Grenzenlos & politikfern

Die Schifffahrt ist notwendigerweise ein stark grenzüberschreitendes Geschäft. Um der Effektivität willen sollte das auch so bleiben, unabhängig von politischen[ds_preview] Entwicklungen. (Einzel-)staatliche Eingriffe bewirken – global betrachtet – in der Regel Hemmnisse für den Markt. Der von China intensiv ausgefochtene maritime Territorialstreit in Asien dürfte nach Ansicht von Seerechtlern zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf die Handelsschifffahrt haben. Dennoch: Positive Auswirkungen sind allerdings auch nur schwer vorstellbar.

Generell sollte sich die Politik nach Möglichkeit darauf beschränken, einen ordnenden Rahmen schaffen, meinen nicht nur sogenannte Kapitalisten. Das betrifft auch die staatlichen Subventionen für die maritime Industrie in Fernost. Der jüngste 500Mio. $ schwere Neubau-Auftrag für fünf 14.000-TEU-Frachter von NYK an Japan Marine United oder die bekannt gewordenen Subventionen zur Flottenerneuerung bei CSCL und COSCO sind nur einige Beispiel für kontraproduktive Aktivitäten. Auch in Europa ist zuweilen Ähnliches zu beobachten, etwa in Frankreich, wo die Regierung die Werften bei der Auftragsakquise mitunter massiv unterstützt.

Dem Markt sind solche Maßnahmen nicht unbedingt zuträglich. Er agiert ohnehin entgrenzt. In der Krise betrifft das bei der Suche nach Partnern zunehmend auch die Unternehmensstrukturen. Ein Paradebeispiel für einen solchen »Grenzübertritt« ist die bislang eher als traditionell-deutsches Unternehmen charakterisierte Reederei Hapag-Lloyd. Nach der nun immer wahrscheinlicheren Fusion mit UASC werden am Gesellschaftertisch nicht mehr nur Deutsche, Wahl-Schweizer, Niederländer und Chilenen mit kroatischen Wurzeln, sondern auch Vertreter aus Qatar und Saudi-Arabien sitzen – Multi-Kulti am Hamburger Ballindamm zur Bewältigung der Ratenkrise.

Weitere Entgrenzungen findet man in der maritimen Wirtschaft zuletzt häufiger: Beispiele sind das italienisch-chinesische Joint Venture von Fincantieri und CSSC, die kolportierte Übernahme von Hyundai Merchant Marine (Korea) durch Maersk (Dänemark), die tatsächlichen Übernahmen von OPDR (Deutschland) und NOL (Singapur) durch CMA CGM (Frankreich), die geplante Übernahme von TTS (Norwegen) durch Palfinger (Österreich), die Spekulationen über eine erstmalige Besetzung des Chefpostens beim Werftkonzern Daewoo (Korea) mit einem Ausländer oder die Kooperation des Hafens Antwerpen (Belgien) mit dem Standort Bandar Abbas (Iran).

Ob derartige Projekte Erfolg haben, wird sich zeigen müssen. Nötig sind sie allemal, zumal die Nachfrageseite in der Schifffahrt noch immer von Unsicherheit geprägt ist.

Damit zusammen hängt ein weiterer »Grenzfall«: der Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Mancher meint, dass darauf eine weitere wirtschaftliche Schwächeperiode in Europa und weniger seeseitige Importe aus Asien folgen. Andere gehen davon aus, dass dieser Effekt durch die Abwertung des Yuan nivelliert wird, der unter anderem zu einer Steigerung von US-Importen und damit mehr Nachfrage auf den Transpazifik-Routen führen könnte.

Sicher ist, aus dem politisch motovierten Schritt resultiert ökonomische Unsicherheit. Am »Brexit« zeigt sich, dass eine Ausgrenzung nicht unbedingt förderlich ist, weder für den entstehenden Solitär, noch für den Markt. In diesem Fall hat die Politik tatsächlich eine Aufgabe: nämlich dafür Sorge zu tragen, dass der Schifffahrt trotz einer »neuen Grenze« kein Schlagbaum in den Weg gestellt wird.

Viel Spaß beim weiteren Lesen wünscht


Michael Meyer