Die Reederei Hansa Heavy Lift wird abgewickelt, weil der Investor Oaktree kein Kapital mehr bereitstellen wollte. Im HANSA-Interview spricht Insolvenzverwalter Christoph Morgen über das Verfahren, Schulden, Mitarbeiter und den Streitpunkt »Bunker«

Wie ist der Stand der Dinge im Insolvenzverfahren?

Christoph Morgen: Der Geschäftsbetrieb ist zum 1. März eingestellt worden[ds_preview]. Das technische Management der Commerzbank-Schiffe wurde an Liberty One übergeben und sämtlichen Mitarbeitern bis auf ein Abwicklungsteam gekündigt. Eine Restabwicklung wie Buchhaltung, Arbeitszeugnisse, Abwicklung der Arbeitsverhältnisse oder der Forderungseinzug läuft noch.

Die Übergabe an Liberty One betrifft nur die Commerzbank-Schiffe?

Morgen: Die von der Unicredit-Bank finanzierten Schiffe hat Spliethoff von den Schiffsgesellschaften, außerhalb des Insolvenzverfahrens, gekauft. Sie sind nicht insolvent und wurden schon finanziell restrukturiert.

Wie viele Mitarbeiter waren am Ende noch da?

Morgen: Wir sind mit 60 Mitarbeitern gestartet. Knapp 30 haben Aufhebungsverträge beantragt, weil sie neue Jobs hatten, sodass wir rund 30 Kündigungen aussprechen mussten. Viele der Betroffenen hatten schon etwas Neues in Aussicht, diese Erfahrung deckt sich mit anderen Verfahren. Es gab Insolvenzausfallgeld für Dezember, Januar, Februar. Für März, April, Mai erfolgt die Bezahlung aus der Insolvenzmasse, soweit diese dafür ausreicht.

Wird sie denn ausreichen?

Morgen: Die genaue Höhe der Insolvenzmasse ist noch unklar, weil einzelne Vermögenspositionen noch zu klären sind, z.B. wem der Bunker an Bord gehört. Bis zur Klärung wurden beim Verkauf der Schiffe der Bunker-Wert separiert und auf einem Treuhandkonto hinterlegt.

Der Bunker wurde an HHL als Besteller übereignet. Da der Lieferant jedoch nicht vollständig bezahlt wurde, mussten die Schiffseigentümer und die finanzierenden Banken die Forderungen bezahlen, um Gläubigerrechte abzuwenden. Das führt dazu, dass Bunker, den HHL nicht bezahlt hat, der HHL aber ohne Eigentumsvorbehalt übereignet wurde, jetzt HHL gehört, obwohl andere gezahlt haben.

Dann geht der Wert in die Insolvenzmasse?

Morgen: Das wird zu verhandeln sein. Hauptargument dagegen ist, dass mit der Zeitcharter schuldrechtlich vereinbart wurde, dass Bunker-Anfangs- und Endbestand verrechnet werden und nur der Saldo auszugleichen sei.

Was sind weitere Bestandteile?

Morgen: Ansonsten fließt nicht viel in die Insolvenzmasse. Dazu gehört Mobiliar, Computer, Ersatzteile mit gewissem Wert, Bunkerbestände, Kontoguthaben und Forderungen gegenüber Kunden. Kontoguthaben und Forderungen betrugen zusammen einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag.

Wie hoch war HHL am Ende verschuldet?

Morgen: Die Schiffe waren deutlich verschuldet, zum Teil deutlich über Marktwert. Bei der Reederei ist es etwas komplizierter, weil sich die Frage stellt, ob man die Finanzierung der Gesellschafter quasi als Eigenkapital betrachtet. In dem Fall ist es ein niedriger einstelliger Millionenbetrag. Hinzu kommen 15 Mio. $ beim Bunkerlieferanten.

Waren »die Bücher« in Ordnung?

Morgen: Es gab aufgrund der Gesellschafterstruktur mit einem Finanzinvestor relativ hohe Reporting-Verpflichtungen und dementsprechend eine geordnete Buchhaltung und ein kaufmännisches Berichtswesen.

Gibt es neben dem Bunker-Lieferanten weitere größere Gläubiger?

Morgen: Es gibt im niedrigen einstelligen Millionenbereich 300 verschiedene Gläubiger, unter anderem Agenturen. Hinzu gekommen ist die Bundesagentur für Arbeit. Durch die Lohnzahlungen im Dezember, Januar und Februar wird sie zum Insolvenzgläubiger und ist nach World Fuel der größte Einzelgläubiger.

Bis wann könnte das Verfahren abgeschlossen sein?

Morgen: Ich strebe eine schnelle und gütliche Einigung zu allen Themen an. Wenn wir Einzelfragen gerichtlich klären müssen, kann es jedoch noch Jahre dauern. Aber es scheint mir hier durchaus eine Chance zu bestehen, im Laufe dieses Jahres die Restabwicklung zu schaffen.

Was könnte den Prozess verhindern?

Morgen: Bei möglichen Rechtsstreitigkeiten geht es um Bunker, womöglich auch um einzelne Anfechtungsfragen. HHL hat Direktzahlungen an Schiffsgläubiger vorgenommen. Die Frage ist, ob man den abgekürzten Zahlungsweg insolvenzrechtlich zurückdrehen muss.

Ist eine Klage gegen das HHL-Management möglich, wie im Markt spekuliert wird?

Morgen: In jedem Insolvenzverfahren ist zu prüfen, ob es bezüglich dem Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife eine Haftung gibt, ob der Antrag also rechtzeitig gestellt wurde. Die Prüfung ist ergebnisoffen und noch nicht abgeschlossen. Diese wirft komplizierte Rechtsfragen auf, etwa im Hinblick auf Gesellschafterfinanzierung und Zusagen.

Sehen Sie Anzeichen für eine Insolvenzverschleppung?

Morgen: HHL hatte Planungen für verschiedene Szenarien. Es gab sicher ambitionierte Prognosen zur Charterratenentwicklung, aber es gab auch einen Gesellschafter, der sieben Jahre lang Geld überwiesen hat, wenn es gebraucht wurde. Dann stellt sich schon die Frage, ob man sich als Geschäftsführer darauf verlassen kann, dass es so weitergeht. Insgesamt hatte Oaktree 120 Mio. $ für HHL und weitere Mittel für die Schiffe zur Verfügung gestellt.

Wie liefen die Gespräche mit den HHL-Eignern?

Morgen: Ich hatte intensiv Kontakt mit Oaktree als Eigentümer der Schiffsgesellschaften, die wiederum Eigentümer der Schiffe sind. Insofern hatte Oaktree eine Doppelrolle: Gesellschafter von HHL und der Schiffsgesellschaften. Sie waren auch Eigentümer der Unicredit-Schiffe. Es musste abgestimmt werden, wie es weitergeht, etwa zu den Themen Separierung der Verkaufspreise, Bunkervolumen. Das haben wir auch mit Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin für die Commerzbankschiffe abgestimmt. Daher war die Zusammenarbeit mit Oaktree in der Rolle des Schiffseigentümers genauso intensiv wie mit Insolvenzverwalter Penzlin. Die Zusammenarbeit war konstruktiv und professionell. Auch der tägliche Kontakt mit den Geschäftsführern war gut. Diese haben maßgeblich zu einem guten Verkauf eines Teils der Flotte beigetragen.

Wie würden Sie das Verfahren – auch im Vergleich zu anderen Fällen – bewerten?

Morgen: Es war ein unspektakuläres, unaufgeregtes Verfahren. Allerdings gab es von vornherein kaum eine Chance auf eine Betriebsfortführung, weil das Betriebsmittel Schiff nicht zur Verfügung stand. Die halbe Flotte war arrestiert, die andere mit Arrest bedroht.

Gab es eine Idee, HHL ohne eigene Schiffe, als Befrachter oder Dienstleister, weiterzuführen?

Morgen: Das haben wir als Plan B versucht. Dann hätte es eines Käufers für die Schiffe bedurft, der auch ein Interesse an einer Übernahme von HHL hat. Alle diejenigen, die Schiffe gekauft haben, wollten das technische Management allerdings selbst machen. In der Befrachtung ist der Markt ohnehin sehr klein. Nachdem wir den Kunden mitteilen mussten, dass wir nicht mehr gewährleisten können, ohne Arreste neue Fracht sicher und im Zeitplan zu befördern, ist auch das Orderbuch – auch das, was noch nicht fest vereinbart war – innerhalb weniger Tage geschrumpft. Die Kunden haben sich verständlicherweise andere Transportkapazitäten gesucht. Kunden mit fest vereinbarten Ladungen haben gefragt, ob wir einen pünktlichen Transport garantieren können. Das konnten wir wegen der Arreste und der fehlenden Eigenmittel nicht. So waren letztlich in kürzester Zeit keine Kundenbeziehungen mehr vorhanden.

Können Sie die Aussagen aus dem HHL-Kreis bestätigen, wonach es gerade besser wurde, als es zur Insolvenz kam?

Morgen: Es gab durchaus mehr Anfragen für Geschäft im Jahr 2019, allerdings nur teilweise fest vereinbart.
Interview: Michael Meyer