Jetzt ist es offiziell: COSCO will OOCL übernehmen und damit CMA CGM als Nr. 3 der globalen Containerlinienschifffahrt verdrängen. Für die OOCL-Eigner um die Familie Tung dürfte dies ein sehr gutes Geschäft sein. Über ihre künftigen Aktivitäten in der Schifffahrt schweigt die Familie noch. Von Michael Meyer
Nach vielen Dementis und noch mehr Spekulationen kam Mitte Juli die offizielle Bestätigung: Die chinesische COSCO will OOCL aus Hongkong[ds_preview] übernehmen und hat sich mit deren Mehrheitseignern bereits geeinigt. Der Schifffahrtskonzern hat gemeinsam mit der Shanghai International Port Group (SIPG) – an der man selbst mit 15% beteiligt ist – allen Anteilseignern der OOCL-Mutter OOIL ein Angebot zur kompletten Übernahme unterbreitet. Es beläuft sich auf 78,67 HK-$ je Aktie. Insgesamt würde sich der Kaufpreis damit auf umgerechnet rund 6,3 Mrd. $ belaufen. Zum Vergleich: Die deutsche Nummer 2 Hamburg Süd – weltweit mit Rang 9 zwei Plätze hinter OOCL – soll für rund 3,7Mrd. € an den dänischen Branchenprimus Maersk verkauft werden.
Sollte der Kauf genehmigt werden, hält COSCO 90,1% der Anteile an OOIL, die restlichen 9,9% entfallen auf SIPG.
Für die Familie Tung, die 68,7% hält und der Übernahme bereits zugestimmt hat, und die anderen Anteilseigner dürfte sich die Transaktion finanziell sehr lohnen. Der angebotene Preis liegt deutlich über dem Börsenwert, der zum Zeitpunkt des Angebots bei 60 HK $ pro Aktie lag. Der Branchendienst Drewry bewertet es angesichts eines Marktwertes von 4,5Mrd. $ als »stolzen Preis«.
Investoren wetteten allerdings schon im Vorfeld an der Börse auf eine mögliche Übernahme – der Aktienkurs der in Hongkong gelisteten
OOCL-Muttergesellschaft OOIL war nach der Entscheidung COSCOs, den Börsenhandel auszusetzen, einige Zeit im Höhenflug. Auch der Wechsel der Reederei aus dem alten Bündnis »G 6« mit Hapag-Lloyd in die neue »Ocean Alliance« mit COSCO galt Vielen bereits als Vorgriff.
Das Projekt steht noch unter Vorbehalt der entsprechenden Wettbewerbsbehörden. Aktuell belegen die beiden Containerreedereien die Ränge 4 und 7 im weltweiten Linienmarkt. Gemeinsam würden sie mit 11,6% Marktanteil auf Platz 3 aufrücken und damit die Phalanx von Maersk (16,4%), MSC (14,7%) und CMA CGM (11,2%) aufbrechen. Die Franzosen müssten sich künftig mit Rang 4 begnügen.
Im Jahr 2013 hatten die zehn größten Linienreedereien einen Marktanteil von 61%, im vergangenen Jahr war ihr Anteil bereits auf 78% gestiegen. Mittlerweile sind fast zehn Reedereien aus den ehemaligen Top 20 verschwunden. Laut einem Drewry-Report schrumpfte die Zahl der Aktiven im Asien-Nordeuropa-Verkehr von 16 im Januar 2015 auf aktuell noch neun. Im Transpazifik sank die Zahl von 21 auf 16.
Für den Transpazifik-Verkehr rechnet der Branchendienst Alphaliner COSCO und OOCL als neue Nr. 1 mit 18,1% Marktanteil – vor der neuen Japan-Allianz »One«. Dennoch wird nicht mit kartellrechtlichen Einwänden aus den USA gerechnet, keiner der dort aktiven Carrier habe mehr als 20%. Auf den wichtigen Fernost-Europa-Routen steht der neue Akteur mit 14,7% hinter MSC (22,7%) und Maersk (16,5%).
COSCO und OOCL erhoffen sich künftig einen »noch stärkeren komparativen Wettbewerbsvorteil«. OOCL gilt in der Branche als verlässlicher Carrier. Gemeinsam betreiben die Partner künftig eine Flotte von über 400 Schiffen. Das Orderbuch umfasst noch einmal 2,9 Mio. TEU. Die Drewry-Analysten bezeichnen die Flotte von OOCL als jung und modern mit einem Durchschnittsalter von 7,1 Jahren.
Nach offizieller Lesart soll die Marke OOCL nicht vom Markt verschwinden. OOIL soll auch weiterhin an der Börse gelistet bleiben. Die Angestellten des Unternehmens bekommen eine 24-monatige Beschäftigungsgarantie.
Das Geschäft soll wie bisher unter dem jeweiligen Namen der Carrier betrieben werden. Sowohl COSCO als auch OOCL sind Mitglied in der »Ocean Alliance«, was die Integration erleichtern dürfte. »Wir respektieren OOILs Expertise und die Unternehmenskultur und stehen zu Hong Kong als internationalem Schifffahrtshub«, sagte Wan Min, Chairman von COSCO Shipping Holdings.
Andy Tung, CEO von OOCL und Executive Director bei OOIL, kommentierte: »Wir glauben, dass die Transaktion helfen wird, den künftigen Erfolg von OOIL zu gewährleisten.« Auf Nachfrage der HANSA wollte sich Tung nicht weiter zu seiner künftigen Rolle und dem Engagement seiner Familie in der Schifffahrt äußern. Er habe sich gegenüber den Beschäftigten dazu bekannt, den Übernahme-Prozess aktiv zu begleiten, bis dahin werde es im operativen Bereich »business as usual« geben, bestätigte eine Sprecherin. Die strengen Börsenvorschriften erlaubten derzeit keine weiteren Angaben.
Die Beziehungen zwischen der Familie Tung und der chinesischen Zentralregierung gelten als äußerst eng. C.H. Tung, Nachfolger von Unternehmensgründer C.Y. Tung war zwischenzeitlich Gouverneur von Hong Kong.
Michael Meyer