Unter bayerischer Flagge

Der Redaktionsschluss lässt grüßen: Als diese HANSA-Ausgabe unsere Schreib­tische gen Druckerei verlassen musste, war der SPD-Mitgliederentscheid über[ds_preview] den »GroKo«-Vertrag noch in vollem Gange. Vorab also ein kleiner Ausflug ins Hypothetische:

Falls die Jusos entweder einknicken oder nicht genug Anti-Stimmen sammeln können und falls wir mehr als fünf (nochmal: fünf!) lähmende Monate nach der Wahl nun endlich wieder eine tatsächlich arbeitende Regierung bekommen, steht eines schon fest: Die maritime Wirtschaft wird erneut einen bayrischen Minister vor die Nase gesetzt bekommen.

Denn bis zuletzt – und bis zum Redaktionsschluss – war zwar noch nicht klar, wer letztlich den Posten von Vorgänger Alexander Dobrindt übernimmt, ob nun Herr Scheuer oder Frau Bär (oder ein ganz anderer) auf dem Chefsessel Platz nehmen darf. Klar war nach Abschluss des Posten-Geschachers jedoch bereits, dass sich die CSU in der vermeintlich großen Koalition mit dieser Ressortforderung durchgesetzt hat und die Behörde zum dritten Mal in Folge besetzen wird.

Das Verkehrsministerium bleibt also in bayerischer Hand, Verkehr und Digitale Infrastruktur bürokratisch vereint. (Weitere Einzelheiten zum Koalitionsvertrag finden Sie auf Seite 30/31.) Und ja, auch wenn Vorverurteilungen unangebracht sind: Als positiv wird in der maritimen Branche wohl allenfalls der zweite Aspekt bewertet. Zu wenig hat sich ein Großteil der Beteiligten vor allem von Dobrindt und seinem bajuwarischen Vorgänger Ramsauer vertreten gefühlt. Mit »Dauer-Grummeln« lässt sich die Gemütslage wohl am ehesten beschreiben.

Damit wäre dann auch gleich ein Vorteil für die Schifffahrt in der derzeitigen Situation genannt: Positive Veränderungen in des Minister Gunst sind nicht zu erwarten. Selbst wenn sowohl Scheuer als auch Bär bereits als Staatssekretäre das Verkehrsministerium von innen – und damit prinzipiell auch die maritime Wirtschaft näher – kennengelernt haben. Allerdings, ausgeprägte maritime Vorlieben sind von beiden nicht bekannt. Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Ministerposten in der Regel nach Proporz und nicht nach Eignung verteilt werden. Daher ist auch nicht mit größeren »Geschenken« zu rechnen.

Was ist noch zu erwarten? Beispielsweise vom neuen Deutschen Maritimen Zentrum, von dem man immer noch nicht genau weiß, was es tun soll? Die Berufung des ehemaligen ThyssenKrupp-Managers Sichermann zum Geschäftsführer spricht zumindest nicht für allzu viel politischen Filz.

Und weiter? Bleibt der Cuxhavener Enak Ferlemann parlamentarischer Staatssekretär? Er wäre immerhin ein bekannter Ansprechpartner, der durchaus Sinn fürs Maritime hat.

Wer übernimmt den Posten des Maritimen Koordinators?

Was ist von einem möglichen Finanzminister Olaf Scholz zu erwarten, der sich mit maritimen Belangen einigermaßen auskennt, zumindest besser als Sparmeister Schäuble – Stichwort steuerliche Entlastung der Reeder, Versicherungspool?

Wer steckt noch in der Wundertüte, wer hüpft noch aus der Torte?

Wir jedenfalls sind gespannt auf vier weitere Jahre unter bayerischer Flagge.