Brandhavarien können verheerende Folgen für Schiff und Ladung haben. Dabei ist nicht immer alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) spricht man sich für genauere Regeln aus.

Nicht erst die jüngsten Vorfälle auf dem Hapag-Lloyd-Schiff »Yantian Express« und dem Car Carrier »Sincerity Ace« (S. 35[ds_preview]) haben den Brandschutz in die Öffentlichkeit gerückt, vielmehr ist es ein Dauerthema. Laut einer Untersuchung des Ladungsversicherers TT Club kann man alle 60 Tage einen Brand auf einem Containerschiff verzeichnen.

»Ja«, so die klare Antwort von BSU-Direktor Ulf Kaspera, auf die Frage, ob der Brandschutz an Bord auf der Agenda deutscher Reeder eine wichtige Stellung einnimmt. Selbst in finanziell schwierigen Zeiten gebe es ein ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein in den Unternehmen. Sein Kollege und BSU-Ermittler Kapitän Harald Erdbeer stimmt zu, grundsätzlich werde sowohl bei der Ausrüstung als auch beim Training Wert auf die Vermeidung von Brandhavarien gelegt. »Man sieht ja auch, so viele Brände gibt es nicht.« Im Jahresbericht 2017 – der für 2018 wird im Sommer veröffentlicht – werden von insgesamt 230 Unfällen im Zuständigkeitsbereich der BSU lediglich drei Feuer- oder Brandhavarien zugeordnet. Allerdings sind diese Fälle dennoch sehr wichtig, da jedes Feuer große Auswirkungen haben kann, vor allem wegen des mitunter immensen finanziellen Schadens. Bei RoRo-Schiffen und Fähren sind Brände vor allem im Ladungsbereich relativ häufig, etwa auf Lkw oder Kühlaggregaten von Fahrzeugen, wie in den aufsehenerregenden Fällen der »Lisco Gloria« im Jahr 2010 und »Norman Atlantic« 2014.

Erdbeer sieht trotz dem ausgeprägten Bewusstsein in den Reedereien »an dem einen oder anderen Punkt« Verbesserungspotenzial bei der Umsetzung auf den Schiffen.

Handlungsbedarf – vor allem regulatorisch – meinen die Experten beispielsweise beim Umgang mit Düngemitteln als Ladung ausgemacht zu haben.

Weil die BSU als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums eine wichtige Funktion einnimmt, können Kaspera und seine Kollegen durchaus Regeländerungen anregen. Bezüglich der Düngemittel wurde jüngst tatsächlich ein Prozess in Gang gesetzt, bei dem die Bundesregierung einen Vorschlag an die IMO gerichtet hat.

Ein Problem ist allerdings, dass die BSU immer an einen konkreten Vorfall gebunden ist. Sie kann also keine Regeländerungen oder offizielle Empfehlungen anstoßen, wenn eine bestimmte Ladungsart oder eine bestimmte Begebenheit an Bord nicht durch eine ihrer Untersuchungen berührt wurde. Dafür wiederum müssten bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die BSU ist zuständig, wenn es einen Unfall in deutschen Gewässern oder auf deutsch-geflaggten Schiffen gibt – einschalten kann sie sich außerdem, wenn deutsche Staatsbürger betroffen sind, allerdings nicht als leitende Behörde.

Beim Düngemittel berief man sich auf die Fälle »Cheshire« und »Purple Beach«. Dabei wurden jeweils chemische Zersetzungsprozesse durch Hitzeeinwirkung in Gang gesetzt, die zu erheblichen Zerstörungen und immenser Rauchentwicklung führten.

»Wir konnten die Empfehlung abgeben, Stoffe dieser Art anders zu klassifizieren«, bestätigt der BSU-Direktor. Das kann signifikanten Einfluss auf den Bordalltag haben, etwa in Form anderer Stauvorschriften.

Kaspera schätzt die Chancen dafür, dass die Empfehlungen in neue Regularien münden, als »mittlerweile sehr gut« ein. Anders als vor drei Jahren, als man das Thema schon einmal auf die Agenda gesetzt hatte. Nachdem es jetzt in kurzer Zeit die beiden sehr ähnlichen Unfälle auf der »Purple Beach« und »Cheshire« gegeben hat, hat sich der Wind etwas gedreht.

Die Unterstützung für eine Unterteilung der Klassifizierung ist groß, ein entsprechendes Papier wurde bereits an die IMO geleitet, nicht nur von Deutschland, sondern auch von anderen Staaten. Das ist ein enorm wichtiger Schritt. Laut Erdbeer ist mittlerweile sogar ein Industrieverband der chemischen Industrie mit an Bord.

Die Beteiligung der Wirtschaft ist für die Regulierung enorm wichtig. Zuletzt soll es sogar eine eigene Initiative der deutschen Transportversicherer gegeben haben, die in diesem Jahr der IMO eine Studie vorlegen wollen. Ziel ist ein umfassendes »Formal Safety Assessment« und eine deutliche Verschärfung der Bestimmungen für Feuerlöscheinrichtungen.

Auch im Fall von Holzkohle sind die Experten aktiv geworden, es ging um Vorfälle auf den Frachtern »MSC Katrina« und »Ludwigshafen Express«.

Laut Kaspera konnte bei der Untersuchung festgestellt werden, dass die Tests, die zu den aktuellen Bestimmungen geführt haben, das Ladungsverhalten nicht realistisch abbilden. Sie werden mit kleinen Einheiten durchgeführt. »Das große Volumen verhält sich jedoch anders«, so der Direktor. In diesem Fall machen sich allerdings die Mühlen der Bürokratie bemerkbar. »Das ist noch nicht aufgegriffen worden. Da sind wir auch immer ein wenig in der Hand der Politik, wo entschieden wird, was an die IMO weitergetragen wird«, erläutert der BSU-Chef.

In den letzten Jahren besonders in den Fokus gerückt sind die immer größer werdenden Containerschiffe. Mit über 20.000TEU stellen sie den Brandschutz vor Herausforderungen, gleichzeitig steigt der potenzielle finanzielle Schaden. Kapitän Erdbeer hält die Möglichkeiten, Brandabschnitte einzurichten, für nicht ausreichend. So wurde nach der Havarie der »MSC Flaminia« empfohlen, beispielsweise mobile Brandschutzwände einzuführen, oder automatisierte Wasserwerfer innerhalb der Staugerüste. »So könnte man innerhalb der Brandabschnitte Blöcke bilden und verhindern, das ein Feuer überspringt«, meint er.

In diesem Zusammenhang könnte die immer mehr um sich greifende Digitalisierung auf Schiffen helfen. Nach Meinung von Kaspera aber nur, wenn man es schafft, moderne und viele Sensoren intelligent miteinander zu verknüpfen. Nötig wäre in vielen Fällen allerdings eine deutliche Modernisierung an Bord. Für Erdbeer stellt sich die Frage, ob die Sensoren für die Feuererkennung überhaupt an das »restliche Netz« gekoppelt sind. Heutzutage seien das im Laderaum noch »sehr einfache« Systeme auf niedrigem Level. Eine Abgas-Ansauganlage saugt Luft aus dem Laderaum und führt sie durch einen optischen Sensor. Nur wenn es an dieser Stelle Abweichungen gibt, schlägt die Anlage Alarm. Bis die Luft zum Teil durch das halbe Schiff zum Sensor geführt ist, vergeht mitunter wertvolle Zeit. Der Alarm wird ins Operations Center geleitet. Ein Besatzungsmitglied schaut an der entsprechenden Stelle, ob es qualmt und versucht anhand des sich bietenden Bildes, des Geruchs und nach Abgleich mit dem Stauplan herauszufinden, was genau brennt. Erst dann wird entschieden, ob und wenn ja welches Löschmittel eingesetzt wird.

Vor Fehlern ist man dabei jedoch nicht gefeit. Erdbeer berichtet von jüngsten Studienergebnissen auf RoRo-Schiffen. Demnach ist dort, wo der Rauch ist, nicht zwangsläufig auch Feuer. Auch bei der Havarie der »Norman Atlantic« war das so. »Oft haben RoRo-Decks Öffnungen an der Seite, um eine bessere Luftdurchmischung zu erreichen. Das kann aber dazu führen, dass heiße Luft an Sensoren an ganz anderer Stelle ankommt. Das wiederum kann zur Folge haben, dass falsche Schlüsse über den Brandherd und die Ladung gezogen werden, woraus falsche Entscheidungen bei der Wahl der Löschmittel möglich sind. Bei der »Norman Atlantic« wurde das Feuer nicht effektiv bekämpft, weil das Feuerlöschsystem im falschen Bereich des Schiffes ausgelöst worden war.

Jedoch, das ist den erfahrenen Ermittlern wichtig, handelt es sich bei Brandhavarien nicht zwangsläufig um »menschliches Versagen«. Sogenannte »Human Errors« werden nach wie vor für den allergrößten Teil von Schiffsunfällen verantwortlich gemacht. Bei Bränden ist Kaspera aber eine Unterscheidung wichtig: »Von welchem menschlichen Versagen sprechen wir? Es geht nicht immer nur um Schiffs-Crew, manchmal ist Ladung schon an Land falsch deklariert worden.« Die Besatzung weiß gar nicht immer Bescheid, wenn bestimmte Stoffe nebeneinander gestaut werden. Oder sie kann nicht mehr gut genug reagieren.

Beim Brand auf der »Purple Beach« hatte die Crew zwar angefangen zu löschen, allerdings in der Tat einen Fehler begangen. Die Vorgaben für ammoniumnitrathaltiges Düngemittel besagen, dass ein Feuer nicht durch Einleiten von CO2 gestoppt werden kann und soll. Genau das hatten die Seeleute aber gemacht. Dann hatte es relativ lange bis zu einer Meldung an die Behörden an Land gedauert, das Havariekommando schickte schließlich ein Team der Feuerwehr, das die Luke öffnen ließ und Wasser einleitete. »Die Frage ist also auch: Ist die Crew in der Lage, die Empfehlungen richtig zu lesen?«, so Erdbeer. In diesem Fall verwiesen die Seeleute darauf, dass diese Ladung nicht als »gefährlich« gelistet gewesen sei. Das hat unter anderem zu der Empfehlung der BSU geführt, dies Bezeichnung zu ändern, das »nicht gefährlich« zu streichen. Das sei jetzt auch auf dem Weg innerhalb der IMO.

Unabhängig vom Training stößt der Brandschutz jedoch mitunter an Grenzen, wenn es um die Stauung geht. Auf Containerschiffen wäre nach Ansicht der BSU-Ermittler schon viel erreicht, wenn gefährliche Ladung auch als solche klassifiziert ist, mit Berücksichtigung etwa der Temperatursensibilität. Die Empfehlung »nur an Deck in niedriger Lage« gilt beispielsweise für Holzkohle, damit im Zweifel der Brandherd überhaupt erreicht werden kann. Auf RoRo-Schiffen gibt es spezifisches Problem, gerade auf Kurzstrecken mit kleineren Schiffen und zum Teil sehr limitierten Decksbereichen, da es meist keine echte Segregation unterschiedlicher Lkw und damit Ladungen gibt.

Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob sich an den Bedingungen an Bord künftig Entscheidendes verändert. Die BSU wird es im Blick behalten und die Politik weiter mit ihrer Expertise beliefern.


Michael Meyer