Der Ausbau von Kaianlagen und Hafenzufahrt in Gdansk steht kurz bevor, ein noch größeres Expansionsprojekt ist in Arbeit. Für den Ostseeraum erhebt man einen Führungsanspruch und erweitert das Hinterland. Von Felix Selzer

Der »Central Port« ist das erste große Entwicklungsprojekt des Hafens Gdansk in 40 Jahren. Neue Tiefwasserterminals sollen es erlauben, die[ds_preview] größten Schiffe, die in die Ostsee einfahren können, abzufertigen. Angedacht sind Anlagen für alle Ladungsarten, sowohl Container- als auch Massengut- und Tankterminals könnten entstehen, entscheiden soll der Bedarf. Von der Regierung gab es Anfang des Jahres grünes Licht für die Pläne, an denen bereits seit einer Weile gearbeitet wird (s. HANSA 02/2016).

Weil der Fahrzeugumschlag in Gdansk an Bedeutung gewinnt, gibt es im Hafenentwicklungsplan noch ein weiteres Projekt. Ein neues RoRo-Terminal soll in direkter Nachbarschaft des Tiefwasser-Containerterminals DCT Gdansk in diesem Sektor die Kapazitäten erhöhen. Allein in den ersten acht Monaten 2017 wurden 373% mehr Nutzfahrzeuge umgeschlagen als im vergangenen Jahr, zudem konnte im März ein neuer Vertrag für den Import von Fahrzeugen der Re­nault Nissan Alliance geschlossen.

Zunächst steht jedoch die Verbesserung der bestehenden Infrastruktur und Erreichbarkeit des Hafens an. Der Hafen verfolgt hier ein mehrstufiges Konzept, das die Ausbaggerung der seewärtigen Zufahrt sowie den Neubau von Kaianlagen im inneren Hafen einschließt. Der gesamte Projektwert beläuft sich auf über 110Mio. € wovon 85% von der EU kommen, als Teil der Connecting Europe Facility (CEF).

Auch diese Pläne existieren schon länger, jetzt kommt Bewegung in das Projekt. Zunächst geht es nun um die Erweiterung von Liegeplätzen und eine Verbesserung der Zufahrt. Die Port of Gdansk Authority (PGA) hat einen Vertrag mit dem Unternehmen Doraco über die Arbeiten am Obroncow Poczty Polskiej Quay und am Mew Quay geschlossen. Insgesamt sollen über 40Mio. PLN, rund 9,4Mio. €, investiert werden. Bis 2020 sollen die Arbeiten an Kais und Fahrwasser auf einer Länge von 5km abgeschlossen sein.

Alternative zu den Westhäfen

Die Polen formulieren ihren Anspruch mittlerweile immer selbstbewusster. Gdansk will in den nächsten Jahren zum wichtigsten Tiefwasserhafen in der Ostsee werden und präsentiert sich offensiv als Alternative zu den Westhäfen. Unterstützt und vorangetrieben werden die Ausbaupläne direkt von der polnischen Regierung. Zuletzt hatte Premierministerin Beata Szydlo Ende Oktober beim zweiten Treffen der Verkehrsminister von Zentral-, Osteuropa und China die Regierungspläne bestätigt. Man sehe großes Potenzial für die Region, die gute Seeanbindung sei nicht zuletzt für den Handel mit China entscheidend.

Szydlo betonte die Gateway-Funktion von Zentral- und Osteuropa für die Europäische Union. Alle Güter, die über Land aus China nach Westeuropa und umgekehrt transportiert würden, müssten hier hindurch. »Eine gute Hafeninfrastruktur in unserer Region kann deshalb eine interessante Alternative zu den Häfen in Westeuropa sein.«

Dank der Regierungsunterstützung werde der Ausbau nun immer realistischer, meinte Lukasz Greinke, Vorstandsvorsitzender der PGA. »Wir würden das Projekt gern so bald wie möglich umsetzen. Der Wettbewerb unter den Nord- und Ostseehäfen zwingt uns, schnell zu handeln. Wir konkurrieren nicht nur um Kunden in Polen, sondern auch in Tschechien, in der Slowakei und in der Nord­ukraine«, so Greinke. In fünf Jahren könnten bereits zwei Terminals des neuen Zentralhafens in Betrieb sein, ist er zuversichtlich.

Durch das Deepwater Container Terminal (DCT) hat sich Gdansk zu einem echten Konkurrenten für die Häfen der Nordrange entwickelt. Unter anderem der Container-Marktführer Maersk Line fährt mit seinen Mega-Boxern nicht mehr nur bis Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg, sondern über Skagen direkt in die Ostsee und dort unter anderem nach Gdansk. Auch OOCL will regelmäßige Dienste zwischen Fernost und Polen mit ULCVs anbieten.

Im Jahr seines zehnjährigen Jubiläums wurde für das DCT jüngst ein neues Investitionsprogramm angekündigt. Erst Ende 2016 war die zweite Ausbaustufe des Terminals mit nun 3Mio. TEU jährlicher Umschlagkapazität in Betrieb gegangen. In den kommenden drei Jahren werden nochmals rund 65Mio. € investiert. Dafür sollen zwei neue Containerbrücken für die Abfertigung von ULCVs angeschafft werden, sowie zwei RTG-Krane. Darüber hinaus wird eine neue Lagerfläche geschaffen. Der Komplex soll vollautomatisch betrieben werden. Zusätzlich zu den Projekten an der Kaimauer wird auch die Schienenkapazität um 50% erweitert. Künftig werden dann sechs Gleisbahnen mit bis zu 750m Länge zur Verfügung stehen.

Gdansk erschließt sein Hinterland

Um sich als Hub attraktiv zu machen und sein Einzugsgebiet auszuweiten, arbeitet der Hafen an seiner Vernetzung ins zentral- und osteuropäische Hinterland. Zusammen mit dem Logistiker PKP Cargo kooperiert er mit dem rumänischen Bahnunternehmen CFR Marfa und dem Hafen Constanta, um die Vernetzung nach Süden zu verbessern. So sollen verstärkt Logistikdienstleistungen über den Bahnkorridor zwischen Gdansk und Constanta abgewickelt werden. Das ist Teil der »Drei-Meere-Initiative« mittel- und osteuropäischer Länder zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Mittelmeer. Zentrales Ziel der »Three Seas BABS (Baltic, Adriatic, Black Sea) Initiative« ist die Entwicklung der Schienenverbindungen innerhalb der europäischen Transportkorridore (TEN-T).

Bereits jetzt verzeichnet der Hafen ein Wachstum im Hinterlandverkehr. Im vergangenen Jahr wurden 500.000 Lkw und rund 240.000 Güterzüge abgefertigt, damit wuchs der Lkw-Verkehr um 43%, der Zugverkehr um 24% im Vergleich zu 2015. Auf der Straße werden vornehmlich Container, Baustoffe, Chemikalien und Getreide transportiert, mit der Bahn vor allem Kohle, Container und chemische Erzeugnisse. Der Anstieg der Zugverkehre wird auch der neuen zweispurigen Bahnbrücke über die Weichsel zugerechnet.

Auf staatlicher Ebene werden die Bestrebungen zudem durch das neue 16+1 Office for Maritime Affairs unterstützt. Hier arbeiten elf EU-Staaten (Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Litauen, Lettland, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Ungarn) mit fünf Balkanländern (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Serbien) mit China zusammen.

Bei der Hafenverwaltung in Gdansk legt man Wert darauf, auch wirklich zum multimodalen Hub zu werden. Eine Expertengruppe bereitet daher zurzeit die Ausschreibung einer Machbarkeitsstudie für die Modernisierung der Wasserstraßen vor. Es geht um die Verbindung des Golfs von Gdansk und des Frischen Haffs (Zalew Wislany) mit dem Wasserstraßensystem in Weißrussland. Langfristig zielt das Projekt darauf ab, die Ostsee über den Dnjepr-Weichsel-Wasserweg E-40 an das Schwarze Meer anzuschließen.

Die Studie soll sich mit einer Modernisierung des E-40-Abschnitts auf der Weichsel zwischen Gdansk und Warschau, des E-40 zwischen Warschau und der polnisch-weißrussischen Grenze und des E-70-Wasserwegs zwischen Weichsel und Frischem Haff befassen. Marcin Osowski, Leiter Infrastruktur bei der PGA, erklärt: »Der Hafen Gdansk bricht derzeit Rekorde. Um die wachsenden Umschlagvolumina auch künftig zu bewältigen, bedarf es einer angemessenen Seehafenhinterlandverbindung, auch in Form von Binnenwasserstraßen.«

Beflügelt werden die Planungen in Gdansk durch gute Umschlagergebnisse. Nach den ersten acht Monaten des Jahres 2017 meldete der Hafen ein Plus von 3,7% – etwas mehr als geplant. Man erwartet ein Rekordjahr 2017 für Container mit über 1,5Mio. TEU. Bis Ende August waren 25,5Mio.t Ladung verschiedener Güterarten umgeschlagen worden. Besonders deutlich ausgeprägt war der positive Trend bei Containern. Den größten Anteil am Gesamtvolumen machten mit 63,3% importierte Rohstoffe aus.