Maersk ist nicht nur auf den Ost-West-Routen Marktführer in der Containerschifffahrt. Mit der Übernahme von Hamburg Süd dominiert der dänische Riese künftig noch mehr im Südamerika-Verkehr. Von Krischan Förster und Michael Meyer
Nach mehr als 80 Jahren trennt sich die Oetker-Gruppe von ihrem Geschäftsfeld Schifffahrt und verkauft ihre Reederei Hamburg Süd[ds_preview] mit allen Aktivitäten, Tochtergesellschaften sowie dem »wesentlichen Geschäftsvermögen« an den Marktführer Maersk. Die Verschmelzung soll im zweiten Quartal 2017 abgeschlossen werden.

Mit der Übernahme der heutigen Nr. 7 unter den Linienreedereien kann Maersk, ohnehin schon Weltmarktführer, seinen Anteil an der globalen Containerschifffahrt von heute 15,7 % auf 18,6 % ausbauen. Hamburg Süd verfügte zuletzt über 130 Schiffe (rund 625.000 TEU Kapazität, 4,1 Mio. TEU Transportvolumen). Der kombinierte Jahresumsatz beider Unternehmen liegt bei rund 30 Mrd. $. Maersk übernimmt damit eindeutig Platz 1 in den Verkehren von und nach Südamerika.

Lange galt die Reederei Hamburg Süd als Spezialist und unangefochtener Marktführer in diesem Fahrtgebiet. Zuletzt war der chilenische Rivale CCNI übernommen worden. Doch dann drängten die »big player« mit großen Schiffen in die einstige Nische – Maersk, MSC, CMA CGM und Hapag-Lloyd samt CSAV.

Die Folge: massiv sinkende Raten und ein beinharter Wettbewerb um die Ladung, der die Frachtraten Anfang des Jahres auf unter 50 $/Container auf der Route zwischen Asien und Südamerika drückte.

Erst schmolzen die Gewinne, die Hamburg Süd über viele Jahre Investitionen aus dem reinen cash flow ermöglichten, dann auch die Kapitaldecke. Der Plan, das Geschäft durch eine Ausweitung auf den Asien-Verkehr zu diversifizieren, kam offenbar zu spät. In der allgemeinen Konsolidierungswelle drohte einer der letzten unabhängigen Carrier unterzugehen. Zuletzt war die Eignerfamilie der Oetkers nicht mehr bereit, 2 bis 3 Mrd. € zu investieren, um auch künftig mit den Branchenführern mithalten zu können.

Davon profitiert nun Maersk. Das passt zum Selbstverständnis der Dänen, ihre Dominanz überall zu zeigen und auszubauen. »Derzeit gibt es ein paar Akteure, die stärker auf der Nord-Süd-Achse aktiv sind als andere, dazu zählen neben ­Maersk auch CMA CGM, MSC, Hapag-Lloyd, Evergreen, NYK und bis zu einem gewissen Grade kleinere Player wie PIL«, sagt Neil Dekker, Leiter der Container-Abteilung beim Branchendienst Drewry gegenüber der HANSA. Die Übernahme sei Teil der Maersk-Strategie, noch stärker in Laeteinamerika zu werden und im Reefer-Segment mehr Marktanteile zu sichern. »Im Reefer-Markt haben die Dänen viel in ihre Ausrüstung und Equipment investiert, weil damit in der Zukunft bessere Einnahmen und Profite erzielt werden können.« Ein weiterer Vorteil sei offensichtlich, dass die Flotte von Hamburg Süd sehr jung sei.

Ein Maersk-Sprecher bestätigte der HANSA, das einer der wichtigsten Gründe für die Übernahme die Wettbewerbsposition im Nord-Süd-Verkehr sei, weil man in Lateinamerika, aber auch in Ozeanien wachsen wolle.

Beim Blick auf die heutige Verteilung der Marktanteile zeigt sich, dass fünf Reedereien den Großteil des Geschäfts unter sich ausmachen und Maersk auch ohne Hamburg Süd bereits eine führende Rolle einnimmt.

• Fernost–Südamerika: Platz 1 mit 20% vor Hamburg Süd (12%), Hapag-Lloyd (11%) und MSC (9%), Rest einschließlich CMA CGM: 48%.

• Europa–Lateinamerika: Platz 2 mit 20% wie auch Hamburg Süd (20%), hinter MSC (25%) und vor Hapag-Lloyd (15%) und CMA CGM (14%), Rest: 6%.

• Nordamerika-Südamerika: Platz 4 (6%) hinter MSC (13%), Hamburg Süd (12%) und Hapag-Lloyd (10%), Rest einschließlich CMA CGM: 59%.

Durch den Kauf von Hamburg Süd würde Maersk seinen Marktanteil auf 32% (Fernost), 40% (Europa) und 18% (Nordamerika) steigern, der Vorsprung auf die jeweils Zweiten im jeweiligen Fahrtgebiet wären erheblich.

Die Übernahme durch die Dänen erfolgt vorbehaltlich der Zustimmung zahlreicher Kartellbehörden – in Europa, China, in den USA und in Lateinamerika selbst. Es ist davon auszugehen, dass in der Konzernzentrale von Maersk mögliche Bedenken der Wettbewerbshüter genauestens geprüft worden sind und der Fusion vermutlich nichts im Wege steht. Dennoch bleibt es spannend zu beobachten, wie etwa die brasilianische CADE die künftige Marktdominanz von Maersk/Hamburg Süd beurteilt.

In der brasilianischen Schifffahrt wird bereits darüber spekuliert, ob Maersk unter Umständen seine eigene Südamerika-Tochter Mercosul Line verkaufen muss, um grünes Licht für die Übernahme zu bekommen.

Auch einzelne Kunden aus der Verladerschaft könnten dem kombinierten Carrier Ladung entziehen, weil sie sich nicht in eine zu große Abhängigkeit begeben wollen. Das Beispiel von Hapag-Lloyd nach der Übernahme von CSAV, wodurch sich für einzelne Zielmärkte eine ähnliche Marktbeherrschung ergab, zeigt aber, dass dies nicht bedingt geschehen muss.

Auf die bestehenden Linien, Netzwerke und Kooperationen hat der angekündigte Zusammenschluss ebenfalls Folgen. Hamburg Süd hat Slot-Charter-Agreements mit der UASC, die bis Jahresende von Hapag-Lloyd übernommen wird. Diese Vereinbarung dürfte künftig kaum Bestand haben. Auf Nachfrage der HANSA wollte ein Maersk-Sprecher sich dazu nicht äußern, da es noch zu früh dafür sei – ebenso wie die Frage nach dem Umgang mit der von Hamburg Süd eingecharterten Tonnage.

Fraglich ist zudem, wie es mit der bisherigen Kooperation zwischen Hamburg Süd mit Hapag-Lloyd und CMA CGM auf der Strecke Asien–Südamerika weitergeht. Brancheninsider halten es für möglich, dass Maersk die markant-roten Hamburg-Süd-Schiffe weiterfahren lässt. Aber auch ein Rückzug ist denkbar. Auf die erst im Verlauf dieses Jahres verkündeten Allianzen hat die Übernahme keine Auswirkungen, weil Hamburg Süd bekanntlich keinem der drei Bündnisse (2M, THE Alliance, Ocean Alliance) angehört.

Doch auch auf den Nord-Süd-Verkehren könnte sich bald die »Allianz-Frage« stellen, meint Drewry-Experte Dekker. »Bislang haben sich die großen Allianzen schwerpunktmäßig auf die Ost-West-Linien fokussiert. Auch Routen nach Afrika oder Ozeanien sind stark fragmentiert mit mehr Akteuren. Das könnte sich aber künftig ändern, wenn die M&A-Aktivitäten weiter zunehmen – wovon wir ausgehen«, kommentiert er gegenüber der HANSA. Bis zu einem gewissen Grade sei das schon zu beobachten gewesen, und zwar im Markt von Asien an die südamerikanische Ostküste, wo Überkapazitäten abgebaut wurden und die Raten für Carrier »auf einem profitablen Niveau liegen«. Laut Dekker gibt es auf dieser Route nur drei wöchentliche Dienste, kleinere Player hätten sich aus dem Markt zurückgezogen. »Etwas Ähnliches könnte auch auf die übrigen Routen ausgedehnt werden. Die ›kleinen Fische‹ werden aus dem Markt gedrängt oder zu Slot-Charterern degradiert«, so Dekker weiter.

Bis es zu möglichen Veränderungen kommt, dürften jedoch noch Monate vergehen. Zunächst ist von Maersk eine »due diligence« angesetzt, danach soll der konkrete Kaufpreis feststehen. Erst nach der finalen Vertragsunterzeichnung im Frühjahr 2017 dürften erste Planspiele zu den Linien und Schiffen beginnen. Gegen Jahresende 2017 ist schließlich mit dem sogenannten »closing«, also dem Vollzug der Fusion zu rechnen. Danach könnte feststehen, wie Hamburg Süd bei Maersk integriert wird.

Auch in Zukunft dürften weitere M&A-Aktivitäten aus Kopenhagen zu erwarten sein. »Die Industrie erlebt eine Konsolidierungswelle und es wäre nicht überrraschend, wenn dies anhält«, so der Sprecher beim Branchenprimus weiter. Größe werde auch in Zukunft immer wichtiger, um Kosten zu sparen und profitable zu bleiben. M&A sei eine Option, speziell für kleinere Linien. Ob auch Maersk weiter aktiv an der Konsolidierung teilnimmt? »Übernahmen bleiben Teil unserer Wachstumsstrategie. Allerdings ist unser Portfolio mittlerweile recht voll. Wir werden daher morgen oder übermogen wohl keine weitere Übernahme bekanntgeben.«


Krischan Förster, Michael Meyer