Verschwinden bald ganze, heute übliche Größenklassen von Containerschiffen?
In einer neuen Studie gehen Experten davon aus dass sich, ähnlich dem Bulker-Markt, wenige Standardtypen herausbilden
Seit ihrer Einführung sind Vollcontainerschiffe in ihren Dimensionen und ihrer Tragfähigkeit gewachsen. Laut dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL[ds_preview]) deutet einiges darauf hin, dass das laufende Jahrzehnt mit einer bisherigen Entwicklung bricht: bis etwa 2012 wurden Schiffe sämtlicher TEU-Größenbereiche abgeliefert. »Seit einigen Jahren jedoch fokussieren sich die Investitionen klarer auf einige Bereiche. Daraus leiten wir die Kernthese ab, dass der nunmehr ausreifende Containerschifffahrtsmarkt langfristig eine Segmentbildung mit Standardtypschiffen aufweisen wird, wie sie auch in den anderen beiden Hauptschifffahrtsmärkten zu beobachten ist«, so die Experten in einem Thesenpapier. Weil bislang jedoch in allen Größenbereichen Tonnage in Fahrt gegangen sei, dürfte es noch rund 15-20 Jahre dauern, bis die Segmentierung mit dem verstärkten Abbruch der wachstumsstarken Jahrgänge (ca. ab Bj. 2005) klar zu Tage trete.
Es wird erwartet, dass sich um 20.000TEU, 14.000TEU, 11.000TEU sowie unterhalb von 4.000TEU neue Schwerpunkte bilden. Die Schiffe oberhalb 20.000TEU (ab 400 x 60m) werden die Standardschiffe auf den langen Ost-West-Routen. Der neue Bereich um 14.000TEU setzt sich aus zwei Teilbereichen zusammen: Frachter, die die neuen Dimensionen der Panamakanalschleusen ausreizen und unter nautischen Gesichtspunkten und hinsichtlich ihrer effektiven Kapazität nicht optimal gebaut sein werden, sowie Schiffe, die den Panamakanal nicht mehr passieren können, dafür aber mit weniger als 400x60m flexibler in der Wahl ihrer Einsatzgebiete sein werden. Außerdem sieht man Schiffe mit ca. 11.000TEU, die in den nächsten 15 Jahren die heutigen 8.000-TEU-Märkte übernehmen. Einheiten mit weniger als 4.000TEU könnten Shortsea- und Feeder-Funktionen erfüllen.
Die übrigen Größenbereiche stehen demgegenüber vor einem Bedeutungsverlust. Bereits in der nächsten Marktabkühlung dürfte sich der Wandel laut ISL bei den Schiffen um 4.500 bzw. 8.800TEU schneller vollziehen. Für die ehemaligen Panamaxe (Breite 32,2m) stehen heute effizientere und wettbewerbsfähigere Wide-Beam-Typen zur Verfügung. Die Schiffe mit 8.000-10.000 TEU, die Anfang der 2000er in Fahrt gingen und die für den Einsatz auf langen Routen unter der Annahme dauerhaft niedriger Treibstoffpreise konzipiert wurden, haben bei steigenden Treibstoffkosten ab 2020 einen Wettbewerbsnachteil.
In seiner Flottenprognose für das Jahr 2030 geht das Bremer Institut davon aus, dass die Segmentierung dann noch nicht abgeschlossen sein wird, dass jedoch die Fokussierung der Neubestellungen auf die genannten Größenbereiche anhält. Insbesondere die Konzentration auf die Klasse > 22.000TEU und die Vernachlässigung von allem zwischen 16.000 und 22.000TEU ab 2025 setzen voraus, dass das Wachstum wirtschaftlich und gesellschaftlich akzeptiert bleibt. Sollte man Reedern Teile der durch größere Schiffe verursachten Mehrkosten in Rechnung stellen, könnte die Flottenentwicklung am oberen Ende der Skala gebremst werden. Allerdings dürfte aufgrund der neuen Dimensionen des Panamakanals auch weiterhin eine Polarisierung oberhalb 13.000TEU stattfinden. Schiffe, die den Panamakanal nicht mehr passieren können, werden also gleich deutlich größer sein als »Neo-Panamax« und sich im Segment von 400 x ~60m, 20.000TEU befinden. Schiffe mit 16.000-17.000TEU hätten in beiden Szenarien (1: Das Größenwachstum geht weiter und 2: Das Wachstum endet aufgrund gesellschaftlicher Restriktionen bei ~22.000TEU) vermutlich keine Daseinsberechtigung. Ähnliche Entwicklungen waren historisch auch in der Bulker-Flotte zu beobachten, in der kaum Schiffe existieren, die geradeso eben nicht mehr den Panamakanal passieren konnten. Stattdessen gibt es den Sprung zu den Capesize-Bulkern.
Die Prognose geht hinsichtlich der Wachstumsrate der TEU-Kapazität von steigenden Energiekosten, einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit und somit von einem leicht überproportional steigenden Kapazitätswachstum aus.
Pyhsikalische Restriktionen wichtiger
Laut ISL könnte die Segmentierung den Kaskadeneffekt verlangsamen, da langfristig weniger Potenzial für gleitende Übergänge von einer Route auf die nächste bestehen. Damit könnte die Bedeutung physikalischer Restriktionen langfristig zunehmen und es könnte in einer selbsterfüllenden Prophezeiung dazu kommen, dass Hafen- und Terminalbetreiber je nach Region Regionen nur noch Sinn darin sehen, Kapazitäten für bestimmte Größenklassen auszubauen. Folglich könnten sowohl Linien als auch Chartereigner bei ihren Bestellungen weniger experimentierfreudig werden.
Zudem könnten aus der Segmentierung abrupte und schwer prognostizierbare Sprünge in den Einsatzgebieten der Schiffe resultieren, wenn die Liniendienstbetreiber bei Tonnageüberangeboten versuchen, vor allem die größten Einheiten in Fahrt zu halten. Dabei würden Schiffe auf bestimmten Routen, die einmal eine Standardgröße erreicht haben, wohl nicht wieder kleiner werden. Langfristig steigende Treibstoffpreise begünstigen den Einsatz der jeweils größtmöglichen Schiffe.
Laut der ISL-Prognose steigt im Jahr 2030 die durchschnittliche Größe der Einheiten in der Fernost-Nordeuropafahrt auf durchschnittlich 20.500 TEU und die Schiffe, die bereits im Mittelmeer wieder drehen werden dann durchschnittlich eine Kapazität von 15.000 TEU aufweisen. Schiffe aus Fernost mit dem Ziel US-Atlantikküste werden den Experten zufolge unter Nutzung des Panamakanals eine Kapazität von durchschnittlich 8.500 TEU aufweisen. Für Schiffe um 14.000-15.000 Standardcontainer, die in den nächsten Jahren aus der Fernost-Nordeuropafahrt verdrängt werden, müssten dann neue Routen gefunden werden. Dies hat wiederrum nicht unerhebliche Implikationen, indem durch einen Überschuss in diesem Segment die größeren Einheiten bevorzugt würden, um das Marktwachstum zu absorbieren.