »Derzeit hilft uns diese Plattform vor allem, um mehr über die Effizienz im Schiffsbetrieb zu lernen«, sagt Strandberg.

Zudem sollen in Kürze zwei weitere FOCs dieser Art innerhalb des Carnival-Konzerns aufgebaut werden. Sie beobachten dann aus Miami und Seattle die Flotten von Carnival Cruise Line und Holland America Line.
MM