Nach einem wolkenverhangenen Sommer steuert die Schifffahrt nun möglicherweise in einen sehr tristen Herbst. Aus Dauerregen wurde zuletzt Gewitter mit[ds_preview] Hageleinschlägen, wie die Beispiele der Hanjin-Insolvenz oder auf Deutschland bezogen die großen Probleme bei Hansa Treuhand zeigen. Auch die umfassende Umstrukturierung in der Maersk-Gruppe wurde nicht etwa aus besonnener Planung, sondern nach einem dramatischen Gewinneinbruch angestoßen.
Wir werden wohl weitere Meldungen dieser Art zu hören bekommen. Über Allianzen und Kooperationen ist in den vergangenen Monaten viel gesprochen worden. Jetzt, da die Großwetterlage sich partout nicht bessern will, kommen wieder stärkere Maßnahmen wie Übernahmen (oder weitere große Insolvenzen) auf die Agenda. Ein einfacher Regenschirm ist in einem derartigen Gewitter keine Option mehr, auch nicht der Versuch, sich passiv-abwartend unter einem Baum zu verstecken, denn dort ist die Gefahr eines Blitzeinschlags gar noch größer.
Es scheint also das Gebot der Stunde zu sein, selbst aktiv zu werden, in der Hoffnung auf einen aufklarenden Himmel hinter der nächsten Kurve – vorausgesetzt, diese Kurve wird erreicht. Institutionelle Investoren mögen für den Moment abgeschreckt sein, dafür gibt es »interne« Bewegungen. Die Nr. 1 und 3 der Containerlinienschifffahrt wollen offenbar diesen Kurs einschlagen. Bei Maersk und CMA CGM ließen sich die Obersten jüngst zu Aussagen hinreißen, in der nötigen Konsolidierung der Branche durch Übernahmen eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. Kandidaten gibt es noch einige. Abseits der großen Namen herrscht zum Teil bezeichnendes Schweigen – auch in Hamburg, Seoul oder Tokio.
Die Rahmenbedingungen versprechen nicht unbedingt Besserung. Der IWF hat seine Wachstumserwartungen erneut eingedampft, China forderte die G20-Staaten zu entschlossenem Handeln auf. Wenn sich ein solches Schwergewicht, üblicherweise auf sich selbst fokussiert, zu so einem Schritt genötigt sieht, ist das kein gutes Zeichen.
Als Abhilfe scheint nur noch wenig denkbar außer einer Radikalkur auf der Carrierseite (mit unklaren Folgen für die Trampreeder). Das »strukturelle Aufräumen« in der Schifffahrt sollte jedoch mit einer Kapazitätsreduktion einhergehen, sonst ändert sich nur wenig am Angebot-Nachfrage-Ungleichgewicht. Doch daran scheiden sich nach wie vor die Geister.
Weil den meisten für Einzelaktionen die Kraft fehlen dürfte (und weil es ökonomisch tatsächlich wenig Sinn ergibt), könnte ein kooperativer Gedanke Abhilfe schaffen, so idealistisch das auch klingen mag. Entgegengesetzte Strategien sind mit Blick auf den Gesamtmarkt ohnehin nicht der richtige Weg, schon gar nicht im Alleingang. Ein kolportierte Auftrag für 20.000TEU-Neubauten wurde zwar dementiert, derartige allenfalls langfristig sinnvolle Projekte helfen kurzfristig ohnehin keinem, im Gegenteil. Angesichts der kritischen Lage ist genau das nötig: kurzfristig wirksame Maßnahmen. Das Warten auf den »bald« anziehenden Markt hat sich in den letzten Jahren als wenig nützlich erwiesen, wie auch das prophylaktische Ordern von Neubauten. Positiv ist zumindest das Signal von Maersk zu beurteilen, vorerst auf neue Aufträge zu verzichten – wie lange auch immer diese Aussage Bestand hat.
Selbstverständlich muss jeglicher kooperative Vorstoß im wettbewerbsrechtlichen Rahmen bleiben. Aber dass man die Fähigkeit zu derartigen Ansätzen hat, hat die Schifffahrt in der Vergangenheit ja bereits bewiesen. Soviel Idealismus sei erlaubt: Warum sollte es nicht noch einmal klappen?
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Michael Meyer