Für die deutschen Fährhäfen im Ostseeraum erweisen sich weiterhin Skandinavien und Finnland als Wachstumsgaranten, Russland bleibt ein Sorgenkind. Keine Klarheit gibt es bislang bei technischen Zukunftsfragen
Besonders gut entwickelt haben sich für Rostock zuletzt die Routen nach Gedser und Trelleborg. Zum einen, weil für den Dänemark[ds_preview]-Verkehr neue Fährschiffe mit einer größeren Kapazität zum Einsatz gekommen sind und damit die steigende Nachfrage bedient werden konnte. Zum anderen, weil auf den Schweden-Routen zwei Fährreedereien das seit Jahren hohe Niveau im Güter- und Passagierverkehr noch steigern konnten. Das will der Hafen wenn möglich sogar noch ausbauen.
Der RoRo- und Fährsektor, der mit 67% auch den Hauptanteil am Umschlag ausmacht, legte im ersten Halbjahr um 7% auf 8,7Mio. t zu. Nach Angaben des Hafenbetreibers hat sich vor allem der begleitete Lkw-Verkehr nach Dänemark und Schweden mit hohen Wachstumsraten hervorgetan. Die Zahlen für unbegleitete Trailer liegen ebenfalls leicht über dem Vorjahr. Aber auch die Eisenbahntrajektion nach Schweden verzeichnete wieder Zuwächse. Die Passagierbeförderung legte ebenfalls zu.
In Lübeck und Travemünde sind traditionell die Routen nach Schweden und Finnland am stärksten. Diese Verkehre machen mehr als 80% des gesamten an den Anlagen der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) umgeschlagenen Volumens aus. »Speziell bei den finnischen Linien beobachten wir in letzter Zeit teilweise zweistellige Wachstumsraten. Wir rechnen damit, dass sich diese Mengen weiterhin positiv entwickeln, was natürlich auch von konjunkturellen Einflüssen abhängt«, so die Hafengesellschaft auf HANSA-Anfrage. Auch die Anzahl der Abfahrten in den baltischen Raum habe sich trotz der schwierigen konjunkturellen Lage deutlich erhöht.
Im Bereich RoRo deutet sich an der Trave eine Verlagerung von den begleiteten zu den unbegleiteten Verkehren an, was sich positiv auf den Intermodalverkehr auswirkt. Bei den Forstprodukten stabilisieren sich die Mengen. »Unsere finnischen und schwedischen Partner ordnen ihr Portfolio neu und optimieren ihre Produktionskapazitäten. Der Papierverbrauch stagniert oder geht zurück, gefragt sind Verpackungsprodukte«, so die LHG.
Im Juli meldete man bereits den Umschlag von 5,4% mehr Transporteinheiten im laufenden Jahr. Die Zahl der bewegten Sattelauflieger hatte sich um 20% erhöht.
Mehr Kapazität
Für Sassnitz/Mukran erweist sich seit einigen Jahren vor allem die Fährverbindung nach Rønne auf der Insel Bornholm als eine »sehr stabile« Route. Seit dem 1. September wird die Route nicht mehr von Bornholm Færger, sondern von der Reederei Bornholmslinjen betrieben. Mit dem Betreiberwechsel soll eine weitere Entwicklung dieser Verbindung erfolgen. So ist eine Verlängerung der Saison bereits im Fahrplan verankert. »Dadurch wird eine Erhöhung der Abfahrtszahlen erreicht, wodurch auch ein Anstieg der Verkehrszahlen zu erwarten ist. Weiterhin bringt der neue Betreiber ein deutlich größeres Schiff in Fahrt, was die Kapazität auf der Route ebenfalls deutlich erhöht«, heißt es seitens Mukran Ports.
Mittlerweile verkehrt auf der Strecke bereits die bei Rauma Marine Constructions (RMC) in Finnland gebaute »Hammershus«. Die 158m lange RoPax-Fähre mit einer Vermessung von 18.500BRZ und einer Kapazität für bis zu 720 Passagiere und 1.500 Lademeter wird künftig zwischen Køge bei Kopenhagen und Rønne auf Bornholm sowie zwischen Rønne und Sassnitz-Mukran verkehren. Die von Stena Line betriebene Route zwischen Mukran und dem schwedischen Trelleborg befindet sich laut Hafenbetreiber »in einem sehr dynamischen Markt« und ist einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Deshalb seien Prognosen zur weiteren Entwicklung schwierig.
Problem »Russland-Sanktionen
Der Seehafen Kiel hat eine gemischte Bilanz für das erste Halbjahr vorgelegt. Während die Passagierzahlen stiegen, musste im Gütertransport ein Minus von 3,65% hingenommen werden. Als Ursache für den Rückgang im Umschlag wird insbesondere der lange Werftaufenthalt einer Stena-Fähre angegeben, die im Februar und März eine moderne Abgasreinigungsanlage (Scrubber) erhielt. Zuwächse auf der Linie nach Oslo konnten dies nur zum Teil ausgleichen.
Die Verkehre in Richtung Baltikum und nach Russland bewegten sich den Angaben zufolge im ersten Halbjahr mit rund 1,2Mio. t in etwa auf Vorjahresniveau. »Die Schiffe auf der Route Kiel – Klaipeda fahren nahe der Kapazitätsgrenze und die Russlandmengen konnten sich stabilisieren«, so der Hafen in einem Statement.
Wie für Kiel spielen auch für andere Häfen an der Ostsee die Warenströme nach Russland eine Rolle, die Wirtschaftssanktionen infolge der Krim-Annexion durch Moskau bekommen sie mehr oder weniger direkt zu spüren. In Sassnitz besteht eine Eisenbahnfährverbindung nach Ust Luga über Baltijsk. Der Liniendienst wird von Black Sea Ferry & Investments mit dem Eisenbahnfährschiff »Petersburg« betrieben. Mit den Sanktionen ist der Warenaustausch mit Russland laut Mukran Port zusammengebrochen. »Mukran war immer spezialisiert darauf, hochwertige Güter und Projektladungen umzuschlagen und diese über die Fährverbindungen mit Russland und Litauen sicher ans Ziel zu bringen. Da in diesen hochwertigen Gütern viele Teile verwendet werden, welche unter die so genannten ›Dual-use‹-Güter [zivile und militärische Verwendungsmöglichkeit, Anm. d. Red.] fallen, sind mit den Sanktionen viele Verkehre weggefallen«, heißt es. Bis heute habe sich diese Situation nicht wieder erholt. Mittlerweile gebe es allerdings andere Projekte, um die guten Beziehungen mit Russland weiterhin für den Hafenstandort zu nutzen.
Negative Auswirkungen des sinkenden Rubelkurses auf die russischen Importe und damit auch auf die Mengenentwicklung im Hafen gibt es auch in Lübeck. Dennoch gibt es Lichtblicke: »Unsere neu gegründete Spedition in St. Petersburg entwickelt sich unter den gegebenen Umständen sehr ordentlich. Insgesamt machen die Verkehre in dieser Relation aber nur ca. 8% unseres Gesamtvolumens aus, so dass die Auswirkungen auf unser heutiges Gesamtgeschäft moderat ausfallen. Der Markt bietet nach Wegfall der Sanktionen aber attraktive Zukunftschancen.«
NG: Nachfrage ist vorhanden
Obwohl Umweltregularien strikter werden und die Ostsee bereits ein Emissionskontrollgebiet (ECA) ist, lässt auch hier der Run auf vergleichsweise sauberere Kraftstoffe und Energieversorgung auf sich warten. Bei allen Umwelt- und Innovationsthemen müsse man immer auch die Nachfrage im Auge behalten, heißt es aus Lübeck. Im Bereich Landstrom war der Hafen in Deutschland Vorreiter, bereits seit 2008 gibt es am Nordlandkai-Terminal ein Landstromprojekt. Sie war seinerzeit die erste derartige Anlage, die in Deutschland für die Handelsschifffahrt in Betrieb genommen wurde. »Nachfolgeprojekte gibt es nicht; es fehlt schlicht die Nachfrage seitens der Reeder. Auch zur LNG-Versorgung gibt es aktuell keine Nachfrage«, so die LHG. Weil sich das in Zukunft ändern könne, habe man gemeinsam mit der Lübeck Port Authority am Skandinavienkai eine Versorgungsmöglichkeit eingeplant.
Der Rostocker Überseehafen besitzt seit zwei Jahren alle Genehmigungen, um Schiffe mit LNG zu betanken, was auch schon geschehen ist. Doch auch hier heißt es nur: »Die Nachfrage der Reedereikunden eines Hafens bestimmt das Angebot.« Bei Mukran Port laufen entsprechende Entwicklungen. Mit seiner Lage außerhalb der Stadt habe der Hafen aber den Vorteil, keine große Masse an unmittelbaren Anwohnern mit der Schifffahrt zu belästigen.
In Kiel sollen ab 2019 die Fähren von Color Line Landstrom erhalten. Möglicherweise könnten auch die Neubaupläne bei Stena Line beim Thema LNG künftig für Nachfrage sorgen. Die Reederei hat sich in einem HANSA-Interview dazu geäußert. (S. 32/33)