Altlasten in der Schiffsfinanzierung haben den deutschen Banken in diesem Sektor zuletzt tiefrote Zahlen beschert. Einzig die HSH Nordbank kann sich dank der Länder­garantien im Plus halten. Nun droht ein Rückzug auf breiter Front. Von Krischan Förster

Die schiffsfinanzierenden Banken in Deutschland mussten in ihren Bilanzen für das vergangene Jahr Milliardenverluste verbuchen. Angesichts eines unvermindert hohen Ausfallrisikos[ds_preview] ist allerorten ein radikaler Abbau des Kreditportfolios vorgesehen. Neugeschäft findet dagegen kaum noch statt.

Am deutlichsten wurde jüngst der Vorstandschef der HSH Nordbank. »Unsere Risikostandards sind so weit weg von der Realität der Märkte, dass wir als Kreditgeber für die Schifffahrt vorerst ausfallen«, erklärte Stefan Ermisch bei der Vorstellung der Bilanz für 2016.

Die Formel, die zur Erklärung dient, ist simpel: Ratenverfall = sinkende Schiffswerte = steigende Risikovorsorge. Die Buchwerte liegen – auch heute noch – häufig weit über den tatsächlichen Marktwerten. Es ist den Banken nicht gelungen, diese Differenzen bilanziell zu bereinigen. Laut einer Studie von Moody’s von Ende 2016 war die Summe der Schiffskredite bei den deutschen Banken um bis zu zwölf Mal höher als das hinterlegte Eigenkapital.

Auf Druck der Europäischen Zentralbank (EZB) als Bankenaufsicht wurde ganz offensichtlich der Abschreibungsbedarf neu ermittelt. Die Schiffsbewertung erfolgte dann in vielen Fällen nicht mehr wie bisher nach dem »discounted cash flow« einschließlich einer unterstellten Markterholung, sondern zu den heute aktuellen Marktpreisen. Je nach Schifffahrtssegment und Alter der Schiffe entspricht dies im schlimmsten Fall nur noch dem Schrottwert, bilanziell als Totalverlust zu werten.

Dieses Problem wurde exemplarisch bei der Auslagerung von Problemkrediten der HSH Nordbank an die eigens gegründete Ländergesellschaft AöR im Sommer 2016 überdeutlich. Ein Portfolio im Wert von nominell 5 Mrd. € wurde letztlich mit 2,4 Mrd. € bezahlt, die Differenz aus der Ländergarantie ausgeglichen. Doch schon im Dezember waren angesichts des fortgesetzter Charterraten-Rückgangs erneute Wertberichtigungen in Höhe von 341 Mio. € nötig. Die Opposition in Kiel befürchtet sogar einen »Totalausfall«.

Dass die HSH Nordbank trotz dieser dramatischen Lage unterm Strich ein positives Jahresergebnis (121 Mio. €) einfahren konnte, liegt an eben jenen Ländergarantien in Höhe von 10 Mrd. €, die von den beiden Gesellschafterländern mit Billigung der EU gewährt werden dürfen. Die Risikovorsorge von knapp 2 Mrd. € wurde komplett ausgeglichen.

Dieses Glück haben andere nicht. Bei der NordLB, der zweiten große Landesbank in der Schiffsfinanzierung, hatte sich die erforderliche Risikovorsorge von 840 Mio. € (2015) sogar auf 2,96 Mrd. € fast vervierfacht. Die Folge: ein Jahresverlust von –1,9 Mrd. € für 2016. »Wir müssen und wir können dieses Negativergebnis aus eigener Kraft verarbeiten«, erklärte Vorstandschef Thomas Bürkle bei der Bilanz-Verkündung.

Ein Großteil der Verluste geht auf das Konto der Bremer Landesbank – und kostet diese jetzt ihre Existenz als eigenständige Schiffsbank. Schon im Sommer hatte die NordLB alle restlichen Anteile den früheren Mitgesellschafter, der Stadt Bremen (41%) und der niedersächsischen Sparkassen (4%), übernommen. Entgegen den ursprünglichen Plänen werden beide Banken nun doch vollständig fusioniert, um Doppelstrukturen aufzulösen und damit Kosten um 150 bis 200 Mio. € einzusparen. Schiffsfinanzierung und Kapitalmarktgeschäft werden komplett aus Bremen abgezogen und in Hannover gebündelt.

Eine ähnliche Entwicklung hatte die DVB Bank zu verzeichnen. Lange Jahre war der Spezialanbieter für Tranport-, Schiffs- und Offshore-Finanzierungen vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen. Doch im vergangenen Jahr musste auch die DVB Bank einen deutlichen Rutsch in die roten Zahlen vermelden.

Der Verlust (Ergebnis vor Steuern) lag bei –135,3 Mio. € gegenüber einem Gewinn von 46,1 Mio. € im Vorjahr. Die Risikovorsorge stieg um 239,9 Mio. € auf 381,4 Mio. € – im Wesentlichen für den Altbestand im Portfolio. Dass die Lage nicht noch schlimmer wurde, ist einem Ertragszuschuss des Mutterkonzerns DZ Bank in Höhe von 150 Mio. € zu verdanken.

Neugeschäft kommt zum Erliegen

Die weiter ausstehende Bereinigung von Portfolio und Bilanz und die verschärften Regularien führt bei den schiffsfinanzierenden Banken zu einer weiteren Konsequenz: Das Neugeschäft kommt weitestgehend zum Erliegen. Lediglich 300 Mio. € hat die HSH Nordbank im vergangenen Jahr noch für Neugeschäft ausgegeben – gegenüber 800 Mio. € im Jahr 2015 und mehr als 2Mrd. € in früheren Jahren. Bei der NordLB waren es nur 400 Mio. €, ausschließlich in der Kreuzschifffahrt, für Fähren und Spezialtonnage. Zum Vergleich: 2015 war es noch 1 Mrd. €.

Die DVB Bank war hingegen vergleichsweise aktiv. Immerhin hat die Bank 73 neue Transaktionen mit einem Volumen von 2,4 Mrd. € abgeschlossen. Ähnliches ist von der KfW Ipex-Bank zu berichten, die 2,4 Mrd. € im Bereich »Maritime Industrie« neu vergeben hat. Der Förderbank des Bundes kommt aber im Vergleich zweifellos eine Sonderrolle zu.

Denn ansonsten stehen die Zeichen künftig klar auf Abbau, quer durch die gesamte Bankenlandschaft. Hier weitere Institute im Überblick:

Die Commerzbank nähert sich mit Riesenschritten dem bereits 2012 verkündeten Komplett-Ausstieg aus der Schiffsfinanzierung. Seit 2008 wurden knapp 19 Mrd. € aus den Büchern genommen worden, übrig sind noch 4,7 Mrd. €. Bis 2020 sollen die Summe auf Null sinken.

Die Deutsche Bank hat dem Vernehmen nach ihr Portfolio bereits auf unter 5 Mrd. € gedrückt. Konkrete Angaben zum Bereich Shipping werden nicht mehr veröffentlicht.

Die Helaba als Landesbank Hessens und Thüringens hat mit einer Risikovorsorge von 262 Mio. € nach eigenen Angaben »klar Schiff« gemacht und das Portfolio auf unter 1 Mrd. € reduziert.

Bei der Deka sank der Wert der Schiffskredite von einst rund 3 Mrd. € auf zuletzt 1,6 Mrd. €.

Die Kreditsumme der sieben größten deutschen Schiffsbanken hat sich seit 2008 von einst 112 Mrd. € um rund ein Drittel auf gut 76 Mrd. € verringert. Allein die angekündigten Abbau-Szenarien bei HSH Nordbank, NordLB und Commerzbank ergeben weitere 17 Mrd. €. Wobei die künftige Rolle der HSH noch unklar ist.

Man werde auch im Zukunft der Schifffahrt treu bleiben, hatte Vorstand Ermisch beteuert. Doch ob dies nach einem möglichen Verkauf, möglicher Weise in zwei Teilen, auch noch gilt, bleibt abzuwarten. Das Interessensbekundungsverfahren für den von der EU vererordneten Verkauf wurde inzwischen abgeschlossen. Dem Vernehmen nach haben sich fünf Bieter gemeldet, darunter zwei ernsthafte Bewerber.

Der chinesische Logistikkonzern HNA greift nach der Kernbank, die als vergleichsweise »gesund« und damit als attraktiv gilt. In deren Schiffsportfolio von zuletzt 7,1 Mrd. € stecken »nur« 700 Mio. € an »non-performing loans«. Dagegen steht die Abbaubank mit weiteren 9,9 Mrd. € und einem sehr hohen Ausfallrisiko von 8,3 Mrd. € (84%). Auf dieses Altlastenportfolio soll der US-Finanzinvestor Apollo ein Auge geworfen haben.

Die Länder müssen nun entscheiden, mit welchen Bietern intensivere Verkaufsverhandlungen geführt werden. Die Landesbank soll bis Februar 2018 privatisiert werden – gelingt dies nicht, wird abgewickelt. Fortsetzung folgt …
Krischan Förster