Bjørn Tore Orvik steht am Frierfjord und beschreibt ausgiebig seinen Arbeitsplatz. Sein Enthusiasmus für das Großprojekt »Yara Birkeland« ist ihm[ds_preview] deutlich anzusehen.
Der Konzern hat sich eine Image-Kampagne auf die Fahne geschrieben, die Welt auf nachhaltige Weise zu versorgen. Dabei spielt die Logistik eine wichtige Rolle. Projektmanager Orvik, früher für die Offshore-Branche weit ab vom Landtransport tätig, hatte sich diesem Thema vor zwei Jahren gewidmet. Und er war überrascht, was alles möglich ist, als er sich mit Experten unterhielt. Das war die Geburtsstunde der »Yara Birkeland«.
Bislang – und auch nach Inbetriebnahme des Schiffes – werden die Düngemittel per Lkw und vor allem mit Bulk-Schiffen abtransportiert. Es geht um enorme Mengen, Yara produziert jährlich 3Mio.t., 100 mit Containern beladene Lkw verlassen das Gelände täglich. Schon bald sollen 100 Container pro Tag auf das Wasser gebracht werden. Von Porsgrunn geht es dann zu den Exporthäfen Larvik und Brevik. Aus 39 und 13km Landweg werden 27 und 7,5sm auf dem Wasser. Im besten Fall dauert das vier Stunden, einmal am Tag, fünfmal pro Woche.
Damit will man die Logistikkosten drastisch drücken. Laut Orvik hat die »Yara Birkeland« Betriebskosten, die denen von zwei bis drei Lkw entsprechen. Vor allem die eingesparten Besatzungskosten machen sich bemerkbar. »Auch beim Energieverbrauch fällt der Vergleich deutlich aus«, behauptet er mit Blick auf die Lkw auf dem Gelände. Schließlich entfallen die Emissionen von deren Diesel-Antrieben.
Mit ihrem Batterieantrieb vom Schweizer Hersteller Leclanché könnte die »Yara Birkeland« bei optimalen Bedingungen und im Eco-Speed-Modus bis zu 30 Stunden fahren. Prinzipiell sieht Orvik aber kaum Grenzen: »Wir könnten weitere Batteriemodule an Bord platzieren, dann wäre die Reichweite größer.«
Die Ladestation ist nur ein Teil der nötigen Umbauten an Land. Auf dem Yara-Gelände entsteht eine neue Kaje. Dafür wird eigens ein älteres Lagerhaus abgerissen. Noch ist das Areal eine einzige Baustelle, kaum als künftig hochmoderne, elektrisch und autonom betriebene Hafenanlage erkennbar.
Wenn es aber so weit ist, tritt der ehrgeizige Plan von Orvik und seinen Kollegen in Kraft. Schon jetzt werden die Düngemittel automatisiert in Säcke gefüllt. Danach aber kommen noch Arbeiter zum Einsatz. Sie verfrachten die auf Paletten gestapelten Säcke per Stapler in Container, verladen diese per Reach-Stacker auf Lkw.
Auch in Zukunft soll der Prozess nicht vollständig unbemannt ablaufen. Denn das Beladen der Container wird weiterhin von Hafenarbeitern übernommen. »Das ist unser fehlendes Glied und das wird es auch vorerst bleiben«, bestätigt Orvik und zeigt auf seine Kollegen auf Staplern und Transportfahrzeugen vom Typ Reach-Stacker, um jedoch schnell hinterherzuschieben: »Dafür gibt es aber Ideen zur Automatisierung.« Eine Realisierung sei jedoch allenfalls mittelfristiges Ziel.
Nach dem Befüllen soll ein Mitarbeiter künftig per Tablet den »autonomen Zyklus« starten: Unbemannt fahrende Portalhubwagen (Straddle-Carrier) bringen die Container an den Liegeplatz der »Yara Birkeland« – und zwar im regulären, innerbetrieblichen Straßennetz. Selbst die Hüter der Straßenverkehrsordnung bleiben beim Bedarf an neuen Regeln also nicht verschont. Denn die neuen Maschinen fahren auf denselben Straßen, die auch von anderen Fahrzeugen genutzt werden. Mensch und Maschine müssen sich das Wegenetz teilen. Ein Problem, mit dem auch Entwickler autonom fahrender Autos kämpfen, Tesla und Google lassen grüßen.
Für die landseitige Technologie hat sich Yara die Expertise vom Hersteller Kalmar gesichert. Ein batteriebetriebener Kran und drei Portalhubwagen sind vorgesehen. Mit autonomen Anlagen haben die Finnen zwar schon Erfahrungen gesammelt, »allerdings nicht im gemischten Verkehr«, so Orvik, daher liege noch einige Arbeit vor den Entwicklern. Schlussendlich müssten all die Systeme, in den Hallen, auf den Straßen, an der Kaje und an Bord, integriert werden. Der Projektmanager sieht ein, dass dies eine der größten Herausforderungen sein wird, er lässt sich aber nicht beirren, wagt sogar einen Blick in die weitere Zukunft: »Wenn alles gut läuft, könnten wir ein zweites Schiff bauen.« Die Regierung würde es ihm und seinem Arbeitgeber danken, soviel ist sicher.
Es gibt aber auch noch Potenzial: Selbst wenn wie geplant 40.000 Lkw-Fahrten ersetzt werden, den genauen Blick sollte die Euphorie nicht trüben. Denn in Relation zum gesamten Export werden die autonomen Transporte nur einen kleinen Teil ausmachen. Die »Yara Birkeland« wird maximal 10% der Düngemittel verschiffen. Der Rest wird weiter auf Lkw und konventionelle Bulker entfallen. Einerseits, weil das neue Schiff begrenzte Kapazitäten hat. Andererseits, das ist der schwerwiegendere Grund, wird ein sehr großer Teil der Ladungen gar nicht in Stahlboxen ausgeführt, sondern als Bulk-Ladung. Container-Exporte gibt es nur für spezielle Empfänger im Hinterland. Die wirklich großen Exportmärkte liegen woanders, in China, Thailand und Brasilien. Dort gibt es Distributionszentren für Bulk-Ladungen.
Bei der Umwelteffizienz der gecharterten Bulker sind die Yara-Befrachter verhältnismäßig großzügig. Nein, einen Zwang zu umweltfreundlichen Antrieben gebe es nicht, heißt es. Wenn man wählen könne, nehme man natürlich das Schiff mit der besseren Öko-Effizienz. Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Auch hier gibt es also Potenzial.