In Wedel, Bremerhaven und Kiel betreibt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Messstationen für Schiffsabgase. Die Technik funktioniert offenbar gut, mit mobilen Stationen sollen die Kontrollen ausgeweitet werden, schreibt Felix Selzer
Schiffskontrolle wegen möglicher Überschreitung des zulässigen Schwefelgrenzwerts im Kraftstoff: Die Polizei geht im Hafen an Bord, schaut sich die Dokumentenlage[ds_preview] an – welcher Kraftstoff wurde gebunkert, wie war der Verbrauch, wann wurde umgestellt von HSFO auf LSFO, wenn ein Schiff von außerhalb der SECA kam? Gegebenenfalls erfolgt auch eine Sichtkontrolle des Kraftstoffs. Ergeben sich Verdachtsmomente, kann die Polizei eine Probe nehmen, die dann ins Labor geht.
Der zulässige Schwefelgehalt im Schiffskraftstoff liegt global derzeit noch bei 3,5% (MARPOL Annex VI), im Schwefelemissionskontrollgebiet (SECA) in der Nord- und Ostsee wurde er zum 1. Januar 2015 von 1% auf 0,1% gesenkt. Schiffe müssen somit bei Einfahrt in die Zone Kraftstoff mit 0,1% Schwefelgehalt oder ein Kraftstoffreinigungssystem nutzen.
Die Kontrollen an Bord sind sehr zeit- und personalaufwändig. Zudem müssen sich die Beamten auch sehr gut auskennen. »Sie bekommen die Dokumente vorgelegt und müssen sich darin zurechtfinden, auch wenn es ein russisches Schiff ist. Sie müssen Unstimmigkeiten erkennen und wissen, wo sie im Pipelinesystem des Schiffs eine Probe nehmen müssen«, sagt Andreas Weigelt, Leiter des Schiffsabgasmessnetzes des BSH. Darum könne nur ein kleiner Teil der ankommenden Schiffe überhaupt kontrolliert werden. 2017 wurden im Hamburger Hafen von 10.000 Anläufen 450 Einheiten überprüft.
Wie also kann die Zahl der überprüften Frachter erhöht werden? »Was wäre denn, wenn jedes Schiff eine Flagge hätte, welche die Qualität des Kraftstoffs anzeigt? Das Schöne ist: das machen die Schiffe bereits, nämlich mit der Abgasfahne«, sagt Weigelt. Daher betreibt das BSH Messstationen an ausgesuchten Stellen.
Blowing in the wind
Das Schiff kommt an der Messstation vorbei, die Abgasfahne wird vom Wind zum Sniffer transportiert, es werden unter anderem Schwefeldioxid und Kohlendioxid gemessen. Aus dem Verhältnis der beiden Abgasbestandteile lassen sich Rückschlüsse auf den Schwefelgehalt im Kraftstoff ziehen. »Zwar verdünnt sich die Abgasfahne auf dem Weg vom Schornstein bis zur Messstation, aber so wie sich Schwefel verdünnt, verdünnt sich auch Kohlenstoff. So kann man in der Mitte der Abgasfahne genau so messen, wie am Rand«, erklärt Weigelt.
Die Fernmessung liefert später der Wasserschutzpolizei einen Anfangsverdacht für weitere Kontrollen eines auffälligen Schiffs. Der Messwert selbst taugt nicht als gerichtlich verwertbarer Beweis, gibt aber der Polizei die Legitimation, an Bord eine Probe zu nehmen. Wird bei der Kraftstoffanalyse im Labor eine Überschreitung des Schwefelgehalts festgestellt, die BSH-Messung also bestätigt, werden Sanktionen verhängt. Je nach Umfang der Überschreitung erfolgt die Einstufung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Für Ordnungswidrigkeiten ist das BSH zuständig, um Straftatbestände kümmert sich die Staatsanwaltschaft.
Die Bußgelder bewegen sich im Rahmen von wenigen hundert Euro für kleine Fehler wie falsche Dokumentation bis hin zu mehreren zehntausend Euro, wenn etwa in der ECA mit HSFO gefahren wurde. »Die Strafverfolgung richtet sich dabei nicht gegen die Reederei, sondern gegen die verantwortlichen Personen an Bord, also gegen den Kapitän oder den 1. Offizier«, erklärt der BSH-Mann.
Damit es soweit kommen kann, müssen die im Freien stehenden Stationen zunächst überhaupt die Abgasfahnen abbekommen. »Wenn der Wind von der falschen Seite kommt, sieht man nichts. Daher positionieren wir unsere Messstationen strategisch so, dass wir die Hauptwindrichtung ausnutzen«, erklärt der Wissenschaftler. Wedel sei in dieser Hinsicht ein sehr guter Messstandort.
Die Messungen dort begannen schon 2014 im Rahmen eines Forschungsprogramms und wurden dann in eine Routinemessung überführt. Im Schnitt werden hier 3.000 bis 4.000 Abgasfahnen pro Jahr gemessen. »Verglichen mit 450 Schiffen, die die Polizei im Jahr in Hamburg kontrollieren kann, ist das schon eine deutlich größere Stichprobe«, sagt Weigelt.
Nach dem Vorbild von Wedel sind auch die anderen Stationen des BSH aufgebaut. In Bremerhaven am Nordende des Containerterminals fahren die Schiffe in einer Entfernung von 200 bis 400m vorbei, so wie in Wedel, auch die technische Ausstattung ist sehr ähnlich. Die Kieler Station steht auf dem Gelände eines Munitionslagers der Bundeswehr in Laboe am Ostufer der Kieler Förde, nördlich des Eingangs zum Nord-Ostsee-Kanal. »So können wir bei Westwind – und meistens haben wir Westwind – den gesamten Verkehr, der nach Kiel geht, aber auch den Verkehr durch den Nord-Ostsee-Kanal, messen«, erklärt Weigelt.
Schwefelgehalt wird errechnet
Schiffsabgase verraten sich am deutlichsten durch Spitzen bei NO- und NO-Werten. Der Hintergrundwert in der Luft liegt in der Regel bei +/- 0 ppb (parts per billion). Trifft eine Schiffsabgasfahne das Messgerät, steigt dieser Wert je nach Verdünnung auf 80, 100, 200, 300 oder 400 ppb an. Der Anstieg ist auch beim Kohlendioxid und, falls ein Schiff schwefelhaltigen Kraftstoff einsetzt, auch am Schwefeldioxid zu sehen. Gleichzeitig ist ein Abbau von Ozon zu erkennen. Schiffe emittieren hauptsächlich Stickstoffmonoxid (NO). Altert die Abgasfahne, holt sich das NO ein Sauerstoffatom vom Ozonmolekül (O) und wird zu NO.
Aus den gemessenen Werten errechnen die Wissenschaftler den Schwefelgehalt des Kraftstoffs, indem sie den SO- durch den CO2-Wert teilen und dann mit einem Faktor multiplizieren, der sich aus verschiedenen Annahmen (z.B. Kraftstoff besteht zu 87% aus Kohlenstoff) und diversen Fakten (z.B. ein Schwefelatom hat anderes Molekulargewicht als ein Kohlenstoffatom) zusammensetzt.
Die Zuordnung von Abgaswerten zu einzelnen Schiffen erfolgt per AIS. Die Schiffsbewegungen vor der Station werden aufgezeichnet, zusätzlich wird die Zugbahn der Abgasfahne anhand der Windrichtung und -geschwindigkeit berechnet. Im Falle einer eindeutigen Zuordnung geht eine E-Mail an die Wasserschutzpolizei mit Messwert und Schiffsidentität – alles automatisch.
Bisher werden die Messstationen routinemäßig in Wedel, Bremerhaven und Kiel betrieben, außerdem will das BSH eine mobile Messstation einsetzen, einen Pkw-Anhänger mit einem Messgerät. So kann man je nach Windrichtung den Standort wechseln. Mit dem Neubau des Forschungsschiffs »Atair« bekommt das BSH zudem noch eine mobile Abgasmessanlage auf dem Wasser. So könnten in der Kadettrinne oder in der Deutschen Bucht Messungen erfolgen, allerdings werde das nur eine von ganz vielen Aufgaben der »Atair« sein, sagt Weigelt. »Wir befinden uns aber auch in Gesprächen mit der Bundespolizei See, ob wir nicht auf deren Schiffen ebenfalls Abgasmessstationen montieren.«
Deutschland ist mit der 2014 in Wedel in Betrieb gegangenen Station einer der Vorreiter in Europa. Die Belgier messen Schiffsabgase vor ihrer Küste vom Flugzeug aus, die Niederländer im Hafen Rotterdam mit ähnlichen Vorrichtungen wie in Deutschland. In Dänemark wird an der Öresund- und der großen Beltbrücke gemessen, außerdem gibt es Hubschrauber-Kampagnen. Die Schweden haben sich am Hafeneingang von Göteborg positioniert, messen aber auch mit Flugzeugen über See, in Finnland wurde ebenfalls ein Messnetz mit fünf Stationen eingerichtet.
Die Messwerte aus Wedel zeigen, dass der weit überwiegende Teil der Schiffe sich an die Vorgaben hält. Direkt nach Einführung der verschärften SECA-Grenzwerte von 2014 auf 2015 waren 2% der vom BSH gemessenen Schiffe auffällig – mit 3.000 bis 4.000 im Jahr eine repräsentative Stichprobe. »Diese Zahl ist seitdem kontinuierlich nach unten gegangen und liegt nun deutlich unter 1%«, erklärt Weigelt.
Während die Peak-Höhen am Sniffer in Wedel für den Übergang 2014/2015 kaum Veränderungen für die Stickoxide zeigen, gibt es klare Unterschiede bei den SOx-Werten vor und nach Inkrafttreten der SECA-Regelung. »Wir messen beim Schwefeldioxid einen Rückgang um 50 bis 70%, das ist eine physikalisch messbare Verbesserung der Luftqualität, diese Grenzwertverschärfung bringt also wirklich etwas«, so Weigelt. Dies habe man auch anhand der 2014/2015 projektweise auf der Insel Neuwerk installierten Messstation nachvollziehen können.
Befinden sich zum selben Zeitpunkt zwei Schiffe im Erfassungsbereich des Sniffers, kann der Computer die Abgasfahne nicht eindeutig zuordnen. Dann geht keine automatische E-Mail an die Wasserschutzpolizei, sondern ans BSH. »Der Operator versucht dann mit seiner Erfahrung eine Zuordnung zu ermöglichen« sagt Weigelt, das gelinge auch, es sei aber auch schon vorgekommen, dass es nicht möglich gewesen sei. »Wir haben dann die Wasserschutzpolizei angerufen und die Situation erklärt. Da es aber nicht eindeutig genug war, wurde die Information verworfen. In dem Fall hat das Schiff also Glück gehabt. Diese Situationen kommen jedoch äußerst selten vor, bisher zwei Mal bei knapp über 23.000 Messungen.«
Felix Selzer