Die Hartmann AG will sich nach dem Verkauf zahlreicher Schiffe und einiger Tochterfirmen wieder neuen Projekten zuwenden, vor allem auf eigener Bilanz. Diversifikation und Risiko-Streuung sind dabei weiter wichtig, sagt Vorstandschef Niels Hartmann im HANSA-Interview
Als Sie vor 10 Jahren die Führung der Gruppe übernahmen, brach die schwerste Krise der Nachkriegszeit aus. Auch die[ds_preview] Hartmann AG hatte schwer zu kämpfen. Welche Bilanz ziehen Sie?
Niels Hartmann: Aus meiner Sicht sind wir sehr gut durch die Krise gekommen. Wir haben natürlich viele organisatorische Umbauten vorgenommen, die aber nicht alle krisengetrieben waren. Das größte Projekt war der Verkauf von Feederlines, unserem holländischen Arm für das Stückgutgeschäft im Shortsea-Bereich. Das war eine strategische Entscheidung, weil wir dieses Geschäft in der Größe ohnehin nicht weiterführen wollten. Tatsächlich ist unsere Flottenverkleinerung von 200 Schiffen in Spitzenzeiten auf jetzt 150 hauptsächlich durch den Verkauf von Feederlines bedingt.
Natürlich hatten wir darüber hinaus auch zu kämpfen. Aber wir waren, und wir sind gut aufgestellt mit unserer Flottendurchmischung. In allen Bereichen, in denen wir aktiv sind, sind wir stark und wollen das auch vorantrieben. Eine Ausnahme ist Offshore. Da war der Markt dermaßen in die Knie gegangen, dass Offshore-Firmen überall refinanziert oder verkauft werden mussten. Zusammen mit der Bank haben wir einen guten Investor gefunden, der nicht nur Interesse an Assets hat, sondern auch am Management. So konnten die Firmen gerettet werden. Für uns selbst ist das Thema erledigt.
Wir haben jetzt ein sauber aufgestelltes Unternehmen, so wie ich es mir vorstelle: mit den beiden Einheiten Zypern und Leer mit Gastankern, Bulk-Carriern und Produktentankern als Hauptpfeilern. Dazu kommen noch Containerschiffe, Zement-Carrier sowie kleine MPP, die wir in gewissen Umfang behalten. Für deren Befrachtung haben wir uns mit Schulte & Bruns Chartering als Joint Venture neu aufgestellt, das läuft sehr gut.
Im Containersegment haben Sie eine Reihe von Schiffen verkauft, erst kürzlich die »Frisia Bonn« und »Frisia Nuernberg«. Ist für Sie noch die kritische Masse vorhanden?
Hartmann: Wir bereedern in der Gruppe nach wie vor 20 Containerschiffe und wollen ganz bestimmt in dem Segment engagiert bleiben. Die Tonnage, die wir verkauft haben, bestand überwiegend aus KG-Fonds-Schiffen, nicht aus Hartmann-eigenen Schiffen, wie zum Teil berichtet wurde. Wir hatten die KGs mitinitiiert, insofern ist es für uns und vor allem für die Kommanditisten sehr bedauerlich, dass die Fonds liquidiert werden mussten. Aber für die Reederei hat sich nicht viel verändert. Wir konnten die Schiffe nach dem Verkauf in unserem Management, also in der Bereederung und Befrachtung, behalten.
Das gilt aber nicht für alle Verkäufe?
Hartmann: Nur Maersk hat zwei Schiffe übernommen, die dann auch zu Maersk ins Management gingen.
Früher wurde die Hartmann-Containerschiffsflotte als UCC (United Container Carriers) vermarktet. Dieser Markenname ist inzwischen verschwunden.
Hartmann: Über die Jahre ist Hartmann Shipping Asia, unsere Niederlassung in Singapur, zum Treiber für dieses Segment geworden. Unter dem Namen läuft das heute auch. Zwischenzeitlich hatte Hartmann Shipping Asia sogar eine eigene kleine Linie betrieben, das ist inzwischen vorbei. Containergeschäft ist für uns heute reine Langzeitvercharterung.
Sehen Sie denn wieder Wachstumsperspektiven in dem Bereich? Sind neue Projekte denkbar?
Hartmann: Ja, auf jeden Fall ist das denkbar. Unsere Maßgabe ist, dass wir innovativ bleiben wollen mit neuen Antriebsformen wie dem LNG-Betrieb, und zwar in erster Linie im Feederbereich von circa 1.000 bis 3.000TEU. Bis jetzt betreiben wir konventionelle Containerschiffe. Wir versuchen jetzt, einen Schritt weiter zu gehen und einen eigenen Schiffstyp für den Markt zu entwickeln, den man auf Basis langfristiger Verträge umsetzen kann.
Bei den Hauptsäulen des Geschäfts nannten Sie Gastanker als erstes. Ist das der wichtigste Schiffstyp für Sie?
Hartmann: Es ist eines unserer Hauptstandbeine. In diesem Segment waren wir mit der Umsetzung neuer Projekte sehr erfolgreich, wie z.B. dem GasChem Beluga-Typ, der für SABIC sehr erfolgreich fährt. Wir bauen mit Partnern [Jaccar/JHW, Anm. der Redaktion] zusammen noch größere Einheiten und arbeiten darüber hinaus an weiteren Projekten auf dem Rücken unserer Technologien und Erfahrungen mit gasbetriebenen Schiffen. Da befinden wir uns in Verhandlungen.
Wie sieht es im Dry-Cargo-Bereich bei Ihrer Tochterfirma UBC aus?
Hartmann: Da haben wir unsere Strategie gar nicht anpassen müssen. Wir konzentrieren uns auf den amerikanischen Markt, den US-Golf und Südamerika. Das betrifft vor allem die Versorgung der karibischen Inseln, die Trades zwischen Nord- und Südamerika. Wir haben dort nach wie vor eine starke Marktposition und werden uns langsam mal die nächste Schiffsgeneration anschauen.
Bei den Handysize-Bulkern, wie Sie UBC einsetzt, gibt es auch den Trend zu größeren Schiffen. Gehen Sie da mit?
Hartmann: Angefangen haben wir mit 23.000-Tonnern. Davon fahren immer noch ein paar Schiffe, aber die werden wir in der Größe sicherlich nicht ersetzen. Das ist klar. Aus meiner Sicht sind wir mit 35.000- bis 38.000-Tonnern gut aufgestellt. Viele unserer Kunden können keine größeren Partien abnehmen, oder es gibt dann Hafenbeschränkungen, die wir nicht haben wollen. Die Bulker sind größtenteils unsere eigene Flotte.
Wie stellen Sie sich die weitere Entwicklung vor?
Hartmann: Vom Geschäftsmodell her gibt es keine Notwendigkeit, das auf den Kopf zu drehen. Wir haben einen sehr stabilen treuen Kundenstamm und versuchen, die Dienstleistungspalette zu erweitern, durch Stockpile Management oder Added Services.
Wie funktioniert heute die Arbeitsteilung innerhalb der Gruppe zwischen Deutschland und Zypern?
Hartmann: Die Gasschifffahrt ist ganz klar in Deutschland angesiedelt und die Containerschifffahrt auch. Bulker, Produktentanker, Zement-Carrier werden von Zypern betreut. Sowohl Zypern als auch Deutschland haben dazu noch kleinere MPP-Schiffe. Das hat sich bewährt.
Sie sagten, die Gruppe sei jetzt so aufgestellt, wie Sie sich das vorstellen. Das heißt, die Konsolidierung ist beendet?
Hartmann: Wir haben mit den Managementgesellschaften Leer und Zypern und den Befrachtungsfirmen für die Schiffstypen und Regionen ein zukunftsfähiges Set-up. Die Flottengröße mit 150 Schiffen ist aus meiner Sicht auch sehr gut.
Ich selbst glaube gar nicht, dass es zielführend ist, möglichst große Einheiten zu bilden. Man muss sicherlich eine gewisse Größe haben, um am Markt und bei den Investoren wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus halte ich es für wichtiger, unsere Rolle als Qualitäts- und Technologieführer auszubauen. Wir sehen uns dabei aber in erster Linie weiter als Schiffseigner und Anbieter der kompletten Dienstleistungspalette.
Also ist der Abverkauf beendet?
Hartmann: Nun, wir sind eine Reederei. Wir werden auch in den nächsten Jahren weiter Schiffe verkaufen und auch welche dazukaufen. Grundsätzlich sind wir nach wie vor vorsichtig. Wir haben neue Projekte auf Basis langfristiger Charterverträge. Aber Schiffe zu finanzieren, für die es keine langfristigen Beschäftigungsverträge gibt, erachte ich nach wie vor als schwierig, vor allem als teuer. Da besteht aber auch keine unmittelbare Notwendigkeit. Der Bulkerbereich wäre der erste, wo wir uns neue Tonnage beschaffen, die nicht voll durch langfristige Verträge gedeckt ist. Das müssen wir aber nicht morgen umsetzen, wir haben noch Zeit.
Sie haben mit institutionellen Investoren zusammengearbeitet, Private Equity etc. Ist das notwendige Netzwerk etabliert, um die Flotte wieder auszubauen?
Hartmann: Langfristig ist für uns die präferierte Lösung, dass wir das Eigentum an den Schiffen halten. Aber das ist bei 150 Einheiten nicht möglich. Von daher wird es immer einen Mix geben von Schiffen, die wir für Fremde betreuen, und unseren eigenen. Da gucken wir von Projekt zu Projekt, was die optimale Lösung ist. Im Gastankerbereich mit den langfristigen Verträgen gibt es sehr gute Lösungen für neue Projekte. Mit Ocean Yield haben wir da eine hervorragende Zusammenarbeit.
Wird es noch mehr Projekte mit Ocean Yield geben?
Hartmann: Mit Ocean Yield oder auch anderen – auf der Basis des Modells, das wir schon mit Ocean Yield durchgeführt haben. Auf der Fremdkapitalseite ist es mit den Banken sehr schwer geworden. Das wird noch eine Weile dauern, bis sich das zurechtruckelt. Die meisten haben ihre eigenen Probleme mit der Bilanz.
Gibt es keine Ausweichmöglichkeiten? Zum Beispiel möchte die Bank of Cyprus ihre Schiffsfinanzierung ausbauen…
Hartmann: Ich würde mir wünschen, dass es auf Zypern Möglichkeiten gäbe. Momentan sehe ich das noch nicht. Ich weiß aber, dass mehrere Banken daran arbeiten. Momentan sind es sicher die chinesischen Leasinghäuser oder auch ein paar skandinavische oder holländische Banken, die noch durchaus Neugeschäft machen. Mit denen sind wir auch im Gespräch.
Man muss immer unterscheiden: Das eine sind Schiffe mit Beschäftigungsverträgen auf Langfristbasis, die sich ohne Probleme finanzieren lassen. Das andere sind Neubauten oder Akquisitionen für Geschäft auf Spotbasis. Das ist schwieriger, auf jeden Fall teurer zu finanzieren.
Welche Wachstumsziele stecken Sie sich für die nächsten Jahre? Wird die Flotte wieder Richtung 200 Schiffe ausgebaut?
Hartmann: Wie gesagt, ich glaube nicht an Größe per se. Wir haben heute schon eine Größe, mit der wir sehr gut operieren können, mit der wir gut wahrgenommen werden und gute Partnerschaften bilden können. Es ist kein Selbstzweck für uns zu wachsen. Auf Basis gesunder Investitionen und Projekte gern.
Wichtig ist für uns, dass wir selbstbestimmt bleiben. Wir wollen keinen Börsengang für das Gesamtunternehmen anstreben. Als Hartmann AG wollen wir familiengeführt bleiben. Das heißt nicht, dass man sich nicht etwas öffnen und zum Bespiel mal einen Bond platzieren kann.
Am Kapitalmarkt waren Sie nicht aktiv?
Hartmann: Nein, aber man muss alle Möglichkeiten durchspielen. Kapitalaufnahme durch Aufnahme eines Bonds ist genauso eine Option wie ein Bankdarlehen oder ein Investor für bestimmte Projekte.
Was hat Sie bislang davon abgehalten?
Hartmann: Die Preise, die dafür veranschlagt werden. Das ist ja auch einigen Kollegen zum Verhängnis geworden. Wir haben es glücklicherweise nicht gemacht. Ich sehe es auch in naher Zukunft nicht, aber langfristig könnte es eine Möglichkeit sein, je nachdem wie sich die Märkte entwickeln.
Wie viele Schiffe kommen dazu?
Hartmann: Die Zahl der Neubauprojekte ist bisher sehr überschaubar. An den meisten Projekten ist noch ein Fragezeichen, einiges wird sich auch nicht realisieren lassen. Ich denke, dass wir im Zeitraum der nächsten drei Jahre so fünf bis zehn Schiffe an Neubauten in den Bestand bekommen werden, was dann oftmals für Dritte sein wird. Im Bulkerbereich werden wir gar nicht auf Neubauten schielen, sondern eher auf Re-Sales oder moderne gebrauchte Tonnage.
Wo wird sich das Wachstum in Zukunft abspielen. In Leer, wo die Gastanker bereedert werden, oder eher in Zypern?
Hartmann: Wir haben viel über Gastanker gesprochen. Aber wir haben auch in Zypern interessante Projekte in Arbeit, wo es um neue Schiffe bzw. Managementaufträge geht. Der Produktentankermarkt läuft mittlerweile wieder recht gut. Auch im Zementbereich haben wir durchaus interessante Ansätze. Ich glaube von daher, dass das Wachstum gleich verteilt sein wird. Es gibt ein Neubauprojekt, an dem wir arbeiten und bei dem wir einige Schiffe der geplanten Serie ins Management bekommen sollen von Hafnia. Für die sind wir als technischer Manager tätig. Da haben wir eine gute Kooperation.
Im Zementbereich, wo uns die Schiffe selbst gehören, arbeiten wir an mehreren Projekten – an der nächsten Schiffsgeneration mit alternativen Antrieben, speziell LNG-Betrieb. Das sind Gespräche, die sehr intensiv geführt werden, bei denen wir aber noch keinen Abschluss haben.
Interview: Michael Hollmann