Auf der Scandlines-Fähre »Prinsesse Benedikte« wird Motorenabwärme für die Kühlung der Batterien verwendet. Zum Einsatz kommt eine Absorptionskältemaschine – was bisher technisch an Bord eines Schiffs eigentlich gar nicht möglich war

Die dänische Firma Cool4Sea installierte 2016 ihr innovatives Kühlsystem in der Hybridfähre auf der hochfrequenten Route Puttgarden-Rødby. Das Schiff[ds_preview] der deutsch-dänischen Reederei diente seitdem als eine Art Showroom und gleichzeitig als Pilotprojekt für die neuartige Anlage. Cool4Sea bekam so die Möglichkeit, das System gründlich zu testen und weiterzuentwickeln.

Die Idee hinter dem System ist als solche nicht neu: Wärme beziehungsweise Abwärme wird verwendet, um Kälte zu produzieren. Das C4S-System basiert laut Mark Hollænder Viese, CEO und einer der Gründer und Köpfe hinter Cool4Sea, lose auf der einst von Albert Einstein patentierten Absorptionskältemaschine. Das Prinzip macht sich die Eigenschaft mancher Flüssigkeiten zunutze, ein Gas bei niedriger Temperatur zu absorbieren und es bei hoher freizusetzen. Lithiumbromid (LiBr) wird als Absorptionsmittel genutzt, Wasser dient als Kühlmittel. Bei einer Abwärmetemperatur von 65–99°C kommt man so auf kühle +5°C.

Bisher wurde die Technologie, die in manchen Kühlschränken zum Einsatz kommt, noch nicht an Bord von Schiffen genutzt, denn der übliche Aufbau verträgt sich nicht mit Bewegungen und Vibrationen. Diese würden den empfindlichen Prozess stören oder stoppen.

Bei Cool4Sea hat man aber eine Lösung gefunden. Mit dem innovativen Design, das die Dänen schon patentiert und getestet haben, ist der Einsatz auf hoher See nun möglich. Der Prozess werde selbst durch Roll- und Stampfbewegungen mit getesteten Neigungswinkeln von bis zu 45° nicht unterbrochen, sagt Hollænder Viese. »Cool4Seas Design basiert auf Einsteins Prinzip, hat aber sonst keine Ähnlichkeit damit. Das System wurde speziell für dynamische Umgebungen, insbesondere Schiffe entwickelt. Es spricht auch nichts dagegen, es in stationären Anwendungen an Land zu nutzen«, sagt er.

Die Kühlung wird durch vier von einander abhängige Prozesse erzeugt, die gleichzeitig und kontinuierlich in einem geschlossenen System ablaufen. Das ganze geschieht bei einem fast vollständigen Vakuum. Der Unterdruck ist maßgeblich für die Funktion des Prozesses. In herkömmlichen Absorptionskältemaschinen strömen die Flüssigkeiten mithilfe der Schwerkraft von einer Leitung in eine andere. Vibrationen würden dafür sorgen, dass der Transfer zu schnell abläuft. Neigt man die Anlage, können die Flüssigkeiten nicht mehr wie vorgesehen im Leitungssystem fließen. Was den Kniff bei Cool4Sea angeht, zeigt sich Hollænder Viese verschlossen. Anstelle eines konventionellen, horizontalen Aufbaus habe man einen vertikalen entwickelt, mehr wolle er nicht verraten, um das Design des jungen Unternehmens so lange wie möglich zu schützen.

Die Lernkurve in den letzten Jahren sei sehr steil. »Für Aha-Erlebnisse hat schon allein der Wechsel vom Labor in eine reale Schiffsumgebung mit all ihren externen Einflüssen gesorgt. Als wir schon dachten, wir hätten das perfekte Design, mussten wir feststellen, dass wir noch grundlegende Änderungen vornehmen müssen, damit es im Originalmaßstab unter Realbedingungen funktioniert.«

Mit der größten Einheit soll ein Schiff mit einem jährlichen Kühlungsbedarf von 4.300 Stunden seinen Kraftstoffverbrauch um rund 200t und den CO2-Ausstoß um über 500t senken können. Zusätzlich zur Kraftstoffreduktion entfällt auch das bei konventionellen Kompressionskältemaschinen nötige Nachfüllen von Kätemittel (HFC).

Anfangs konzentrierten sich die Entwickler auf die generelle Klimatisierung an Bord. Mit der Zeit kamen mehr Anwendungen hinzu: Kühlung von Batterien, Spülluft, Reefer-Ladung und mehr.

An Bord der »Prinsesse Benedikte« besteht fünf Monate im Jahr großer Kühlbedarf. In diesem Zeitraum läuft die C4S-Anlage mit voller Leistung. Verglichen mit einer Kompressor-Anlage mit einem COP von 4 können laut Scandlines 20 kW eingespart werden. »100 kW Kühlung kosten auf einer Kompressor-Anlage ca. 25 kW, während derselbe Effekt durch 5 kW plus Abwärme auf der C4S Anlage erzielt werden kann. Dies resultiert in einer Ersparnis von ca. 20 kW und entspricht 3% der Hotellast der Fähre«, erklärt eine Sprecherin der Reederei.

Die C4S Anlage wird für die Kühlung der gesamten Ausstattung der Fähre sowie für die Kühlung des Hybridsystems verwendet. Auf der »Prinsesse Benedikte« wird die neue Anlage als Ergänzung zu vorhandenen Kompressor-Systemen verwendet (ein großer und ein kleiner Schraubenkompressor). Durch die Absorptionskältemaschine muss der große Kompressor nur im Juli in Betrieb.

Den Angaben der Reederei zufolge spart man also nicht nur Kraftstoff und damit Emissionen, durch die neue Anlage entstünden zudem praktisch keine Betriebs- und Wartungskosten für die neue Anlage.

Cool4Sea befindet sich im Gespräch mit Reedereien, auch Scandlines ist dabei. Laut Hollænder Viese gibt es in allen Fällen sorgsam ausgearbeitete Business Cases. Auch Scandlines prüft den Einsatz des C4S-Systems für die Hybridfähren »Berlin« und »Copenhagen«. Hier betrage der Kühleffekt 250 kW, die von der Anlage benötigte Leistung 12 kW. Das resultiert in einem COP-Faktor (»Coefficient Of Performance«) von 21, das Verhältnis von Kühlenergie, die man erhält, zur nötigen elektrischen Energie.

Die Markteinführung des Systems war 2020 geplant. 2018 bekam man aber weit bessere Testergebnisse, als erhofft: »Außerdem hat sich eine einzigartige Gelegenheit zur Kooperation ergeben, womit die Möglichkeit eines Marktstarts schon 2019 gegeben ist«, so der CEO.