Die ehemalige Blohm+Voss-Tochter Noske Kaeser gehört seit rund einem Jahr zur französischen Engie Axima. Jürgen Matthes, CEO des Hamburger Klima, Lüftungs- und Feuerlöschspezialisten berichtet, was seither geschah – und was noch geplant ist
Wie steht es nach zehn Jahren Insolvenz und unter neuem Konzerndach nun bei Noske Kaeser?
Jürgen Matthes: Wir[ds_preview] waren zum Zeitpunkt der Übernahme in einer guten Situation vom Unternehmen her, allerdings begrenzt in unserer Entwicklung durch das Thema Finanzierung. Es gab sicher Kunden, die langfristige Projekte ungern mit einem insolventen Unternehmen durchgeführt hätten. Wir haben zwar Bürgschaftslinien gehabt, aber manchmal reicht das nicht aus, man braucht die Liquidität. Aber es gab auch kein Potenzial mehr, zu wachsen.
Jetzt hat Noske Kaeser beispielsweise den neuen K130-Auftrag komplett erhalten (die deutsche Marine erhält fünf weitere Korvetten der Klasse K130, Anm. d. Red.). Ich glaube, dass wir den ohne die Übernahme durch Engie Axima nicht bekommen hätten, das muss man ganz klar sagen. Bei Aufträgen dieser Kategorie wären die Kunden sonst zurückhaltender.
Sind gerade deutsche Kunden hier vorsichtiger?
Matthes: Gerade die Deutschen. In vielen anderen Ländern geht man mit Chapter 11 im Hinterkopf eher davon aus, dass es mit dem Unternehmen schon weitergeht. International hatten wir in der Vergangenheit kaum Probleme und haben beispielsweise während der Insolvenz in Korea erfolgreich Marineanlagen verkauft. Auch bei Aufträgen für Kreuzfahrtschiffe in Italien war die Insolvenz kein großes Thema.
Durch die Übernahme sind wir in ganz anderes Fahrwasser gekommen. Wir haben jetzt eine solide Finanzierung hinbekommen. Es dauert heute etwas länger, mit Banken und Kreditinstituten Gespräche zu führen, aber wir haben jetzt mehrere Möglichkeiten, bei Geschäften Bürgschaften zu stellen oder das von der Cash-Seite her durchzufinanzieren. Diese Last ist also von uns genommen. Zudem haben wir heute die Möglichkeiten – wo erforderlich – Konzernbürgschaften zu stellen, das macht das Leben ebenfalls einfacher.
Sind nun also wieder Investitionen zu erwarten?
Matthes: Auch während der Insolvenz haben wir investiert, können das jetzt aber in einer anderen Größenordnung tun. So bekommen wir jetzt neue IT-Systeme, es wird komplett umgestellt auf eine neue Serverlandschaft und neue PCs, das ist alles in diesem ersten Jahr angeschoben worden. Wenn das abgeschlossen ist, steht schon die Einführung eines neuen SAP-Systems auf der Agenda.
Nach der Übernahme durch einen ausländischen Konzern braucht es eine Kennenlernphase und Zeit für die Integration. Man muss sich mit den Konzernrichtlinien und Regularien auseinandersetzen, sich mit Vorgaben für Geschäftsverhalten und Projektkalkulation vertraut machen. Das ist recht komplex, die entsprechenden neuen Management-Tools und Vorgaben haben wir jetzt aber zu etwa 99% eingeführt. Wir waren ja vor vielen Jahren schon einmal Konzernteil, dann während der Insolvenz an den Insolvenzverwalter gebunden mit Entscheidungen auf kurzem Wege. Das mussten wir auch erst lernen.
Wird es in der neuen Konstellation Veränderungen in der Schwerpunktsetzung geben?
Matthes: Wir haben noch keine großen Veränderungen in den Segmenten, die wir betreuen. Zurzeit ist es recht Marine-lastig, so sind eben gerade die Marktgegebenheiten. Wir haben ca. 70% Marinegeschäft, insbesondere in Deutschland, Korea und Italien und wir unterstützen unsere Kollegen in Australien. Der Handelsschiffbau macht rund 30% aus.
Engie hat uns nicht gekauft, weil sie das Gleiche machen wie wir. Im Bereich der Feuerlöschsysteme differenzieren wir uns und haben unsere eigenen Systeme, die wir auch versuchen werden, auf dem ranzösischen Markt zu verkaufen – ob direkt oder über Engie, ist noch nicht ganz entschieden.
Das weltweite Angebot auszuweiten wird sicherlich auch ein Schwerpunkt für Noske Kaeser sein. Und wir müssen künftig mit Engie noch das Thema Komponentenfertigung abstimmen. Es kann aber gut sein, dass der Montageschwerpunkt in Hamburg sein wird, für alles was zum Klima-, Lüftungs- und Feuerschutzbereich gehört.
Ist ein Ausbau in Hamburg denkbar?
Matthes: Wir haben einige Infrastrukturveränderungen am Standort Hamburg und auch die Montagefläche ist etwas größer geworden. Und wir haben uns noch eine Option offengehalten, eine weitere Fläche dazuzumieten. Ob das dann notwendig ist, kann man derzeit aber noch nicht sagen.
Wie sind die Aussichten für Zulieferer auf dem deutschen Markt, insbesondere im deutschen Marine-Schiffbau?
Matthes: Ich würde das immer noch als gut bezeichnen. Es sind ausreichend Projekte am Markt und ich glaube, dass auch alle Anbieter davon profitieren können. Dazu gibt es Großprojekte wie das MKS 180 (Mehrzweckkampfschiff 180 der deutschen Marine, Anm. d. Red.), bei denen alle gespannt sind, wann und wie sie umgesetzt werden. Die Projekte sind da, es gibt keinen Grund, nicht positiv in die Zukunft zu schauen.
Welches sind die Trends, die Ihr Geschäft in der absehbaren Zukunft bestimmen werden, sowohl technologisch als auch marktbedingt?
Matthes: Technologisch sind Energieeffizienz, Alternativkältemittel und Alternativlöschmittel wichtige Themen, das wird auch in Zukunft so bleiben. Im Bereich der Kältemittel gibt es beispielsweise nun auch im Schiffbau die Tendenz, CO2 als Kältemittel einzusetzen. Das ist an Land schon gang und gäbe und wird, wo möglich, auch im maritimen Bereich komplett umschwenken.
Was den Markt betrifft, sehe ich ganz klar, dass wir wieder mehr in Richtung China schauen müssen. Kreuzfahrtschiffe werden künftig dort gebaut. Der europäische Markt wird sicher bestehen bleiben, aber wenn man sich anschaut, was derzeit in China geplant wird, werden sicher auch die großen Kreuzfahrer irgendwann dort gebaut. Auch auf der letzten SMM gab es diesbezüglich ein ganz starkes Signal aus China.
Ein weiterer Trend ist, dass bei Navy-Programmen die Local-Content-Vorgaben zunehmen und vieles direkt im Land umgesetzt wird, beispielsweise in Australien und Kanada. Wobei wir die Fertigung und das Engineering vor Ort schon seit den 1990ern betreiben, je nach Situation.
Wird dieser Trend sich noch verstärken – und werden Sie den Aufträgen wieder folgen?
Matthes: Wir sind schon häufig den Projekten gefolgt, zum Beispiel in Australien und Malaysia. Wir haben in Südafrika viele Jahre Geräte fertigen lassen und wären bei Projekten in der Region wieder dazu in der Lage. Auch in Zukunft werden wir den Projekten folgen. Sonst könnte man den Local Content Offset nicht erfüllen, da sind die Forderungen heute so hoch geworden – statt 10-20% wie früher, reden wir heute oft über 80-100%. Wir haben hier bereits viel Erfahrung und Engie ebenfalls, beispielsweise mit Dependancen in Indien, Malaysia oder Brasilien.
Spielten solche Themen eine Rolle bei der Übernahme?
Matthes: In Deutschland gibt es keine Local-Content-Offset-Forderungen, hier ist man eher auf dem Weg der europäischen Ausschreibungen. Das war aber für Engie kein Hauptgrund, uns zu kaufen. Wir sind sehr stark im Feuerlöschbereich und in den Komponenten für Marineschiffe – Dinge, die Engie nicht in dieser Form liefern kann – und außerdem sehr stark im Service. Diesen weltweiten Servicegedanken wollen wir auch bei Engie voranbringen.
Dafür ist Engie wiederum stark bei den Kreuzfahrtschiffen in Frankreich und sie haben jetzt die Aufträge in Wismar für die Global Class von Dream Cruises bekommen, wo ir auch gut vertreten sind. Das ergänzt sich sehr gut. Bei den Kreuzfahrtschiffen in Wismar sind wir beide gut vertreten. Engie war in der Vergangenheit sehr stark in Frankreich, wir konnten einigermaßen erfolgreich in Italien Anlagen verkaufen, was jetzt noch verstärkt werden soll. Nun wollen wir auch China angehen, erst einmal im Bereich der Proviantkühlanlagen, aber dabei muss es nicht bleiben. Das ist ein ganz großer Markt.
Wie steht es um Offshore-Projekte, es gab ja vor einiger Zeit Ankündigungen, sich hier stärker zu engagieren?
Matthes: Leider sind die Projekte nicht alle so gekommen, wie gedacht. Man war weltweit mit mehr Euphorie am Start, es standen einmal ganz andere Zahlen im Raum. Wir können mit unserer Expertise in Frankreich helfen, weil wir schon einige Plattformen ausgerüstet haben. Das Potenzial, hier richtig groß zu werden, sehe ich aber derzeit nicht. International waren wir in Taiwan schon beteiligt, Engie ist in Brasilien gut aufgestellt, wir haben den Markt also ganz gut unter Beobachtung.
Interview: Felix Selzer