Freies Spiel der Kräfte

Mit Umfragen ist das oft so eine Sache. Wie groß ist die Beteiligung, also der Querschnitt aus allen Befragten, wie[ds_preview] repräsentativ sind demzufolge die Ergebnisse? Moore Stephens hat sich jüngst nach der Stimmung in der weltweiten Schifffahrt erkundigt. Nehmen wir einmal an, die Resonanz war gut und die Antworten wurden ehrlichen Herzens gegeben: Dann bestünde Grund, mit Optimismus dem Jahr 2017 entgegenzusehen.

In allen Bereichen wird laut der Umfrage mit einer Besserung gerechnet. Etwas mehr bei den Charterern, Maklern und Ship-Managern, etwas weniger bei den Schiffseignern.

Daraus zu schließen, die scheinbar endlose Krise sei vorbei, käme zu früh. Aber nach langen Jahren schimmert ein schwacher Lichtschein am Ende des sprichwörtlichen Tunnels. Glaubt man den Daten, könnte im kommenden Jahr die ewige Talfahrt gestoppt und der mühsame Aufstieg zur Sonne gestartet werden.

Tatsächlich gab es zum Jahresausklang eine Reihe von positiven Nachrichten. Eine unvermutete Rally bei Bulkern, ein konstant gutes Geschäft bei den Tankern, wenigstens keine weitere Verschlimmerung für Containerschiffe und MPP-Frachter. Selbst von den Börsen in Oslo und New York, über Monate in tiefe Agonie verfallen, gibt es wieder Lebenszeichen. Es tauchen sogar neue Finanziers auf, die den Rückzug der Schiffsbanken kompensieren wollen, wenigstens in der Nische.

Andererseits ist die gesamte Branche im Umbruch, sie sortiert sich grundlegend neu, selten freiwillig, meist aus der Not geboren. Im ausklingenden Jahr 2016 ist kaum noch etwas so, wie es einmal war. Die Konsolidierung unter den Linienreedereien in der Containerschifffahrt ist in ihren Ausmaßen schon historisch zu nennen, wenn sieben Carrier aus den Top 20 einfach so verschwinden – die geschluckt werden (Hamburg Süd und APL), fusionieren (wie in Japan) oder womöglich ihrem Untergang entgegen segeln (Hanjin). Die Trampreeder, zersplittert wie eh und je, werden das neue Kräfteverhältnis deutlich zu spüren bekommen und sich ihrerseits neu positionieren müssen – oder aber untergehen. Darwin lässt grüßen: Die Starken fressen am Ende die Schwachen, es herrscht ein freies Spiel der Kräfte.

Gleiches gilt für alle Schifffahrtsmärkte ebenso wie für den Schiffbau und die maritime Zulieferindustrie, die den diesjährigen Auftragseinbruch auf nahe Null quer durch alle Segmente erst noch verkraften muss. Für einige Unternehmen, auch hier zu Lande, hat die wirkliche Krise vielleicht gerade erst begonnen.

Die gewaltige Bereinigung wird sehr wahrscheinlich noch zahllose Opfer fordern, vielleicht morgen schon, auch in Deutschland. Vermutlich ist sie unabwendbar, zum Teil auch hausgemacht. Überleben wird, wer rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und in guten Zeiten nie zu gierig geworden ist.

Aber auch die Politik ist gefordert. Es geht um Tausende Arbeitsplätze in der maritimen Industrie. Wenn innerhalb von zwei Jahren rund 1.000 Schiffe, ein knappes Drittel der deutschen Flotte, verloren gehen, müssten alle Alarmglocken schrillen. Angesichts der Rettungsprogramme in anderen Ländern, vornehmlich in Asien, ist der Ruf nach einer »nationalen Strategie« für den Schifffahrtsstandort Deutschland völlig berechtigt. Gerade jetzt wird sie gebraucht.

Viel Spaß beim weiteren Lesen wünscht

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Krischan Förster