Wulstbug Seeschiff
Viele Fragen, die die Biozid-Verordnung der EU aufwirft, sind noch ungeklärt (Foto: Felix Selzer)

Die neuen Regeln der in der Umsetzing befi[ds_preview]ndlichen EU Biozid-Verordnung seien existenzbedrohend für Farbenhersteller und Reparaturwerften, warnen der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL). 

Der Vorsitzende der VdL-Arbeitsgruppe Schiffsfarben, Michel Wilckens, erklärt, dass die  Kosten für die Zulassung von Schiffsfarben unkalkulierbar seien. Auch alle älteren Produkte brauchen in den nächsten drei Jahren eine Zulassung, um weiter vertrieben zu werden. Für mittelständische Firmen dürften die Kosten nicht zu tragen sein, schätzt er. Es fielen nicht nur allein rund 50.000 € Gebühren für die Erstzulassung in einem EU-Mitgliedsland an, sondern zusätzlich die Gebühren für die Zulassung in den anderen EU-Staaten und vor allem Kosten für die Erstellung/den Kauf der notwendigen einzureichenden Unterlagen. Diese Summen seien kaum im Markt wieder hereinzuholen.

Der Hauptgeschäftsführer des VSM, Reinhard Lüken, betonte, dass der europäische Alleingang bei diesem Thema für die global agierende maritime Industrie einfach keinen Sinn ergebe. Die Frage, welche Schiffsbewuchsschutzwirkstoffe in den Schiffsanstrichen (Antifoulingfarben) eingesetzt werden dürfen, habe die International Maritime Organisation (IMO) in einer Konvention geregelt, die weltweit gelte. Wenn die EU Erkenntnisse über weitere gefährliche Biozide habe, so sei ein effektives Verbot dieser Stoffe nur durch eine entsprechende Erweiterung der IMO-Konvention zu erreichen, so Lüken.

EU Biozid-Verordnung vs. IMO

»Es zeigt sich auch hier, dass gut gemeint nicht gut gemacht bedeutet. Das eigentliche Ziel, der Schutz der Meereslebewesen vor gefährlichen Bioziden, wird mit dem eingeschlagenen Weg nicht annähernd erreicht«, sagt Lüken. Der überwiegende Teil der Welthandelsflotte komme nicht aus Europa und fahre unter Nicht-EU-Flaggen. Jedes IMO-konforme Schiff habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, alle Gewässer zu durchfahren. Ein regionales Verbot von wirksameren Antifouling-Anstrichen nur für EU-Werften und EU-Flaggen werde den Biozid-Eintrag in europäische Gewässer nicht reduzieren.

»Der ökologische Effekt ist null, der wirtschaftliche Schaden aber riesig, denn bei jeder Dockung werden neben der Farbe auch umfangreiche weitere Reparaturen durchgeführt. Ohne die Möglichkeit den gewünschten Farbanstrich zu bekommen, werden sämtliche Reparaturen außerhalb der EU stattfinden«, erklärt Lüken.

Laut Volker Bertram von der Klassifikationsgesellschaft DNV GL kann unzureichender Antifoulingschutz zu bis zu 20 % mehr Kraftstoffverbrauch führen. Zweite unerwünschte ökologische Nebenfolge wäre das Einschleppen invasiver fremder Arten, was zurzeit gerade mit großen Anstrengungen der EU und der Weltgemeinschaft bekämpft wird. Etwa jeweils 50 % der invasiven Arten würden durch Ballastwasser bzw. Rumpfbewuchs verbreitet.

Sabine Gärtner aus dem Bundesumweltministerium erklärt, dass einzelne Mitgliedsstaaten im EU-Gefüge nur kleine Spielräume haben. Einige der offenen Fragen könnten nur durch die EU-Kommission in Durchführungsbeschlüssen geklärt werden. Die Bundesregierung könne offiziell dazu ein entsprechendes Verfahren in Gang setzen. So sei bis heute unklar, ob ein europäischer Reeder, der ein in Asien gebautes Schiff kaufe, das bei einem asiatischen Reeder unter fremder Flagge gefahren sei, dieses überhaupt unter EU-Flagge einsetzen dürfe, wenn dessen Antifoulingschutz einen nicht in der EU zugelassenen Wirkstoff enthalte.

»Der gesamten Branche in der EU droht das Aus«

Laut dem Geschäftsführer der Reparatur- und Umbauwerft German Dry Docks, Guido Försterling, kommen über 90 % der Kunden deutscher Reparaturwerften aus dem Nicht-EU-Ausland. Meistens hätten diese Reeder mit Farbenherstellern einen Rahmenvertrag, weshalb die Werft keinen Einfluss auf die zu verwendende Antifoulingfarbe habe. Wenn die Farben dieser Reeder aber in der EU nicht zum Einsatz kommen dürften, würden sich diese schlicht andere Werften suchen. Selbst der Schiffsverkehr innerhalb Europas habe ausreichend Ausweichmöglichkeiten, um unter Nicht-EU-Flagge Instandsetzungen in Russland oder der Türkei durchführen zu lassen. Der gesamten Branche in der EU drohe das Aus. In Deutschland könne von dem geringen inländischen Markt vielleicht eine Werft leben.