Totz aller Konkurrenz und vielfacher Unkenrufe: Die deutsche Werftindustrie ist noch immer nicht untergegangen. Ganz schön zäh für einen Totgesagten[ds_preview].
Für alle Skeptiker: Ja, es stimmt, das Orderbuch der Werften ist zuletzt nicht gerade explodiert. Und ja, verzögerte Ablieferungen – Stichwort »AIDAnova« der Meyer Werft und »W.B. Yeats« der FSG – haben für Unmut bei den Kunden gesorgt. Ganz zu schweigen vom Desaster »Gorch Fock« bei der Elsflether Werft. Und noch einmal Ja, technologisch sind nicht alle Akteure auf dem neuesten Stand, einige hinken der internationalen Konkurrenz mehr als nur einen Schritt hinterher. Zudem schrumpft die Anzahl der aktiven Einzel-Unternehmen.
Für die Optimisten kommt an dieser Stelle allerdings ein »Aber«: Im Schiffbau zählt »Made in Germany« noch immer etwas, vor allem in Spezialsegmenten, wie unser traditioneller Schwerpunkt »Ships made in Germany« zeigt. Sorgenfalten gibt es in den Werften dennoch, bei der Bewertung der politischen Begleitung. Ohne Verfechtern des Protektionismus nach dem Mund reden zu wollen: Die Kritik ist nicht unberechtigt. Bedenkt man, welchen Einfluss die Branche auf den Arbeitsmarkt hat, dürfte die Unterstützung gerne stärker ausfallen. Immerhin zählt die Industrie mehr als 17.000 direkt und entlang der gesamten Wertschöpfungskette rund 200.000 Beschäftigte.
Ein eklatantes Negativ-Beispiel ist das öffentliche Auftragswesen. Die staatlichen Stellen könnten den deutschen Werften schon helfen, wenn sie ihre eigenen Neubauten hierzulande ordern, etwa Behörden-, Feuerlösch-, Forschungs- und Lotsenversetzschiffe. Die Realität sieht nämlich nicht selten anders aus: Aufträge gehen nach Skandinavien oder in die Niederlande, man trägt dabei das EU-Wettbewerbsrecht wie eine Monstranz vor sich her. Ganz aktuell: das neue Forschungsschiff »Polarstern«, für das nach HANSA-Informationen intensiv auch mit einer finnischen Werft gesprochen wird.
Zugegeben, es ist eine komplexe Materie, vor allem in der EU. Bei vermeintlich oder tatsächlich illegaler Beihilfe klopfen die Brüsseler Beamten schnell an die Tür. Mit dem Verweis auf EU-Vorgaben machen es sich die Dame(n) und Herren in Berlin jedoch zu einfach.Wo ein echter Wille, ist auch ein Weg – so platt es klingen mag. Für Anschauungsmaterial muss man gar nicht ganz bis ins »böse» Asien schauen, die dortigen Praktiken werden zum Teil zu Recht kritisiert. Auch in der direkten Nachbarschaft, etwa in den Niederlanden, Frankreich oder Italien, werden Spielräume cleverer genutzt.
Wir zählen uns weder zum Lager der Skeptiker, noch zu dem der Optimisten, sondern begleiten die hiesige Schiffbau-Branche als Realisten. Ein wenig mehr zukunftsorientierter Realismus würde auch an anderer Stelle nicht schaden, sowohl unter »Beteiligten« als »Begleitern«.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Michael Meyer
Michael Meyer