Aufklärung und Kommunikationsunterstützung durch unbemannte Fluggeräte könnten Seenotrettungsdiensten nicht nur die Arbeit erleichtern, sondern im Ernstfall Leben retten. Erste Tests in Deutschland und Großbritannien sind positiv verlaufen

Auf dem Flugplatz im niedersächsischen Rotenburg/Wümme hat die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) vor kurzem gemeinsam mit neun[ds_preview] Partnern erfolgreich ein unbemanntes Luftfahrtsystem getestet. Der erste Probeflug ist Teil eines dreijährigen Forschungs- und Entwicklungsprojektes zum Einsatz automatischer unbemannter Starrflügelflugzeuge im Seenotfall. So sollen auf See unter erschwerten Einsatzbedingungen die Kommunikation verbessert und der Datenaustausch ermöglicht werden, was der Koordinierung von Such- und Rettungsmaßnahmen durch die Seenotleitung Bremen zugutekommt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt, an dessen Ende ein flugfähiger Demonstrator stehen soll.

In Rotenburg flog nun erstmals ein sogenannter Early Demonstrator. Er hatte zu Demonstrationszwecken eine erste Nutzlastkomponente an Bord, mit deren Hilfe AIS-SARTs lokalisiert werden konnten. Dabei handelt es sich um Search and Rescue Transmitter (SART), wie sie in modernen Rettungswesten zum Einsatz kommen. Die Signale sind aber meist nur in einem kleinen Radius um die im Wasser befindliche Person zu empfangen. Einer dieser Sender war auf dem Flugplatz am Boden positioniert.

Bei böigem Wetter am Testtag zeigte sich, dass das System auch unter widrigen Witterungsbedingungen zuverlässig arbeitet. Die Wissenschaftler wie auch Partner der DGzRS auf und über See wie die Marineflieger, die Bundespolizei, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sowie das Havariekommando verfolgten den Testflug in Echtzeit auf einem Bildschirm im Hangar.

Forschungsprojekt LARUS

Alarmierungen in Seenotfällen enthalten oft nur unvollständige und unklare Informationen. Das Forschungsprojekt »LARUS« (lat. Möwe) hat die Lageunterstützung bei Seenotrettungseinsätzen durch unbemannte Luftfahrtsysteme zum Ziel. »Eine fliegende Multisensor-Plattform soll die Suche nach Objekten oder Menschen im Wasser erleichtern und erheblich verkürzen«, erläutert Thomas Lübcke, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter bei der DGzRS.

Der Entwicklungsansatz der Seenotretter und ihrer Forschungspartner unterscheidet sich wesentlich von dem, womit Hilfsorganisationen an Land arbeiten: »Wir wollen in erster Linie die Kommunikation verbessern und die Seenotretter zugleich mit sehr leistungsfähiger Technik für Einsätze unter besonders schwierigen Bedingungen unterstützen«, sagt der Koordinator des Forschungsverbundes Christian Wietfeld, Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationsnetze, TU Dortmund. Er und sein Team haben in der ersten Hälfte der LARUS-Projektlaufzeit ein sogenanntes TinyLTE entwickelt – eine komplettes LTE-Funknetz im kompakten Gehäuse von der Größe einer externen Festplatte. Das TinyLTE wird im weiteren Verlauf als Nutzlast in die Drohne integriert. Es kann bei Bedarf von der Bodenstation aus aktiviert werden, um mit dem Mobiltelefon eines Havaristen in Kontakt zu treten.

So kann das automatisierte Luftfahrtsystem bei Suchen auf See als Mobilfunk-Relais zwischen Havaristen und der Seenotleitung Bremen fungieren und schwächste elektromagnetische Signale empfangen, die Handys bei der Netzsuche aussenden.

Laser-optische Sensoren können selbst bei Nacht oder schlechter Sicht die Wasseroberfläche nach Unregelmäßigkeiten absuchen, wie sie etwa treibende Objekte oder Wärmequellen wie Menschen im Wasser erzeugen. Außer der Entwicklung eines leichten Gimbals (kardanische Aufhängung zur Bildstabilisierung) zur Aufnahme der Optik, entwickelt der Projektpartner OptoPrecision auch die Auswertungssoftware, die auf einem Rechner an Bord betrieben wird: Die Bilder werden vom Fluggerät durch den Einsatz künstlicher Intelligenz ausgewertet und Funde mit der Datenkommunikationstechnik an die Seenotleitung oder die Rettungseinheiten im Einsatzgebiet übertragen.

Das unbemannte Starrflügelflugzeug des jungen Bremer Unternehmens Hanseatic Aviation Solutions wird im Entwicklungsprozess an die Einsatzbedingungen der Seenotretter angepasst: Mit einem Abfluggewicht unter 25 kg soll es künftig bis zu 200km/h schnell und bei Windstärken bis 10 Bft fliegen. Ausgestattet mit einem System zur Böenlastminderung und einem radarbasierten Kollisionsvermeidungssystem – beides Entwicklungsziele der RWTH Aachen – soll es in der Lage sein, gemeinsam mit manntragenden Flugzeugen wie SAR-Hubschraubern auch in Schwerwettersituationen im gleichen Luftraum fliegen zu können. Die verwendeten Module hat der Hersteller IMST speziell für diesen Nutzungskontext angefertigt.

»Auf See wird die eigentliche Rettung auch künftig durch die Besatzungen von Seenotrettungskreuzern oder Hubschraubern erfolgen, also durch Menschen. Unbemannte Luftfahrtsysteme können aber – sofern sie automatisiert fliegen – zusätzliche Kommunikationskapazitäten schaffen und den Rettungseinheiten sowie der Seenotleitung Bremen jederzeit aktuelle Lagebilder liefern«, erklärt DGzRS-Geschäftsführer Udo Helge Fox.

Im Herbst 2019 wird feststehen, inwieweit alle Entwicklungsziele erreicht wurden. Partner des Forschungsprojektes sind der Lehrstuhl für Kommunikationsnetze der TU Dortmund als Verbundkoordinator, das Institut für Flugsystemdynamik der RWTH Aachen, die DGzRS als rettungsfachlicher Koordinator sowie die Firmen Hanseatic Aviation Solutions, IMST und OptoPrecision. Assoziierte Partner sind das BSH, die Bundespolizei See, die Deutsche Telekom und Global Health Care.

Briten testen Multikopter

In Wales testete im April die Royal National Lifeboat Institution (RNLI) zusammen mit der Maritime & Coastguard Agency (MCA) den Einsatz von Drohnen in einer Vielzahl von realistischen Such- und Rettungsszenarien. Eine Woche lang wurden entlang eines Küstenstreifens bei St. Athan eine Auswahl von Drohnen, auch Unmanned Aerial Systems (UAS) genannt, in vier verschiedenen Such- und Rettungsszenarien eingesetzt, um zu erforschen, wie sie dazu beitragen könnten, in der Zukunft Leben zu retten.

Hannah Nobbs vom Innovationsteam der RNLI erklärt: »Dieser einwöchige Test ist der Höhepunkt von rund zwei Jahren Arbeit, in denen wir den Einsatz von Drohnen in Zusammenarbeit mit Such- und Rettungspartnern und Branchenexperten untersucht haben.«

Die Testszenarien waren eine Suche nach einem Unfallort, eine Offshore-Suche nach mehreren Opfern im Meer, eine Schlammrettung und ein Kommunikations-»Blackspot«. Im letzteren Fall musste die Drohne Informationen zwischen Rettungsteams und einem Opfer auf einer Klippe weiterleiten. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, wie UAS mit den Rettungseinsätzen der ­RNLI-Rettungsboote und einem Such- und Rettungshubschrauber der Küstenwache zusammenarbeiten können, um deren Lebensrettungsfähigkeit zu verbessern und das Risiko für Rettungsteams zu reduzieren.

Für die Szenarien wurden verschiedene Fluggeräte eingesetzt, darunter Multi­kop­ter, die Stabilität für elektrooptische und thermische Sensornutzlasten bieten, eine kabelgebundene Drohne sowie Starrflügelplattformen, die von einer Startbahn oder einem Katapult in die Luft gebracht werden können.

Phil Hanson, Aviation Technical Assurance Manager bei der MCA, berichtet: »Es gibt Belege von unseren Kollegen in Übersee und von britischen Bergrettungsteams, die zeigen, dass Drohnen eine entscheidende Rolle bei der Notfallreaktion spielen können.«

Es sei noch zu früh, um zu kommentieren, wohin die Entwicklung nach den Versuchen gehen werde, so Hanson. Drohnen könnten keine Helikopter, Rettungskräfte der Küstenwache oder Rettungsboote ersetzen. »Es ist jedoch durchaus möglich, dass sie ein zusätzliches Werkzeug für die Suche und Rettung sein könnten.«

Unterstützt wird das Projekt von sechs Industriepartnern, die die Drohnen für den Test lieferten und bedienten, darunter Lockheed Martin UK, Scisys und die University of Bath.