Digitalisierung, Cyber Crime, Chinese Leasing und die Konsolidierung in der Schifffahrt – neben den »traditionellen« Themen bedürfen neue Aspekte immer mehr Aufmerksamkeit der Juristen. Die Meinungen dazu sind allerdings durchaus geteilt.

Im Rahmen einer Kurz-Umfrage der HANSA unter den hierzulande aktiven »maritimen Kanzleien« wurde schnell deutlich: Das KG-Geschäftsmodell und[ds_preview] die die Branche umwälzende Restrukturierung sorgen nach wie vor für Arbeit bei den Juristen. Zu groß war der Markt und zu strittig so manche Entwicklung, als dass der Berg schon abgearbeitet sein könnte. Doch die Arbeitsschwerpunkte verschieben sich immer stärker. Ein Aspekt, eng verbunden mit der Restrukturierung bestehender Finanzierungen oder neuen Projekten, ist »Chinese Leasing«, also der Rückgriff auf Leasing-Gesellschaften aus Fernost, hinter denen in der Regel staatliche Banken stehen und die ihr Portfolio enorm ausgebaut haben.

Chinese Leasing

Weil das aber für viele Schifffahrtstreibende ein relativ unbekanntes Feld ist, werden oft Juristen zu Rate gezogen. Stefan Rindfleisch aus der Kanzlei Ehlermann Rindfleisch Gadow erläutert, dass nach wie vor zahlreiche Restrukturierungen stattfinden, mittlerweile häufig bereits in der zweiten, dritten oder gar vierten Runde – mit entsprechenden Folgen: »Der Mangel an klassischen Fremdkapitalfinanzierungen durch Banken erhöht den Anteil alternativer Finanzierungsformen. Hierbei sind in erster Linie Leasingfinanzierungen zu erwähnen. Den größten Marktanteil haben mittlerweile die chinesischen Leasinggeber«. Darüber hinaus würden er und seine Kollegen neben den klassischen Leasingfinanzierungen zurzeit auch Anleihestrukturen begleiten.

»Unsere Beratung konzentrierte sich bislang insbesondere darauf, Regelungen zu finden, die den berechtigten Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Hier steht insbesondere das Interesse des Bareboat-Charterers an der Weiternutzung des Schiffes im Mittelpunkt, auch dann, wenn sich der Leasinggeber gegenüber seiner Bank in Verzug befindet«, sagt Sieke Kremer-Tiedchen aus der Kanzlei Dabelstein & Passehl. Weitere entscheidende wie komplexe Punkte seien die Begrenzung der »Hell-and-Highwater« Regelung zur durchgehenden Zahlungspflicht bezüglich der Charter, die Regelung der Verteilung der Versicherungsbeträge im Falle eines Total Losses sowie Ankaufsoptionen bzw. Verpflichtungen.

Den größten Handlungsbedarf in den Schifffahrtsunternehmen sieht sie für eine stetige Verbesserung des Controllings und Reportings. »Wichtig wird aber auch die Implementierung von Kontrollsystemen bezüglich der Einhaltung von Sanktionsregelungen sowie zur Vermeidung von Korruption. Hier enthalten vor allem Verträge ausländischer Banken zunehmend verschärfte Regelungen, die auch über Leasingverträge an die Reeder weitergegeben werden«, so die Anwältin.

Leasing = »Second Best«?

Oliver Rossbach, Co-Gründer der noch jungen Kanzlei Pier 11, bewertet Projekte mit »Chinese Leasing« etwas kritischer als so Mancher, der sich davon viel verspricht: »Dabei handelt es sich um relativ aufwändige Konstruktionen, die in der Umsetzung teuer und vor allem in Restrukturierungssituationen schwergängig sind. Daher werden diese Leasingmodelle mittel- und langfristig »Second Best« sein. Wir werden sehen, dass vorzugsweise Private Equity und Private Debt – direkt und indirekt über Fondstrukturen – in Anspruch genommen werden.« Auch die klassische Bankfinanzierung, wenn auch zunächst restriktiv, wird seiner Ansicht nach weiterhin zur Verfügung stehen.

Bei Watson Farley & Williams ist man laut Maren Brandes – vor allem durch die Niederlassung in Athen – »seit mindestens fünf Jahren« in der Beratung von Reedereien zu diesem Thema aktiv. Aus den Büros in Hong Kong und Singapur arbeitet man auch mit Leasinggesellschaften. »Selbstverständlich ist das Thema Chinese Leasing auch für den deutschen Markt relevant und ja auch bei einigen Deals bereits umgesetzt. Jedoch sehe ich hier das Hauptproblem in den Kriterien der chinesischen Leasinggesellschaften«, sagt Brandes. Dazu zählt sie das »Standing« des Reeders, Größe der Flotte (mehr als 20 Schiffe), Größe des Deals (mehr als 50Mio. $). »Diese passen nicht auf unsere deutschen KG-Strukturen, deswegen wird es spannend sein zu sehen, ob die deutschen Reeder hierauf reagieren und sich zum Zwecke des Chinese Leasing in Joint Ventures bewegen.«

Aus rechtlicher Perspektive ist nach Meinung von Thomas de la Motte von CMS Hasche Sigle der exakte Geschäftsort sehr relevant. Um die Leasinggeschäfte rechtlich soweit es geht von »Mainland-China« abzukoppeln, würden die Leasing-Strukturen meist über Hong Kong aufgesetzt. »Dies entspricht nicht nur einem von vielen Charterern geäußerten Wunsch, sondern ist nach unserem Dafürhalten auch aus Sicht des Reeders unbedingt geboten, da es für ihn als Leasingnehmer im Falle einer etwaigen Auseinandersetzung sicher leichter ist, seine Ansprüche vor den – nach wie vor durch die englische Rechtstradition geprägten – Gerichten in Hong Kong durchzusetzen als vor den Gerichten in (Mainland) China.«

Auch in der Praxis der Hamburger Niederlassung von Norton Rose Fulbright hat Chinese Leasing stark zugenommen. »Unsere asiatischen Büros sind sehr aktiv. Teilweise gibt es auch Bezüge nach Deutschland. Wir haben u.a. Banken bei der Ablösung von konventionellen Schiffsfinanzierungen durch Chinese Leasing beraten«, sagt Ludger C. Verfürth. Als Beispiel nennt er die sogenannte M-Star-Flotte von MPC Capital, die mittlerweile für Maersk fährt.

Digitalisierung & Cyber Crime

Ein anderer Themenkomplex, der unter den Juristen immer mehr Aufmerksamkeit bedarf, ist die Digitalisierung und das damit zusammenhängende Problem der Cyber-Kriminalität. Hier sehen Viele einigen Nachholbedarf bei den Schifffahrtstreibenden.

Aus rechtlicher Sicht liegen laut Sami Chowdury von Ince & Co. in der Anfangsphase die Schwerpunkte bei der Strukturierung von Transaktionen, »angepasst an deutsche Marktusancen«, sodass inbesondere deutsche Tonnagesteuervorteile und Bareboat-Ausflaggungen weiter genutzt werden können.

Aus Sicht von Esther Mallach aus der Kanzlei Dabelstein & Passehl geht es dabei um die Erstellung unternehmenseigener Compliance Regeln und die Sensibilisierung für Cyber-Risiken, den Sicherungspflichten nach dem Datenschutzgesetz bzw. der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung – Geltung ab Mai 2018) und dem IT-Sicherheitsgesetz. »Es besteht Handlungsbedarf auf drei Ebenen. Erstens: Risikoabschätzung im eigenen Unternehmen erkennen sowie in den Unternehmen der Kunden und Sub-Unternehmer beziehungsweise der Supply Chain und der Auftragsunternehmer – Stichwort »Cloud Provider«. Zweitens: Kenntnis der Rechtslage in Bezug auf die Pflichten zur Implementierung von Cyber Security Maßnahmen (DSGVO; IT Sicherheitsgesetz; KRITIS). Und Drittens: Sensibilisierung der Mitarbeiter – der menschliche Faktor ist der wichtigste und auch am schwersten zu kontrollierende Faktor in der Sicherheitskette«, erläutert sie. Zudem müsse es künftig um die Erstellung von Compliance-Regeln gehen sowie um die Gestaltung der Verträge in Hinblick auf Haftungsrisiken sowie um die Darstellung und Beratung zur Haftung der Geschäftsleitung. Langfristig werde zudem die autonome Schiffahrt an Geschwindigkeit und Bedeutung zunehmen, mit allen rechtlichen Konsequenzen und entsprechendem Beratungsbedarf.

In der Kanzlei Lebuhn & Puchta beobachtet man laut Johannes Trost, dass herkömmliche Schutzmechanismen und »klassische, hanseatische Stärken, wie persönliche Netzwerke und Kontakte sowie langjährige Erfahrung im In- und Ausland« zunehmend in den Hintergrund geraten. Die schon in den letzten Jahren erkennbare Tendenz scheine sich zu verstärken, dass seriöse und betrügerische Geschäftskontakte immer schwieriger als solche unterscheidbar seien.

Bei Ahlers & Vogel war laut Philipp Landers und Martin Rosenzweig in den letzten zwölf Monaten die Cyber Security eines der wichtigsten Themen: »Hier besteht aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf, Fragen zur IT/OT (Information und Operational Technology) und deren Sicherheit vertraglich zu regeln.« Relevant sei dabei zunächst generell die Frage nach der Haftung, etwa bei Programmdefekten oder mangelnder IT-Sicherheit von »cyber enabled components« ab Werk. Auch die Klärung der Datenhoheit im Verhältnis zu den Werften und den Zulieferern und der Zuständigkeiten für Wahrung und Verbesserung der IT-Sicherheit an Land und an Bord hätten große Bedeutung. Aus Sicht der Juristen ist hier »noch viel aufzuarbeiten und erst einmal ein Problembewusstsein zu schaffen«.

Auch die »zukunftsgewandte Erarbeitung von rechtlichen Lösungen« für Konzepte zum autonomen Schiffsbetrieb und damit einhergehenden Rechtsfragen seien wichtig. Da sehe man bei Ahlers & Vogel »juristische Expertise in Zukunft nicht nur bei der Rechtsetzung, sondern auch bei der Beratung der Unternehmen gefragt, die sich entweder allein oder im Rahmen von Joint Ventures, Forschungs- und Entwicklungsverträgen an der Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen Schiffsbetrieb beteiligen. In diesem Bereich konnten und können wir in diesem Jahr bereits einige Anfragen verzeichnen.«

Oliver Rossbach von Pier 11 bezeichnet auch für die Schifffahrt die Digitalisierung und den damit verbundenen Umbau traditioneller Unternehmensstrukturen als das Thema schlechthin. »Wir sehen beispielsweise neue Geschäftsmodelle von Start-ups in Form von digitalen Speditionen, digitalem Schiffsmanagement sowie innovativen Handelsplattformen. Auch traditionelle Reedereien beschäftigen sich mit digitalen und disruptiven Ansätzen, um ihre Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Hier ergeben sich interessante Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Venture Capital Investoren und Start-ups.«

Handlungsbedarf schätzen wir nicht dringender ein, als er im Rest der Wirtschaft oder den öffentlichen Stellen auch ist.«

Thomas de la Motte, CMS Hasche Sigle

Kehrseite des exponentiell steigenden Datenaustauschs sei allerdings Cyber Crime, so Rossbach weiter. Cyber Security sei also ein äußerst wichtiges Thema, das man als Corporate Finance-Kanzlei über hochspezialisierte IT-Partnerkanzleien mit abdecke. »Die größte Managementleistung der maritimen Branche besteht jetzt darin, sich trotz weiterhin massiv abzuwickelnder Altlasten dem Zukunftsthema Digitalisierung mit voller Energie zu widmen. Damit verbunden sind neue spannende Investitions-, Kooperations- und Finanzierungsprojekte, die wir mit unseren Mandanten zum Erfolg führen möchten.«

Aus Sicht von Eckehard Volz und Stefan Segger (Ince & Co.) geht es künftig vor allem darum, Risiken und Schadensszenarien zu ermitteln und sich mit Risikomanagement und Notfallplänen aduäquat vorzubereiten. Für Viele sei außerdem die Frage, ob und in welchem Umfang sie Versicherungsschutz einkaufen wichtig. Mit diesem Versicherungsschutz beschäftigt man sich bei Ince & Co. recht intensiv: »Im Rahmen der Analyse der am Markt angebotenen Versicherungsdeckungen haben wir uns insbesondere mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen die Definition des Versicherungsfalls auf den Versicherungsschutz in zeitlicher Hinsicht hat. Hier spielen komplexe Fragestellungen der Rückwärtsversicherung für vor Vertragsschluss liegende Informationssicherheitsverletzungen und der Nachhaftung nach Ende des Versicherungsvertrages eine entscheidende Rolle.«

Thomas de la Motte von CMS Hasche Sigle hat den Eindruck, dass die meisten Unternehmen der maritimen Branche sich der Gefahren bewusst sind, die durch unzureichende Cyber Security drohen. »Den Handlungsbedarf schätzen wir daher nicht dringender ein, als er im Rest der deutschen Wirtschaft oder den öffentlichen Stellen auch ist.« Cyber Security sei allerdings nur ein Teil einer ganzen Reihe daran angrenzender Themengebiete, die im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung relevant werden, wie beispielsweise der Datenschutz. In diesen angrenzenden Themengebieten seien die drohenden Gefahren und Haftungsrisiken oft nicht so deutlich erkennbar. Es stellten sich IT-Compliance-Fragen, die bei Nichtbeachtung empfindliche Konsequenzen haben könnten, etwa sehr hohe Bußgelder).

Auch im Bereich Schifffahrt und Logistik werden nach Meinung von de la Motte zunehmend wertvolle Datenbestände angehäuft. Hier ergäben sich nicht nur Fragen zur IT-Sicherheit und zum Datenschutz, sondern auch nach dem Eigentum an diesen Daten und Zugangs- und Verwertungsrechten. Mangels klarer gesetzlicher Regelungen bestehe hier ein hoher rechtlicher Gestaltungsbedarf; ein wichtiger Gesichtspunkt hierbei ist das Thema »Privacy by Design«.

»Ein aktuelles Thema unserer Mandanten ist auch das IT-Sicherheitsgesetz. Dessen Anwendungsbereich wurde zum 30. Juni 2017 auf Transportinfrastruktur ausgedehnt. Mit Plattform-Lösungen in der Transportwirtschaft beschäftigen wir uns zunehmend, weil die Digitalisierung auch hier Fahrt aufgenommen hat. Ein Schwerpunkt solcher Plattformlösungen liegt auf der Übermittlung von Buchungsaufträgen und von B/L-Instruktionen.«

Zunehmend treten Online-Speditionen am Markt auf, über die der Kunde als »One-stop-Shop« seine (Multimodal-) Transporte online buchen, verwalten und verfolgen, die Verzollung organisieren und eine Frachtversicherung abschließen kann. Hier gebe es aber einen entscheidenden rechtlichen Unterschied zwischen den Übermittlungsplattformen und Online-Speditionen: Letztere seien Vertragspartner des Kunden, während bei der Nutzung von Übermittlungsplattformen üblicherweise die Reederei mit dem Kunden den Transportvertrag schließt und sich lediglich Anbietern wie INTTRA, GT NEXUS oder CargoSmart bedient, um relevante Daten mit Kunden auszutauschen. »Die rechtlichen Herausforderungen bei der Kooperation mit Online-Diensten sind vielfältig: Fragen der Vertragsgestaltung, insbesondere zur Haftung und Datenschutzthemen spielen ebenso wie versicherungsrechtliche Fragen eine große Rolle, um nur einige Bereiche zu nennen«, so der Jurist.

Auf der operativen Ebene erleichtert die Digitalisierung zunehmend auch sogenannte Plattformlösungen für Fracht- und Charter-Geschäfte. Ludger C. Verfürth und seine Kollegen bei Norton Rose Fulbright sehen in diesem Zusammenhang im Rahmen der Konsolidierung die Entwicklung, dass sich auch die Supply-Seite zusammenschließt, um der Marktmacht der Liner-Allianzen ein Gegengewicht zu geben. »Wir haben in diesem Zusammenhang zum Beispiel Costamare beim Joint Venture mit Döhle beraten.« Bisher seien zwar nur einzelne Spieler aktiv, »wir erwarten hier eine Ausweitung der Plattformen.«


Michael Meyer