Im Interview mit der HANSA spricht , Paddy Rogers CEO der Tanker-Reederei Euronav, über die aktuellen Schwierigkeiten im Markt, alternative Kapitalquellen und die künftige Rolle des Unternehmens
Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Markt für große Öltanker ein?
Paddy Rodgers: In den nächsten 12[ds_preview] bis 24 Monaten erwarten wir einen Ölpreis von 45 bis 55$ pro Barrel. Das würde dem Tanker-Markt gut tun, da ein niedrigerer Ölpreis eine höhere Nachfrage bewirkt, wie auch die dreifach angepassten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigen. Insgesamt erwarten wir, dass der kurzfristige Tankermarkt herausfordernd bleibt, da speziell im VLCC- und Suezmax-Segment in den kommenden 18 Monaten einige Neubauten in den Markt kommen. Zwar gibt es positive Aspekte, wie die Zunahme der Tonnenmeilen, die Steigerung der weltweiten Ölfördermenge – trotz der OPEC-Maßnahmen – und die wachsenden finanziellen und regulatorischen Anforderungen, die den Druck zu Konsolidierung und Verschrottung erhöhen werden. Allerdings dürften die Frachtraten weiter sinken bis der Tanker-Markt eine Balance zwischen Nachfrage und Tonnage-Angebot sieht.
Wie wirken sich – neben der Regulierung – geopolitische und protektionistische Tendenzen auf Ihren Markt aus?
Rodgers: Die Geschichte hat gezeigt, dass geopolitische Spannungen zu Verlagerungen des Marktgeschehens und des Handels geführt haben. Das ist tendenziell positiv für die Schifffahrt.
Neue Regulierungen – speziell die Anforderungen an den Schwefelaustoß bis 2020 – werden mehr Eigner dazu verleiten, ältere Schiffe bis dahin zu verschrotten. Das dürfte den Tankermarkt schneller in ein Gleichgewicht bringen als derzeit erwartet wird, auch angesichts der schwachen, derzeitigen Erlössituation.
Wie viel Verschrottung ist Ihrer Meinung nach nötig?
Rodgers: Nicht sehr viel. Wenn man sich die Flotte wie eine Badewanne vorstellt, war der Wasserhahn in den vergangenen drei Jahren offen, während der Stöpsel relativ fest bleib, weil es kaum Verschrottungen gab. Wir sehen aber nun ein Anziehen im Scrap-Markt, mit jeweils acht VLCC und Suezmax in diesem Jahr – ein gutes Zeichen. Der Tanker-Markt besteht aus rund 1.100 VLCC-Äquivalenten (1 VLCC = 2 Suezmax) mit einem Überhang von ca. 20 bis 30 solcher Einheiten. Eine Netto-Schrumpfkur in dieser Größenordnung würde uns einem Gleichgewicht also näher bringen.
Was sind Ihre eigenen Flottenpläne?
Rodgers: Wir erwarten 2018 vier Suezmax-Neubauten, die jeweils siebenjährige Charter haben. Gleichzeitig übersteigen drei solche Schiffe die Altersgrenze von 20 Jahren im kommenden Jahr. Sie werden wahrscheinlich aus der Flotte ausscheiden.
Der Investor M&G erhöhte jüngst seinen Anteil an Euronav auf 5,04%. Erwarten Sie weitere solche Schritte oder neue Shareholder?
Rodgers: Wir arbeiten sehr hart an unserer Investoren-Struktur und suchen weiter nach neuen oder bestehenden Aktionären, die ihren Anteil am Tanker-Markt über Euronav erhöhen wollen.
Wie sieht die aktuelle Struktur aus?
Rodgers: Wir sind in New York an der NYSE und an der Euronext gelistet. 85% unserer Aktien sind im »Free Float«, 15% sind weiter im Besitz der Gründerfamilie.
Euronavs Umsatz und Gewinn sackten im ersten Halbjahr ab, das Tanker-Geschäft rutschte anders als das FSO-Segment (Floating, Storage and Offloading) sogar ins Minus. Wie wollen Sie zurück in die schwarzen Zahlen kommen?
Rodgers: Nur um das klarzustellen: Euronav hat unter dem Strich einen Nettogewinn von 10Mio. $ für das erste Halbjahr verbucht. Aber die Rahmenbedingungen mit niedrigen Frachtraten waren natürlich für den gesamten Markt schwierig. Um unsere Profitabilität zu verbessern, haben wir eine Reihe von Maßnahmen ergriffen:
Erstens haben wir eine Anleihe ausgegeben und die Zusammenarbeit mit Banken vertieft, sodass wir jetzt (30. Juni 2017) eine Liquidität von 800Mio. $ haben. Dies hilft uns, die Entwicklung der Raten abzufedern und bei Gelegenheit nach neuer Tonnage Ausschau zu halten.
Zweitens haben wir an unserer Flotte gearbeitet, etwa durch den Verkauf alter Tonnage (»TI Topaz«), vier Sale-and-Lease-Back-Transaktionen für VLCC-Tanker und die Aufnahme jüngerer Schiffe durch vier siebenjährige Suezmax-Zeitcharter.
Drittens suchen wir auf der operativen Ebene nach weiteren kommerziellen Initiativen bzw. der Verstärkung unserer Pool-Projekte »Tankers International Pool« und »Suezmax-Pool«. Außerdem arbeiten wir an einer Vertiefung unserer Beziehungen, sei es zu Ladungseignern in Saudi-Arabien oder zu Endabnehmern in China.
Nicht zuletzt wollen wir unsere Attraktivität für Investoren erhöhen. So wollen wir jetzt eine feste jährliche Mindest-Dividende von 12 ¢ pro Aktie auszahlen.
Sie sprechen von Ihren kommerziellen Aktivitäten: Wie ist der Stand der Dinge in ihrem Joint Venture für Suezmax-Chartering mit Frontline und Diamond S?
Rodgers: Das Joint Venture ist erst seit rund 15 Monaten aktiv und entwickelt sich in einem sehr fragmentierten Markt kontinuierlich weiter. Es ist weiter offen.
Sie erwähnen auch das Sale-Lease-Back-Agreement. Was halten Sie von einer Zusammenarbeit mit chinesischen Leasing-Firmen?
Rodgers: Wir schauen uns nach allen möglichen Kapitalquellen um. Bislang gibt es aber keine Pläne in dieser Richtung.
Erwarten Sie eher, dass neue Player auf den Markt kommen oder eher, dass bestehende Akteure ausscheiden?
Rodgers: Vor allem Letzteres. Wir erwarten nicht, dass in diesen Zeiten neue Akteure in den Tankermarkt eintreten. Kleinere Unternehmen werden vielmehr noch stärkeren Druck durch das Ratenniveau, zunehmende Regulierungen und den Umstand erfahren, dass Banken ihr Engagement zurückfahren.
Welche Rolle könnte Euronav in der Konsolidierung spielen?
Rodgers: Als das größte börsennotierte Tanker-Unternehmen werden wir eine zentrale Rolle spielen. Die Konsolidierung wird sich nicht zwangsläufig auf Zu- oder Verkäufe beschränken, sondern auch auf der kommerziellen Ebene stattfinden, zum Beispiel durch Tanker-Pools.
Haben Sie für organisches oder anorganisches Wachstum genug Finanzkraft?
Rodgers: Ja, auf jeden Fall. Mit 800 Mio. $ Liquidität können wir die niedrigen Raten noch mindestens drei Jahre abfedern und darüber hinaus expandieren.
Interview: Michael Meyer
Michael Meyer