Dabei sein ist nicht alles

Kaum sind die Olympischen und Paralympischen Spiele vorbei, steht mit der Fußball-Weltmeisterschaft das nächste sportliche Großereignis vor der Tür[ds_preview]. Was das mit Schifffahrt zu tun hat? Nun ja, in der Schifffahrt ist nach Jahren der Krise für viele das olympische Leitbild »Dabei sein ist alles« oder passender »Immer noch dabei sein ist schon sehr viel wert« maßgebend. Nur wenige hatten und haben die Kraft, dem fußballerischen Motto »The winner takes it all« zu frönen. Ob wir nach diversen K.O.-Runden schon das finale Stadium erreicht haben? Man weiß es nicht, schon hört man von weiteren bevorstehenden »Ausscheidungsspielen«, auch in Deutschland. Der große Rahmen der maritimen Industrie jedoch, das ist noch immer die globale Politik. Dafür bedarf es keines Video-Beweises. Erst recht nicht mit Blick auf die derzeitige macht- und geopolitische Aufstellung. Deutlich wird das am Handelsstreit. Der noch immer unerfahrene Coach Trump wählt eine auf frühes Pressing ausgelegte Taktik, entscheidender Kniff sollen Zölle und Handelsbarrieren sein. Nur wenige Gegner will er auf Augenhöhe am Spiel teilhaben lassen. Allerdings: Ausnahmen sind gut, aber sie sind eben auch nicht die Regel, sondern Ausnahmen – und damit ein fragiles Gebilde. In die Defensive gedrängt, wollen sich etwa Chinas Machthaber Xi Jinping und europäische Regierungen nicht an die Wand spielen lassen – trotz aller Beschwichtigungsversuche und Gegenmaßnahmen im Taktikbuch. So sind drei der großen weltweiten Handelsräume im Spiel, und damit die Schifffahrt nicht nur mittelbar betroffen. Konsum- und Agrargüter, Rohstoffe oder der volumenträchtige Stahlhandel – für all diese Segmente gibt es mehr oder minder stabile Handels- und damit Schifffahrtsrouten. Sie waren in der Krise für viele der Garant fürs wirtschaftliche Überleben. Und hier könnte es nun Verwerfungen geben. Ja, die Schifffahrt hat es seit jeher immer wieder geschafft, sich auf neue Entwicklungen einzustellen. Aber selbst wenn man in Betracht zieht, dass Trump die Zölle »nur« als Druckmittel für anderweitige Zugeständnisse einsetzt – die Märkte reagieren. Die Schifffahrt muss sich darauf ein-, ihre Taktik womöglich umstellen. Bis zu einem gewissen Grad ist sie dabei auf sich gestellt. Denn hier geht es nicht um Branchenpolitik, hier geht es um das große Ganze. Da ist der Einfluss gering. Auch wenn es wie ein alter Hut klingt, aus Zeiten, in denen noch mit Libero als Absicherung gespielt wurde: Moderne – technische wie kommerzielle – Ansätze sind unerlässlich. Wer das nicht allein schafft, muss sich Partner suchen. Ansonsten reicht es vielleicht nicht. »Dabei sein ist alles« ist ein schönes Motto, im Verdrängungswettbewerb kommt man damit aber eventuell nicht über die Vorrunde hinaus. Wer im Abseits steht, kann kein Tor schießen und folglich auch nicht gewinnen. Oder er muss auf die nächste Chance warten und hoffen, dass sie vor dem Schlusspfiff kommt. Oder darauf, dass es eine (weitere) Verlängerung gibt. Das sollte nicht das Ziel sein.


Michael Meyer