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Elektro- und Hybridantriebe sind in der Schifffahrt angekommen. 121 Aussteller zeigten auf der diesjährigen Electric & Hybrid Marine World Expo in Amsterdam ihre Produkte. Strom liegt im Trend

Elektromotoren, Pods, Batterien, Bordnetzlösungen, Steuerungs- und Überwachungstechnik, ganze Antriebssysteme – die Produktpalette ist vielfältig. Während die Besucherzahlen der Messe vom 6[ds_preview]. bis 8. Mai am ersten Tag noch hinter den Erwartungen der Aussteller zurückblieben, war die Stimmung am zweiten Messetag bestens. Interesse und fachliche Kompetenz der Besucher sowie die Qualität der Gespräche seien auf sehr hohem Niveau, war an den meisten Ständen zu hören.

In der Seeschifffahrt ist der Trend schon seit einiger Zeit klar erkennbar, Batterien als Leistungsreserve oder Backup einzusetzen. Im Offshore-Bereich lässt sich in den Phasen, in denen Schiffe im Dynamic-Positioning-Modus (DP) arbeiten, deutlich Motorleistung einsparen. So machen die derzeit gebeutelten Eigner ihre Schiffe nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch wirtschaftlich hübsch für Charterer. Statt vier Hauptmaschinen muss nur noch eine Laufen, eventuelle Spitzen übernimmt die Batterie. Andere Nutzer können gleich die Motoren etwas kleiner dimensionieren und stets im optimalen Leistungsbereich laufen lassen. Auch für den Bordstrom im Hafen müssen nicht mehr alle Maschinen auf vollen Touren laufen. Entsprechende Konzepte und Projekte waren an den Ständen von Unternehmen wie Corvus Energy, Wärtsilä oder Siemens zu sehen.

Kraftstoffausgaben, Wartungskosten und Emissionen sinken also deutlich mit Hybrid- oder E-Antrieben. Der Trend aus der Seeschifffahrt findet seinen Weg auch immer mehr in die Binnenschifffahrt. So werden Batteriesysteme verstärkt als Booster eingesetzt, um Leistungsspitzen in der Bergfahrt abzufangen. So können Hauptmaschinen mit weniger Leistung eingesetzt werden, diese dafür besonders effizient.

Große Chancen wittern die Aussteller in den Bestrebungen zu Emissionsminderung und Elektromobilität in den EU-Ländern. Ab 2020 dürfen beispielsweise auf den Wasserstraßen Amsterdams keine kommerziellen Dieselschiffe mehr betrieben werden. Was für die Eigner Investitionen bedeutet, verspricht für die Branche ein gutes Geschäft. Auch die Flusskreuzschifffahrt mit ihrer Nachfrage nach leiser, sauberer Energieerzeugung ist ein Wachstumstreiber. Eine unzulängliche Landstromversorgung an stark frequentierten Destinationen spielt den Batterieherstellern in die Hände.

Energie und Quelle

Namen wie Corvus und Saft sind in letzter Zeit ständig in den Medien, man denke nur an Projekte wie die neuen Expeditionskreuzfahrtschiffe von Hurtigruten oder das neue Forschungsschiff für Großbritannien. Hier soll die Batterietechnik der Kanadier und Franzosen im großen Stil zum Einsatz kommen. Beim deutschen Batteriehersteller Hoppecke, zum zweiten Mal auf der Messe vertreten, rückt der noch junge Markt Schifffahrt immer stärker in den Fokus. Unter anderem ist Hoppecke am CO2-neutralen Seminarschiff beteiligt, das ab August auf deutschen Wasserstraßen in Fahrt gehen soll (s. BS 04/2017). Man kann auf Erfahrungen aus den Bereichen Automobil und Eisenbahn zurückgreifen und Synergien nutzen.

Steter Andrang herrschte auch am Stand von Torqueedo. Das Unternehmen nutzt die Batterien, die der Autohersteller BMW in seinen Elektrofahrzeugen einbaut, für marine Anwedungen.

Reintjes stellte auf der Messe sein Hybrid-System RHS mit Wendegetriebe vor. Mit E-Motorleistungen von 60 bis 630 kWe ist es auch für den Binnenschiffs- und Yachtbereich geeignet, bietet einen PTI- und PTO- sowie einen Boost-Modus. Das im Vergleich zum Diesel leisere System sei auch für den Kreuzfahrtbereich interessant.

Von diesem profitiert auch der Hersteller AEM Dessau, der zuletzt kleine Serien von Synchron- und Asynchron-Maschinen für Viking-Flusskreuzfahrtschiffe liefern konnte.

Zum ersten Mal auf der Messe vertreten war der französische Anbieter ENAG, der sein P-Green-System vorstellte, eine sowohl als Antrieb wie als Generator verwendbare Lösung bis 197 kW.

Oswald Elektromotoren zeigte in Amsterdam erstmals das neue Genset 300, einen luftgekühlten 300 kW-Drehstrom-Synchron-Generator, der direkt an Verbrennungsmotoren angebaut werden kann. Neben der extrem kompakten Bauweise bietet der DC Bus direkt am Generator auch Möglichkeiten für den Anschluss einer Batterie.

Arka hatte seine neue elektrische Steuerung für Schiffe bis 50m dabei. »Die Leute wollen keine Hydraulik mehr an Bord haben«, war am Stand zu vernehmen. Das denkt man auch bei Hydrosta. Wo viel über elektrische und hybride Antriebe gesprochen wird, vergisst man gern Bereiche wie Steuerung, Lenkung und Kühlung. Da sehen die eigentlich auf Hydraulik spezialisierten Niederländer eine Chance und zeigten in Amsterdam ihre Lenkmotoren und Thruster, bei denen die Hydraulikmotoren gegen E-Motoren vom deutschen Partner AMK getauscht wurden. Vor allem Binnenarbeitsboote und Ausflugschiffe hat man im Visier.

Alles aus einer Hand

Interessant ist auch die Entwicklung hin von Komponenten zu Systemanbietern. Die erhöhte Komplexität von Elek­tro- und Hybridsystemen verlangt immer mehr nach gut aufeinander abgestimmtem Einzelkomponenten, die in einem Antriebssystem integriert sind.

Fischer Panda hat sich ein Plug-and-Play-Konzept auf die Fahnen geschrieben, um geringe Installationskosten bieten zu können. Das Unternehmen präsentierte unter anderem sein überarbeitetes Hochvoltsystem, das einen vereinfachten Anschluss ermöglicht und im Platzbedarf auf das kleinstmögliche Volumen gebracht wurde. Das Unternehmen setzt dabei auf getriebelose Elektromotoren mit höchstens 600 U/min. Dazu werden jedoch größere Propeller eingesetzt, was sich kommerziell auf längere Sicht wieder lohnt.

Die niederländische Firma Creusen stellte zusammen mit Battery Supplies eine neue Serie von Pod­antrieben vor. Die Niederländer hoffen besonders auf die ab 2020 geltenden Emissionsvorschriften im Land. Angeboten wird ein Komplettsystem aus Pod bzw. E-Motor, Steuerung und Batterien. Ein ähnliches Konzept fand sich auch bei Praxis Automation. Aus dem Bereich Automatisierungstechnik kommend, präsentierte man sich nun als Hersteller und Systemintegrator. Das brandneue Konzept »Green Propulsion« gibt es für 20m lange Yachten bis hin zu Offshore-Schiffen. Dabei kommen Motoren, Antriebe und Batterien aus einem Haus.

Umfangreiches Programm

Begleitet wurde die Messe wieder von einem umfangreichen Konferenzprogramm. Vertreter aus Industrie und Forschung präsentierten und diskutierten angeregt Themen wie Energieversorgungsinfrastruktur für Batterieschiffe in Häfen, Sicherheit, Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Batterien, Anschaffungs- und Betriebskosten, Chancen durch Gleichstromnetze an Bord und Brennstoffzellen. Im Saal nebenan war die autonome Schifffahrt Thema. Neben der Hauptausstellung konnte sich ein interessiertes Publikum zudem die Austellerstände der Marine Maintenance World Expo ansehen. Hier ging es vom Antifouling-Anstrich bis zum Monitoring.

Wenn auch der erste Messetag für die Aussteller alles andere als zufriedenstellend war, so war der weitere Verlauf der Messe doch erfolgreich. Sehr konkret seien die Gespräche im Vergleich zu vorangegangenen Jahre, und das Publikum von »hoher Qualität«, so hörte man auf Nachfrage an allen Ständen.


Felix Selzer