Die Ankündigung der zweitgrößten Container-Linienreederei Mediterranean Shipping Company (MSC), einen eigenen Deepsea-Dienst für rollende Ladung einzurichten, ließ viele in der Schifffahrt aufhorchen. Ende Februar ist der erste Car Carrier der Reederei ab Le Havre in See gestochen. Von Michael Hollmann

Mit zwei eigenen Schiffen bedient MSC jetzt den RoRo-Verkehr zwischen Nordeuropa und Westafrika, auf dem Fahrplan stehen Le Havre[ds_preview], Antwerpen, Dakar, Conakry und Abidjan.

Warum hat sich das Unternehmen zu diesem Schritt entschlossen? Will die Aponte-Familie, die MSC binnen weniger Jahrzehnte fast bis an die Spitze der Containerschifffahrt geführt hat, dasselbe Kunststück im RoRo-Segment wiederholen? Zur Geschäftspolitik äußert sich die als absolut verschwiegen geltende Dynastie aus Italien grundsätzlich nicht. Recherchen der HANSA in Agenturkreisen haben ergeben, dass die Idee zur Gründung eines eigenen RoRo-Dienstes zwar relativ spontan aufkam, das Engagement aber keinesfalls als Eintagsfliege abgetan werden sollte.

Auslösendes Moment war demnach die Rücklieferung zweier eigener Car Carrier aus einer Zeitcharter, für die sich keine auskömmliche Anschlussbeschäftigung fand. Seniorchef und Firmengründer Gianluigi Aponte hatte die zwei Schiffe »MSC Immacolata« (22.196tdw, Bj. 2012) und »MSC Cristiana« (22.287tdw, Bj. 2011) nach Angaben aus Maklerkreisen schon vor einigen Jahren erworben – rein als Investmentobjekte zur Vercharterung und nicht zur eigenen Befrachtung, wie zu hören ist. Bis Ende 2017 fuhren sie in Charter der italienischen Reederei Grimaldi, eines der führenden Player in der RoRo-Schifffahrt weltweit. Neue Beschäftigung auf Periode hätten die Schiffe angesichts der schwierigen Situation in dem Markt nur zu einer kaum kostendeckenden Rate von 12.000 bis 14.000$/Tag bekommen.

In der Überzeugung, bessere Ergebnisse für die Schiffe in Eigenregie einfahren zu können, habe sich die Aponte-Familie kurzerhand entschlossen, die Schiffe in MSC-Farben umzulackieren und einen eigenen Liniendienst zu starten. Mit dem eigenen weltumspannenden Agenturnetz verfügt die Reederei schließlich über eine recht gute Vertriebsinfrastruktur für ihr Experiment im RoRo-Verkehr. Zudem soll die Reederei zur Verstärkung einen Experten der European RoRo Lines in Le Havre angeworben haben.

Dass die Wahl ausgerechnet auf den Verkehr zwischen Nordwesteuropa und Westafrika fiel, kam nicht von ungefähr. Schließlich standen die MSC-Frachter zuvor beim Westafrika-Spezialisten Grimaldi unter Vertrag, dem das Geschäft dank guter Volumina und Frachtraten speziell im Verkehr nach Nigeria auch finanziell große Freude bereitet haben soll. Hinzu kommt, dass Aponte und Grimaldi in Italien in jüngster Zeit geschäftlich auf Kriegsfuß miteinander gestanden haben sollen. Die MSC-Inhaberfamilie ist mit ihren Shortsea-Tochtergesellschaften Grandi Navi Veloci und SNAV (Società Navigazione Alta Velocità) ein Bündnis mit der Fährreederei Moby Lines eingegangen, um Grimaldi Lines im Italiengeschäft die Stirn zu bieten.

RoRo-Schub durch Übernahme?

Auch in der politischen Lobbyarbeit bewegen sich Aponte und Grimaldi auf Konfrontationskurs zueinander: So schlossen sich die MSC-Gesellschaften dem neuen italienischen Reederverband AssArmatori an, der sich von der traditionellen Vereinigung Confitarma abgespalten hat. Die AssArmatori-Mitglieder wehren sich gegen den Einsatz von Seeleuten aus Drittstaaten auf Schiffen unter italienischer Flagge. Zu den größten Nutznießern dieser Regelung zählt die Grimaldi-Flotte. Ihr Chef Emanuele Grimaldi war bis vor kurzem auch Vorsitzender der Confitarma.

Zusätzlichen Schub dürften die noch winzigen RoRo-Aktivitäten von MSC bekommen, wenn Aponte wie erwartet 49% oder gar 51% an dem ConRo-Spezialisten Ingnazio Messina mit Hauptsitz in Genua übernimmt. Erste Berichte über den geplanten Einstieg tauchten vor einem Jahr in der italienischen Presse auf. Hintergrund sollen Kapitalengpässe bei Messina sein. »Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis es offiziell ist«, wie ein Schiffsmakler mit guten Kontakten in der italienischen Branche gegenüber der HANSA erklärte. Messina mit seiner Flotte von 21 eigenen und gecharterten Schiffen hatte selbst schon einmal einen Anlauf unternommen, einen eigenen Nordeuropa-Westafrika-Dienst zu etablieren – ohne Erfolg. Gemeinsam mit MSC stünden die Chancen wohl nicht schlecht, das Liniennetz für rollende Ladung deutlich auszubauen.

Michael Hollmann