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Im Hinterland der Seehäfen gibt es immer wieder Engpässe. Oliver Meng, Geschäftsführer des 2002 gegründeten Bremer Bahnoperateurs Necoss (Neutral Container Shuttle System), spricht mit der HANSA über die knappen Kapazitäten

Wie wirkt sich der geplante Wechsel der vier Atlantik-Dienste des Linienbündnisses »The Alliance« von Bremerhaven zum Hamburger Container[ds_preview] Terminal Altenwerder (CTA) auf Necoss aus?

Oliver Meng: Der Standort Bremerhaven wird dadurch – zumindest kurzfristig – geschwächt. Unsere Relation nach Stuttgart, die wir von dort aus fünf Mal pro Woche bedienen, bleibt allerdings bestehen, jedoch vorerst reduziert auf drei Umläufe pro Woche. Ab Januar erweitern wir unser Angebot auf drei zusätzliche Rundläufe von/nach Hamburg, sodass wir dann insgesamt einen Umlauf mehr pro Woche haben.

Welche Trends sehen Sie bei der Hinterlandanbindung und was sind die größten Herausforderungen?

Meng: Die Kundschaft nimmt vermehrt zur Kenntnis, dass der Markt durch Kapazitätsengpässe geprägt ist. Sowohl im Bahnsektor, als auch im Straßentransport. Auch deshalb wollen sich immer mehr Kunden Kapazitäten auf der Schiene sichern und das Interesse der Reedereien, Spediteure und Direktkunden, eigene Züge zu fahren, nimmt zu. Kritisch sehe ich vor allem den Mangel bei Lokführern, Lkw-Fahrern und die Kapazitätsengpässe bei den Hinterlandterminals. Zum Glück unternimmt unser Traktionär viel, um die Jobs als Lokführer attraktiver zu gestalten.

Was genau ist das Geschäft von Necoss?

Meng: Als national tätiger Bahnoperateur verbinden wir das Hinterland mit den drei deutschen Seehafenstandorten Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Dabei ist unser Unternehmen anders als andere Anbieter aufgestellt und setzt vor allem auf die Vermarktung von »dedicated« Ganzzügen. Frei buchbare Bahntransporte bieten wir aber auf bestimmten Strecken auch an, etwa zwischen Hamburg bzw. Bremerhaven auf Kornwestheim und Stuttgart Hafen. Zum Angebot gehören auch die Vor- und Nachläufe per Lkw und Binnenschiff.

Besonders wichtig sind für Sie also »dedicated« Züge?

Meng: Richtig, mit unseren Company-Zügen bedienen wir für zwei Kunden bis zu fünf Mal pro Woche die Relationen zum Stuttgarter Hafen (DP World). Dabei müssen diese Züge nicht zwingend von einem Kunden gebucht werden, einige teilen sich die Ganzzüge. Sie bekommen dadurch mehr Flexibilität beziehungsweise mehr Abfahrten. Außerdem haben wir regelmäßig zwei Mal wöchentlich Ganzzüge nach Hannover, seit diesem Jahr ein- bis zweimal wöchentlich nach Göttingen und dreimal pro Woche nach Soltau. Ergänzt werden diese durch wöchentlich wechselnde weitere Relationen auf Ganzzugbasis, sogenannte Spot-Verkehre.

Rechnen sich solche kurzen Relationen?

Meng: Ja, der Kurzverkehr kommt nicht nur bei den Kunden gut an, sondern funktioniert auch gut. Bei längeren Verkehren sind die Lok und die Waggongruppe fest gebunden. Die kurzen Strecken ermöglichen eine punktuelle Ausrichtung, wodurch wir eine hohe Auslastung erreichen, da das Equipment schnell neu verknüpft werden kann. Ein Beispiel ist die Verbindung nach Soltau: Wir sind dafür drei Tage im Einsatz und können unser Equipment ansonsten auf anderen Kurzstrecken einsetzen. Daher sind auch Sonderzüge ganz spontan möglich.

Spielt Ihnen da das große Verkehrsaufkommen in die Hände?

Meng: Ja, viele Kunden suchen aufgrund der vielen Staus auch auf den Kurzstrecken, zum Beispiel aus Hamburg raus, nach Alternativen. Einige von Ihnen bieten unsere Systeme auch Dritten an um die Auslastung zu erhöhen, was völlig in Ordnung ist.

Kann die Bahn denn auch auf den kurzen Strecken zeitlich mithalten?

Meng: Es gibt auf den Terminals bei den Lkws wie auch bei der Bahn Slot-Zeiten, die eingehalten werden müssen. Inzwischen sind die Terminals insgesamt gesehen gut auf die Bahn eingestellt. Natürlich gibt es auch noch Verbesserungspotenzial und Unterschiede zwischen den einzelnen Terminals und den Hafenstandorten. Ein massives Problem besteht bei den Terminals im Hinterland: Vor allem im Süden sind diese völlig überlaufen.

Was bedeutet das für Sie als Bahnoperateur?

Meng: Wir haben beispielsweise in Kornwestheim längere Wartezeiten, teils über Stunden, und verzögerte Abfertigungen. Angesichts der derzeit ohnehin zu knappen Lkw-Kapazitäten und des Fahrermangels ist das ein massives Problem für alle Beteiligten. Weil die Kapazitäten im Hinterland so begrenzt sind, werden von den Kunden neben den Transporten vom Terminal zum Terminal verstärkt Leistungen im Kombinierten Verkehr (KV) nachgefragt. Ich rechne für 2019 daher mit einer massiven Preissteigerung im Lkw-Bereich, die wir natürlich für die Vor- und Nachläufe an unsere Kunden weitergeben müssen.

Wie sieht es denn mit dem Equipment aus? Wie viel haben Sie und reicht das angesichts des in dieser Hinsicht ebenfalls angespannten Marktes?

Meng: Ja, Lokomotiven und auch Lokführer sind rar. Wir haben hier den großen Vorteil, dass unsere alleinige Gesellschafterin die evb ist, die dem Land Niedersachsen und weiteren kleineren Gemeinden des Bundeslandes gehört. Als Traktionär stellt sie uns derzeit insgesamt eine Vielzahl an Lokomotiven und entsprechendes Personal (Lokomotivführer) zur Verfügung. Zudem haben wir im Moment als Necoss weitere 124 Waggons selbst angemietet.

Was für Waggons sind das?

Meng: Das sind zurzeit noch 90- und 80-Fuß-Wagen. Wir haben allerdings für das kommende Jahr eine Erweiterung der Flotte um 80-Fuß-Waggons geplant, da wir als evb-Tochter – abgesehen von Sonderprojekten – ausschließlich Seecontainer transportieren. Bei den 90-Fuß-Waggons, optimal für 45-Fuß-Container, haben wir daher immer etwas Luft. Da heutzutage größtenteils 40- und 20-Fuß-Container zum Einsatz kommen, erreichen wir damit eine größere Auslastung bei gleicher Zuglänge, bei allen Zugsystemen.

Insgesamt hört sich Ihr Geschäft nach einem hohen Personalaufwand und viel individueller Betreuung an. Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?

Meng: Das ist richtig, gerade die Betreuung der »dedicated« Züge ist zeitintensiv, zumal wir mit nur zwölf Mitarbeitern, aber festen Ansprechpartnern, die sich ausschließlich um bestimmte Züge kümmern, aufgestellt sind. An Digitalisierungsthemen wie der Zugverfolgung sind wir dran, aber noch ist es viel händische Arbeit. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit unserem Traktionär an der Datenübertragung, um die Kunden rechtzeitiger und zu jeder Zeit zu informieren.

Wie sieht Ihre eigene Strategie aus, wie soll die Zukunft aussehen?

Meng: Wir wollen unser Geschäft noch mehr optimieren und weitere Projekte auf der kurzen Strecke schaffen, die gut zu unseren bestehenden Relationen passen, und das dann auch auf lange Strecken weiter ausdehnen. Unser Fokus bleibt bei nationalen Company-Zügen und auf der Verbindung Kornwestheim und Stuttgart Hafen als frei buchbare Relationen.


Interview: Claudia Behrend