In diesem Bericht werde ich meine Erfahrungen während meines Auslandsaufenthaltes an der University of Queensland in Brisbane, Australien beschreiben. Vorneweg[ds_preview], es war eine großartige Erfahrung und jedem, dem diese Möglichkeit offensteht, kann ich nur empfehlen, sie zu ergreifen, selbst wenn das Studium dadurch unter Umständen länger dauert.
Mein Weg nach Australien führte über das Ludwig-Franzius-Institut (LuFI), an dem ich als studentische Hilfskraft angestellt war. Das LuFI hat im Sommersemester 2017 eine Kooperation mit der University of Queensland (UQ) begonnen. Diese Kooperation umfasst die Zusammenarbeit auf akademischer Ebene in der Forschung, aber auch auf studentischer Ebene, in Form vom Austausch von Studenten/wissenschaftlichen Mitarbeitern und dem Angebot von parallel an beiden Universitäten stattfindenden Lehrveranstaltungen. Als erster Austauschstudent sollte ich an der UQ im Rahmen von Projekten neue Fähigkeiten erlernen, aber auch ein Thema für meine Masterarbeit finden und die Bearbeitung beginnen. Meine Position dort war weniger die eines Austauschstudenten, sondern mehr die eines Praktikanten, der auch noch seine Masterarbeit schreibt.
Mit der Reisekostenunterstützung der Goedhart-Stiftung durch die Hafentechnische Gesellschaft (HTG) ging es dann im Mai 2017 nach Brisbane. Die ersten 2 Wochen verbrachte ich mit Zimmersuche und Orientierung. Schließlich habe ich ein Zimmer in der Wohnung eines der Doktoranden meines Betreuers an der Universität gefunden.
Brisbane ist eine 1,8 Millionen Stadt und liegt an der Ostküste Australiens. Ich bin im Winter in Brisbane angekommen, allerdings ist das bei Temperaturen von tagsüber ca. 25 °C und nachts 15 °C verkraftbar, auch wenn die Australier bei solchen Temperaturen die elektrischen Heizdecken herausholen. Mit seinen vielen Grünflächen und umgeben vom Brisbane River ist der Campus der UQ sehr einladend. Jeden Morgen begrüßten mich ein Leguan, Schildkröten und Aale im See und Kookaburras in jedem Baum auf dem Campus. Als Occupational Trainee habe ich an der UQ einen Tisch und PC in einem der Großraumbüros zugewiesen bekommen. Diese sind so gestaltet, dass die Doktoranden gemeinsam in einem großen Raum sitzen und wissenschaftlicher Mitarbeiter/Professoren meist ein durch eine Glaswand abgetrenntes eigenes Büro haben. Die erste Woche an der UQ verbrachte ich mit dem Erledigen von Formalitäten, dem Durchgehen von Arbeitssicherheits-Präsentationen und der sich anschließenden Quizze.
Meine Aufgaben an der UQ waren vielfältig und knüpften gut an meine bisherigen Arbeitserfahrungen am LuFI an. Mein Aufgabenbereich erstreckte sich über die Auswertung von Naturmessdaten, die Vorbereitung von Feldeinsätzen und natürlich die Durchführung der Feldeinsätze mit einem der UQ-eigenen Boote. Zu den Projekten, an denen ich mitgewirkt habe, zählte unter anderem die Untersuchung der wirkenden hydrodynamischen Kräfte beim Anlegen der Ovations of the Sea, einem Kreuzfahrtschiff der Post-Panamax-Klasse. Auch habe ich an mehreren Feldeinsätzen in der Moreton Bay teilgenommen, die der Untersuchung der Sedimentationsproblematik in der Bucht dienten.
Das Thema für meine Masterarbeit wurde dann die Untersuchung der Hydro- und Morphodynamik in der Mündung des Brisbane River in Vorbereitung für die Errichtung eines Kreuzfahrtterminals. Dieses Projekt hatte einerseits eine ingenieurtechnische und andererseits eine Forschungskomponente. Die Forschungskomponente stellte die Berechnung von Turbulenzparametern aus Acoustic Doppler Current Profiler (ADCP) Daten dar. Eine neue Generation von ADCPs erlaubt Strömungsgeschwindigkeiten über die gesamte Wassersäule in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung aufzuzeichnen. Mithilfe der Varianzmethode lassen sich dann aus diesen Daten Turbulenzparameter wie Reynolds-Spannungen und die turbulente kinetische Energie berechnen. Die so berechneten Parameter helfen einerseits beim grundsätzlichen Verständnis von turbulenten Strömungen und sind andererseits nötig um z. B. die Belastungen von Strukturen, die Turbulenz ausgesetzt sind, korrekt zu erfassen. In Hinblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich erneuerbare Energien, sind solche Daten insbesondere für die Turbinen von Tidekraftwerken oder ähnlichen Bauwerken von Belang. Seitens der UQ wurde ich bei diesem Projekt hervorragend unterstützt. Gleichzeitig wurden mir aber auch jegliche Freiheiten gelassen, das Projekt zu entwickeln, wie ich es für richtig erachtet habe. Ich habe in diesem halben Jahr eine Menge, nicht zuletzt über meine eigenen Stärken, gelernt.
Auch wenn es entspannt zugeht, in diesem Land sind die Menschen sehr energiegeladen und unternehmungslustig. So gut wie jeder Mensch, den ich kennengelernt habe, surft, angelt, speerfischt, taucht, klettert oder wandert am Wochenende. Über Freunde meines Mitbewohners habe ich in Australien das Klettern für mich entdeckt. Üblicherweise war ich am Wochenende dann auch klettern, wandern oder Fahrradfahren. Von Brisbane aus ist der nächste Nationalpark in 30 Minuten mit dem Auto erreichbar. Eines der Highlights war ein Trip zum Campen und Klettern am Mount Tibrogargan. Was dieses Land neben seiner beeindruckenden Landschaft ausmacht, sind die Menschen. Der Umgang miteinander ist offen und herzlich. Ob es bei der Arbeit oder beim Surfen auf dem Wasser ist, ein freundliches »How’s it going?« zwischen wildfremden Menschen ist der vollautomatisierte Eisbrecher.
Durch meinen Aufenthalt in Australien habe ich viel gelernt und mich menschlich und fachlich weiterentwickelt. Daher möchte ich mein Statement vom Anfang dieses Berichtes nochmal wiederholen: Jedem, dem die Möglichkeit offensteht, einen Auslandsaufenthalt in Studium oder Karriere einzubauen, empfehle ich, diese zu ergreifen. Sei es nun in Australien oder anderswo auf der Welt, der Zugewinn an Erfahrungen und Perspektiven, die sich daraus ergeben, ist kaum angemessen zu beschreiben. Jan Tiede