Streitigkeiten zwischen Passagieren und Fährreedereien führen nur selten zu einem Schlichtungsverfahren. Nicht immer ist die Schlichtung für eine Reederei eine geeignete Möglichkeit zur Beilegung des Streits

Die Zahlen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) belegen: Schlichtungen im Bahn- und Flugverkehr führen bei einem Streit zwischen[ds_preview] Passagier und Verkehrsträger mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zu einer gütlichen Einigung und sind verhältnismäßig effizient und schnell. Trotz dieser Erfahrungen verzeichnet die söp in der Schifffahrt verhältnismäßig geringe Fallzahlen. Von insgesamt 13.626 Schlichtungsanträgen in 2016 betrafen lediglich 29 den Verkehrsträger Schiff. Das dürfte zum einen daran liegen, dass es seitens der Passagiere nur selten etwas zu beanstanden gibt und zum anderen, dass Reedereien bei Beschwerden bereits im Vorfeld eines Schlichtungsverfahrens eine gütliche Einigung mit den Passagieren erzielen.

Ein anderer Grund für die geringen Fallzahlen kann damit zusammenhängen, dass vielen Passagieren die Möglichkeit einer Schlichtung einfach nicht bekannt ist. Das soll sich nach dem Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers insbesondere durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz von 2016 (VSBG), das EU-Fahrgastrechte-Schifffahrt-Gesetz und die Verordnung 524/2013 ändern.

Das VSBG verpflichtet u.a. Fährreedereien zum einen (auch in ihren AGB), auf ihre generelle Bereitschaft zur Schlichtung und gegebenenfalls auf die »zuständige Verbraucherschlichtungsstelle« hinzuweisen. Zudem muss sie, wenn ein Streit mit einem Passagier nicht beigelegt werden konnte, schriftlich auf die „zuständige“ beziehungsweise „geeignete“ Schlichtungsstelle hinweisen. Bei der Online-Buchung einer Fährfahrt muss zudem ein Hinweis auf die Europäische Online-Streitbeilegungsplattform erfolgen.

In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass auch einigen Fährreedereien diese Hinweispflichten nicht vollständig bekannt sind. Die söp formuliert dies so: »Viele Schiffsunternehmen haben die Schlichtung – trotz neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes – offensichtlich noch nicht auf ihrer ›To-do-Liste‹.«

Ein Antrag auf Schlichtung bei der söp kommt nur in Betracht, wenn die betreffende Fährreederei Mitglied der söp ist. Bei der überwiegenden Anzahl der Fährreedereien ist das der Fall, sodass der Weg für Passagiere zu einer Schlichtung in den meisten Fällen grundsätzlich eröffnet ist.

Sofern bereits ein gerichtliches Verfahren über den Schlichtungsgegenstand anhängig ist, ist eine Schlichtung nicht möglich. Umgekehrt ist es für eine Klagerhebung nicht erforderlich, dass vorher ein Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt wurde. Der Passagier ist somit in der Entscheidung frei, ob er eine Schlichtung oder den Klageweg beschreiten möchte; der Eingang des Schlichtungsantrags bei der söp hemmt grundsätzlich die Verjährung.

Während der Passagier bei Gericht zunächst abhängig vom Streitwert Gerichtskosten vorschießen muss, ist die Schlichtung für ihn kostenlos. Damit hat der Passagier einen gewissen Anreiz, zunächst den Weg der Schlichtung zu wählen. Die Tatsache, dass die Fährreederei die Kosten des Schlichtungsverfahrens trägt (und zwar freiwillig) und damit bereits im Vorfeld ein gewisses Maß an goodwill zeigt, kann den Willen des Passagiers an einer gütlichen Einigung positiv beeinflussen.

Die Schlichtung beschäftigt sich mit Fällen im Zusammenhang mit Fahrgastrechten für Schiffsreisende und der Unfallhaftung von Beförderern, hingegen nicht mit Reisemängel im Rahmen eines Pauschalreisevertrages (z.B. unzureichende Serviceleistungen bei einer Kreuzfahrt). Diese Abgrenzung zwischen Beförderungs- und Pauschalreisevertrag kann mitunter zu Schwierigkeiten führen – Stichwort: Minikreuzfahrten auf der Ostsee.

Der Passagier muss sich zunächst mit seinem Anliegen an die Fährreederei gewandt haben. Erst wenn in diesem Stadium keine Einigung erzielt werden konnte, kann der Passagier einen Schlichtungsantrag, in dem der relevante Sachverhalt (ggfs. mit schriftlichen Nachweisen) geschildert werden muss, bei der söp stellen. Nach Eingang prüft die söp, ob der Antrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Wenn das nicht der Fall ist, erhält die Fährreederei den Antrag des Passagiers zur Stellungnahme und gegebenenfalls bereits einen Entwurf einer von der söp erarbeiteten Schlichtungsempfehlung. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich bei der söp aufgrund der geringen Fallzahlen im Schifffahrtsbereich noch keine konkrete Schlichtungspraxis entwickelt hat.

Grundsätzlich erfolgt in dem Schlichtungsverfahren keine umfassende Beweiserhebung; allein der Urkundenbeweis steht den Parteien offen.

Bei Unzulässigkeit des Schlichtungsantrags wird dieser abgewiesen, bei offensichtlicher Unbegründetheit erfolgt ein ablehnender Kurzentscheid. Ist der Antrag zulässig und nicht offensichtlich unbegründet, wird den Parteien eine unverbindliche Vergleichsempfehlung unterbreitet. Stimmen beide Seiten der Empfehlung innerhalb der gesetzten Frist zu, entsteht ein rechtsverbindlicher Vergleichsvertrag. Wird die Empfehlung von einer der Parteien innerhalb der gesetzten Frist nicht angenommen, ist das Schlichtungsverfahren beendet. Der Passagier wird sich bei Ablehnung der Empfehlung durch die Reederei überlegen, ob er seine Forderung anschließend gerichtlich geltend machen will.

Die Fährreederei wird die Vergleichsempfehlung insbesondere in den Fällen nicht annehmen, in denen sie vorteilhafte Beweismittel an der Hand hat, welche im Schlichtungsverfahren nicht zugelassen sind, etwa Zeugenbeweise. Diese Beweismittel können dann im gegebenenfalls anschließenden Gerichtsverfahren eingesetzt werden.

Zudem eignet sich das Schlichtungsverfahren aufgrund der geringen Fallzahlen im Fährschifffahrtsbereich (noch) nicht für komplexere Fälle, die eine tiefe Kenntnis der maritimen Gegebenheiten erfordern. Für Streitigkeiten mit einem Beschwerdewert von mehr als 30.000 € ist eine Schlichtung ohnehin nicht möglich.

Im Grundsatz verbaut sich eine Fährreederei mit dem Versuch einer Schlichtung nichts: Entspricht die Schlichtungsempfehlung der söp nicht den Vorstellungen der Reederei, nimmt sie diese Empfehlung schlicht nicht an. Der Passagier wird sich dann überlegen, ob er seine Forderung gerichtlich geltend macht. Aber auch ohne (ergebnislose) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens hätte der Passagier vermutlich eine gerichtliche Geltendmachung in Betracht gezogen. Andererseits wird sich ein Passagier bei einer Schlichtungsempfehlung zu seinen Gunsten, die von der Reederei abgelehnt wird, in seiner Rechtsposition gestärkt fühlen und eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht scheuen.

Autor: Wessel P. Brons,

Rechtsanwalt, Lebuhn & Puchta

Wessel.Brons@lebuhn.de


Wessel P. Brons